Die deutschen Medien versagen in der Griechenland-Berichterstattung (PS 8.2.)

Bei uns sind die Zeitungen voll von Meldungen darüber, was Alexis Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis Schlimmes anstellen. Unter anderem, dass sie den Beamtenapparat durch Neueinstellungen wieder aufblähen. Gemeint sind natürlich nur Staatsangestellte, nicht wirklich Beamte. Hier ein abschreckendes Beispiel für solch populistisches Tun.

Hier empfangen die (ehemaligen) Putzfrauen des Finanzministeriums begeistert ihren neuen Minister, der mitgeteilt hat, dass er sie wieder einstellt. Das hatte schon vor langer Zeit ein Gericht verfügt, aber in Zeiten der Troika gelten die Gerichte in Athen nicht mehr viel. Varoufakis Vorgänger hat das Urteil einfach ignoriert. Und nun also wird der Staat wieder bluten müssen?! Nicht wirklich. Das Finanzministerium wurde nämlich unter Varoufakis Vorgänger auch noch geputzt, und zwar nicht von den Beamten, sondern von einer privaten Firma, die die entlassenen Putzfrauen ersetzte. Und die war weitaus teurer. Aber das machte nichts. Hauptsache der von der Troika geforderte Personalabbau und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes wurden umgesetzt.

Bei waren die Zeitungen dieser Tage auch voll von dem Pseudo-Skandal, dass die linke oder meist „linkspopulistisch“ genannte Syriza mit der „rechtspopulistischen“ Partei Unabhängige Griechen (Anel) paktiert um eine Regierung zu bilden. Zu fast 100% einheitlich wird in den deutschen Medien dabei die Bezeichnung „rechtspopulistisch“ verwendet, von der rechten Welt bis zur linken TAZ, im Fernsehen sowieso, und überall ist es abwertend gemeint. Aber zu fast Null Prozent wird erklärt, was damit gemeint ist. Aus Wikipedia:

Für den Begriff Populismus (lat.: populus, „Volk“) gibt es keine eindeutige Definition. In der politischen Debatte ist Populismus oder populistisch ein häufiger Vorwurf, den sich Vertreter unterschiedlicher Richtungen gegenseitig machen, wenn sie die Aussagen der Gegenrichtung für populär, aber nachteilig halten.

Wie kommt es, dass die deutschen Medien gegenüber einer Partei in einem fremden Land dermaßen einheitlich mit einem abwertenden politischen Kampfbegriff hantieren. Als er noch Teil der ehemaligen Regierungspartei Nea Demokratia war, die alles andere als den Willen des Volkes verfolgte, da hieß Anel-Parteichef Panos Kammenos noch nicht populistisch. Das wurde er erst, als er aus der ND ausgeschlossen wurde, weil er die menschenfeindliche Troika-Politik, die das Land zu einem Armenhaus gemacht hat, nicht mittragen wollte. 

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 Kammenos hat sich im Wahlkampf nicht an einen Grenzzaun gestellt und in die Kameras gesprochen, Syriza wolle den Zaun niederreißen und Terroristen und Kriminelle ungehindert ins Land lassen, kurz nachdem sich dort eine Flüchtlingstragödie ereignet hatte. Das war ND-Chef Samaras. Wird dieser rechtspopulistisch genannt. Nein. Die Haltung von Kammenos und seiner Partei geht in solchen Fragen eher Richtung CSU. 

In was für einer Mediendemokratie leben wir hier eigentlich? Wo haben die Journalisten von links bis rechts nur ihr Hirn und ihre Ehre, dass sie ohne nachzudenken, diese von oben in Umlauf gebrachten Parolen voneinander abschreiben? Ich schäme mich für meine Branche. 

Post Scriptum (1.2.): Seit Veröffentlichung dieses Beitrags, der offenbar einen Nerv traf und binnen vier Tagen mit über 8000 Aufrufen zum meistgelesenen Artikel der Webseite wurde, ist die Verbindung von links oder rechts mit -populistisch zumindest in der Griechenlandberichterstattung sehr selten geworden. Noch übt man allerdings. So charakterisierte die Frankfurter Rundschau am Samstag auf Seite 1 in einem Bericht zur Abfuhr für die Troika die Unabhängigen Griechen als „rechtskonservativ“ und die Syriza als „linksradikal“. Ob die Rundschau „rechtskonservativ“ zur Abgrenzung von linkskonservativ benutzte oder zur Abgrenzung von rechtsprogressiv ist nicht ganz klar Meine Vermutung ist, dass das habituelle, abwertende „-populistisch“ eine innere Notwendigkeit geschaffen hat, irgend etwas an das links oder rechts dranzuhängen, weil es sich sonst unvollständig anfühlte. Das könnte auch das „-radikal“ bei Syriza erklären, das sich bei einer Partei, die ein Drittel der Stimmen auf sich vereinigte eigentlich ebenso wenig aufdrängt wie das frühere „-populistisch“.

Nachtrag vom 8.2.2015

Klaus-Max Smolka hat am 7.2. auf FAZ.net einen sehr guten Kommentar zu „populistisch“ als Kampfbegriff geschrieben, dessen Nutzung die Verachtung der Eliten für Die Bedenken der gemeinen Leute ausdrückt.

Schlagwörter: Medienversagen, Populismus, Griechenland, Syriza, Mediendemokratie, Kamenos, Samaras

 

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