Am 15.1. meldete Reuters, dass die Investmentbank Goldman Sachs 2019 nur 7,9 Mrd. Dollar Gewinn gemacht hat und damit weit hinter den Konkurrenten JP Morgan und Citigroup zurückblieb, die zusammen die unglaubliche Summe von 56 Milliarden Dollar Gewinn eingestrichen haben. Dass es bei Goldman so viel weniger war, liegt offenbar vor allem an Rückstellungen für mutmaßlich veruntreutes Geld eines malayischen Staatsfonds.
Im Lichte dieser Wall-Street-Gewinnbonanza lohnt es sich, einen Blick auf die sonderbaren Dinge zu werfen, die ohne nennenswerte öffentliche Aufmerksamkeit die mächtige New Yorker Filiale der Notenbank Fed anstellt.
Seit 17. September gewährt die Notenbank den Wall Street Häusern billige Sonderkredite zur Stützung des sogenannten Repo-Marktes. Das ist ein Markt für die (abgesicherte) Kreditgewährung und den Liquiditätsausgleich unter Banken und mit anderen Finanzinstituten und großen Unternehmen. Dabei verkauft ein Haus Wertpapiere und verpflichtet sich, diese nach kurzer Zeit zu einem etwas höheren Preis wieder zurückzukaufen. In der Zwischenzeit hat es die Liquidität, während der Käufer/Kreditgeber die Wertpapiere als Sicherheit hat.
Die im Finanzsektor üblichen windigen Praktiken werden auch hier angewandt. So ist es nicht unüblich, dass der Käufer/Kreditgeber die Wertpapiere, die er nur kurz besitzt, seinerseits wieder in einem Repo-Geschäft mit Rückkaufversprechen an eine dritte Adresse verkauft, die das vielleicht auch wieder so macht. Das eröffnet unter anderem Möglichkeiten zur kreativen Bilanzgestaltung.
Die kurzfristigen Geschäfte werden zumeist über ein Anschlussgeschäft verlängert (Rollover).
Die Kurzfristigkeit, die Verkettung der Geschäfte und die riesige Größe dieses Marktes machen diesen anfällig für Krisen, wenn insgesamt, oder bei einem einzelnen großen Teilnehmer, das Geld knapp wird. Wenn Misstrauen um sich greift, klappt der Rollover nicht mehr und viele der Teilnehmer werden illiquide, weil sie das nötige Geld für die Abwicklung so schnell nicht besorgen können. Wenn ein großer Marktteilnehmer seine Verpflichtungen nicht erfüllen kann, drohen viele illiquide zu werden.
Im September 2019 schossen – ohne dass bisher klar ist warum – die Zinsen auf dem US-Repo-Markt auf bis zu 10 Prozent nach oben und die Fed sah sich genötigt, den Marktteilnehmern, die dadurch in die Klemme kamen, mit riesigen Notfallkrediten zu Zinsen unter 2 Prozent zur Seite zu springen.
Sie begründete das – wenig überzeugend – mit einer temporären eigenen Fehlkalkulation hinsichtlich der notwendigen Bankenliquidität, die zu einem allgemeinen Liquiditätsmangel im Bankensektor geführt habe. Man dürfe keinesfalls schließen, dass die Banken sich gegenseitig nicht mehr trauen.
Die angebliche Fehlkalkulation der Fed ist offenbar ziemlich hartnäckig. Vier Monate später gibt es die Notfallkredite für die Teilnehmer am Repo-Markt immer noch in ungebremster Höhe und ein Ende ist nicht absehbar. Am 14. Januar zum Beispiel vergab die Fed über Repo-Geschäfte 82 Mrd. Dollar Liquidität zu 1,6 Prozent.
Eine bessere Erklärung für die Gründe als die inzwischen völlig unglaubwürdige Fehlkalkulation hat die Fed nicht nachgeliefert. Die Namen der Empfänger der Kredite hält sie geheim, damit diese nicht den Ruf der Bedürftigkeit bekommen.
Pam und Russ Martens stellen auf „Wall Street on Parade“ die Verbindung zu den hohen Gewinnen her und vergleichen die heutigen Vorgänge mit denen während der Finanzkrise. Sie zitieren aus der Januar-2012-Ausgabe des „Bloomberg Markets Magazine“:
„„Was die Banker nicht erwähnt haben ist, dass sie zig Milliarden Dollar Notfallkredite entgegennahmen, während sie gleichzeitig den Investoren versicherten, sie seien gesund. Und niemand hat bis heute berechnet, dass die Banken geschätzte 13 Milliarden Dollar Gewinn aus diesen Notfallkrediten zogen. Der Anteil der sechs größten Banken an dieser Subvention war 4,8 Milliarden Dollar oder 23 Prozent ihrer gesamten Erträge.“
Mangels Erklärung können wir nur raten, was heute am Repo-Markt und bei seinen großen Teilnehmern los ist. Wenn die Erklärung allerdings harmlos wäre, hätten wir sie sicherlich schon gehört. Vielleicht befindet sich der von den Notenbanken befeuerte Finanzmarktboom in der Endphase vor dem Zusammenbruch.