Einspruch zu „Münchau – Wie QE wirklich funktioniert“

Sie schreiben: „Die Zentralbanken haben die Bilanzierungskonvention aus der Zeit des Goldstandards auch in der Zeit des reinen Papiergeldes beibehalten, weil es ihrem Machtinteresse dient. Wenn sie nämlich das Bargeld nicht als Schuld buchen würden, würde die Bargeldausgabe sofort als Gewinn in den Jahresabschluss eingehen. Und der ist normalerweise an den Finanzminister auszuschütten. Die riesigen Vermögen der Zentralbanken, und damit ein großer Teil ihrer Macht, kommen

daher, dass sie so bilanzieren, dass möglichst wenig Gewinn anfällt, den sie ausschütten müssten.“
Und:
„Wenn die EZB für eine Billion Euro Staatsanleihen kauft, mit von ihr zusätzlich geschaffenem Geld, und sie sind nach zehn Jahren nur noch halb so viel wert, dann hat sie nur dann ein Problem, wenn sie den Geldschöpfungsgewinn sofort und vollständig an den Finanzminister ausgeschüttet hat. Sie schüttet aber dank ihrer Bilanzierungsregeln fast gar nichts davon aus, sondern packt fast alles in die Eichhörnchen-Posten für schlechte Zeiten.“
Und:
„Die Notenbanker ……. können die erfundenen Ausgleichspositionen zur Vermeidung von Gewinnausschüttung auflösen und den Staatshaushalten einige hundert Milliarden Euro zur freien Verwendung zukommen lassen. Das würde den lahmenden Geldumlauf in der Wirtschaft sofort ankurbeln. Da die Notenbank praktisch nicht Pleite gehen kann, gibt es keine sachliche Notwendigkeit dafür, noch viel konservativer zu bilanzieren als ein normales Unternehmen, dass nicht selbst Geld drucken kann und lauter echte Verbindlichkeiten auf der Passiv-Seite hat.“

Natürlich können Notenbanken nicht pleite gehen. Sie können aber Inflation auslösen, wenn sie ungesichertes Geld ausgeben.

Was ist ungesichertes Geld bzw. auf welche Weise steht der Geldschöpfung in unserem System eine volkswirtschaftliche Deckung [und ggf. auch eine betriebswirtschaftliche, die hier aber nicht interessiert] gegenüber?

Otto Veit schreibt in seinem Buch „Reale Theorie des Geldes“ (1966, S. 29), auf welche Weise kreditgeschöpftes Geld gedeckt ist: „Solches Kreditgeld ist volkswirtschaftlich nicht ‚ungedeckt‘, wie manchmal gesagt wird. Bankmäßig liegt die Deckung in dem Anspruch gegen den Schuldner; volkswirtschaftlich liegt sie in der antizipierten Güterleistung, die der Schuldner erbringen muss, um den Kredit einzulösen“.
Der Kreditnehmer erhält Geld als einen (wie ich es sehe) vom Bankensystem (Basisgeld von der EZB oder Bankengeld von den Geschäftsbanken) „Gutschein“, mit dem er dem Marktangebot einen Gütervorschuss entnehmen kann. Das so entstehende Unterangebot wird dadurch wieder ausgeglichen, dass er später selber etwas am Markt verkaufen muss, um den Kredit tilgen zu können. DAS ist der Unterschied zwischen einem Kreditnehmer und einem Geldfälscher.

Ich gehe davon aus, dass auch die Zentralbanken Geld im Wesentlichen nur auf dem Kreditwege schöpfen. Auch der Ankauf von Staatsanleihen ist ja kein Gelddrucken & Ausgeben, wie es z. B. der Fall wäre, wenn die EZB ihr Gebäude einfach mit elektronisch frisch geschöpftem Geld finanzieren würde. Sondern ein Verleih von Geld, eine Kreditvergabe. Der Staat kann das Geld ausgeben. Indem er es später aber (aus Steuermitteln) tilgen muss, wird die Kaufkraft, die der Staat am Markt ausgeübt hat, wieder eingesammelt (bei den Steuerzahlern).
(So jedenfalls das Grundprinzip. Natürlich gibt es auch die „Ponzi-Finanzierung“, bei der alte Schulden mit neuen „getilgt“ werden.)

Der Kauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank erfolgt natürlich gegen frisch geschöpftes Geld. Aber das ist kein Gewinn. Sie verwechseln eine Seigniorage, wie sie beim reinen „Gelddrucken & dem Staat schenken“ anfällt („Willkürgeld“, nahe an 100% Gewinn; die verschiedenen Geldschöpfungsarten habe ich hier in einer Kritik verschiedener „österreichischer“ Geldsystemtheorien beschrieben, mit dem Geldschöpfungsgewinn bei kreditärer Geldschöpfung. Der besteht lediglich aus den Zinsen (abzüglich Kosten, die bei den Geschäftsbanken verhältnismäßig hoch sind, bei den Zentralbanken gering).
Wäre es anders, wäre (auch) bei den Geschäftsbanken die Geldschöpfung zwecks Kreditvergabe mit dem Gewinn identisch*. Das kann aber nicht sein, weil bekanntlich mit der Tilgung der Kredite das Geld wieder vernichtet wird.  (* So stellen sich Laien das vor, wenn sie von „Geldschöpfung aus dem Nichts“ hören.)

Und warum sollte eine ZB, WENN der Betrag der Geldschöpfung tatsächlich identisch mit ihrem Gewinn wäre, eine solche Buchung nur auf Bargeld beschränken? Bargeld wie Buchgeld entstehen auch bei den Zentralbanken im wesentlichen aus der Kreditvergabe. Die drucken kein Geld und geben das aus (für Sachwerte). Sondern die drucken das und vergeben Kredite damit. Und wenn das Geld zu ihnen zurückläuft ist es vernichtet.

Klar ist es einerseits Konvention, wenn die Zentralbanken das ausgegebene Geld als Schuld verbuchen. (Bei den Geschäftsbanken dagegen macht es Sinn, weil die ihren Kunden ja BASISgeld schulden, was sie nicht selber herstellen können.) Aber schließlich ist die doppelte Buchhaltung selber eine Konvention – und kein Naturgesetz.
Und dank Ihres Artikels ist mir nun endlich auch klargeworden, warum es, unabhängig davon, dass die ZBs den Banknotenbesitzern kein Gold mehr schulden, sinnvoll und unverzichtbar ist, dass sie das Bargeld (und sicherlich doch auch das an die Banken ausgegebene Buchgeld???) als Verbindlichkeit verbuchen: Damit sie in der Bilanz keine Scheingewinne ausweisen.

Oder konkret am Modell:

  1. ZB zahlt 1.000,- gegen 1-jährigen Schuldschein an Staat.
  2. ZB kassiert 30,- Zinsen: Gewinn!
  3. Staat zahlt (aus dem Steueraufkommen) am Jahresende 1.000,- an ZB zurück: Geld ist vernichtet. (Wird ausgebucht.)

Nach Ihren Vorstellungen müsste eine ZB dasjenige Geld, was sie dem Staat leiht, zusätzlich noch einmal schenken (Gewinnausschüttung). Diese zusätzliche Geldschöpfung würde aber nie mehr eingesammelt und wäre folglich inflationär. (Und verschenktes Geld kann eine Notenbank auch nie mehr einsammeln!)

Macht aber nichts. Selbst der große J. M. Keynes hat (im Vorwort zu seiner GT) ja bekannt:
„It is astonishing what foolish things one can temporarily believe if one thinks too long alone, particularly in economics (along with the other moral sciences), where it is often impossible to bring one’s ideas to a conclusive test either formal or experimental.“ Und mir haben Sie zu einem Erkenntnisgewinn verholfen.

 „Auch durch extrem konservative Bilanzierung wird der Gewinn klein gehalten und werden als Sicherheitspuffer deklarierte riesige stille Reserven aufgebaut. Fast nichts von der Vervielfachung des Goldpreises in den letzten Jahrzehnten ging in den Gewinn der Notenbanken des Euroraums. Alles wurde in „Bewertungsreserven“ gebucht. Nur wenn etwas Gold verkauft wurde, entstand ein Gewinn.“
Das ist ja auch absolut korrekt. Bewertungsgewinne ausschütten, ist Gelddrucken. Der Nichtansatz von reinen Kursgewinnen als „Gewinn“ ist also nicht „konservativ“, sondern liegt schlicht und einfach in der Logik eines Systems der kreditären Geldschöpfung (im Gegensatz zur willkürlichen Geldschöpfung).
Wenn dagegen die Zentralbanken das Gold zum höheren Kurs verkaufen, schöpfen sie damit bei den Käufern die entsprechende Kaufkraft ab. Die sie dann als Gewinnausschüttung an den Staat weiterleiten.
(Genauso ist ja auch bei jedem privaten Unternehmen ein Gewinn eine Abschöpfung von Kaufkraft. Die dann an die Aktionäre weitergeleitet wird.)

Überhaupt sehe ich die Mark-to-market-Bilanzierung als eine Möglichkeit, Scheingewinne zu generieren. Es ist m. E. DIESER Mechanismus, der das Finanzwesen so aufbläht. (Die Geldmenge ist ja schon seit Jahrzehnten stärker gestiegen als das Wachstum der Realwirtschaft. Wo ist die Differenz geblieben? In der Finanz“industrie“. (Auch) die dortigen Akteure wollen aber Gewinne sehen (und haben ja auch hohe Gewinne ausgewiesen). Und zwar per Saldo, d. h. nicht in Form eines Nullsummenspiels, bei dem die einen gewinnen und die anderen verlieren.
Hat man ja beim Lehman-Zusammenbruch gesehen: Der gefürchtete Bankencrash wegen der auf das Lehman-Risiko  usgestellten CDS‘ ist ausgeblieben, weil die Banken sich wiederum durch gegenläufige Geschäfte rückversichert hatten. Saldiert („netted“) waren dadurch die Zahlungsverpflichtungen nur noch relativ gering.
Aber woher kommen die? Alle aus der Realwirtschaft? Halte ich für unwahrscheinlich, dass man so viel dort rauspressen kann. Vermute, dass das Derivatewesen daran einen großen Anteil hat, und dass die dort erzielten Gewinne weitgehend reine Bewertungsgewinne sind. Die einerseits die ständig steigende Geldmenge absorbieren. Andererseits aber die Notenbanken auch zwingen, die Geldmenge ständig überproportional auszuweiten. Um einen Systemcrash zu vermeiden.

Was den zu niedrigen Geldumlauf angeht, ist der ja nicht von den Zentralbanken verursacht, und überhaupt nicht vom Bankensystem, sondern durch Hortung der Geldbesitzer. (Z. B. durch Zocken am Derivatemarkt, bzw. ganz allgemein wahrscheinlich durch einen Nachfrageausfall in der Stromgrößensphäre.) Die Notenbanken müssten also ständig „nachpumpen“. Aber irgendwann kippt das. Das Problem sehe ich darin, dass die Kreditnehmer, eben wegen dieses Nachfrageausfalls, nicht genügend „Eigengeld“ bekommen, um die Schulden wieder zu tilgen.

Nach meiner Einschätzung geht es den Notenbanken letztlich darum, die Geldhorte inflationär abzuschmelzen. Das scheint aber nicht zu funktionieren; vermutlich eben auch deswegen nicht, weil es im Finanzsystem Mechanismen gibt, die es erlauben, echte* Scheingewinne zu generieren. Besser wäre es, die Über-Akkumulation fiskalisch abzuschöpfen, die das Keynes ja bereits in Kap. 24 seiner GT vorgeschlagen hatte.
* (Der Begriff „Scheingewinne“ wird für meinen Geschmack meist zu unspezifisch gebraucht: In der Bankenkrise insbesondere für Zins- und Tilgungserwartungen der Banken, die sich dann nicht materialisieren. Ich meine ihn aber als Erzeugung reiner Buchgewinne rein innerhalb der Finanz“industrie“ selber.)

Mit freundlichen Grüßen, Burkhardt Brinkmann

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