In Sachen digitaler Euro gibt es, wie berichtet, Meinungsverschiedenheiten zwischen einigen Regierungen und der EZB, ob die Notenbank allein über die Ausgestaltung des geplanten digitalen Euros entscheiden darf, wie sie es derzeit de facto tut. Das EU-Parlament hat mit den Beratungen zum digitalen Euro nach den EU-Wahlen im Sommer 2024 nochmal von vorne begonnen und es gibt dort durchaus maßgebliche kritische Stimmen. Dessen ungeachtet schreitet die Notenbank unbeirrt mit der Entwicklung der verschiedenen Komponenten des neuen Zahlungssystems voran und schafft damit Fakten, was dessen Ausgestaltung angeht.
Mit einer Ausschreibung sucht die EZB zum Beispiel ein Unternehmen, das für 27,9 Mio. Euro einen sogenannte Alias Lookup entwickelt. Das ist eine Datenbank, die Personen mit Erkennungsmerkmalen wie Telefonnummer und E-Mail-Adresse verknüpft. Diese soll ermöglichen, dass die Angabe von Namen und Telefonnummer oder E-Mailadresse genügt, um Zahlungen mit dem digitalen Euro versenden und empfangen zu können. Im Dezember hatte die EZB angegeben, im ersten Quartal dieses Jahres den Auftrag vergeben zu wollen.
Was den Zeitplan angeht, schreibt die EZB in der Ausschreibung:
„Nach aktuellen Schätzungen und Marktforschungen hat nach dem 4-Jahres-Standardvertrag die Hochlaufphase gerade erst begonnen, und nur ein Bruchteil der potenziellen Endnutzer wird in die Digital Euro Service-Plattform aufgenommen werden, wobei die Zahl der neuen Endnutzer pro Tag jedoch einen Höchststand erreicht.“
In der Ausschreibung ist der 1.1.2025 als Startzeitpunkt des Projekts vorgesehen. Vier Jahre würde bedeuten, dass der digitale Euro im Lauf des Jahres 2028 eingeführt würde.
Ein zweiter interessanter Aspekt ist die vorgesehene Höhe der Vergütung. 27,9 Mio. Euro sind für die anfängliche Vierjahresperiode vorgesehen, in der der Alias Lookup entwickelt werden und die Anfangsphase der Einführung betreut werden soll. Danach ist eine Verlängerung des Vertrags vorgesehen. Dafür sind weitere 27,9 Mio. Euro vorgesehen.
Aus einer Medienmitteilung der Berner Fachhochschule Technik und Informatik (BFH) geht hervor, dass vier Informatik-Bachelorstudenten im Rahmen einer Projektarbeit bei Prof. Dr. Kenneth Ritley in insgesamt 700 Stunden nach den Vorgaben der Ausschreibung den Alias-Lookup entwickeln. An der Ausschreibung teilnehmen konnten sie nicht, da die EZB nur Bewerbungen von Unternehmen mit einem bestimmten Mindestumsatz und Erfahrung im Bereich ähnlicher Dienstleistungen entgegennimmt. Der Medienmitteilung zufolge entwickelten sie „einen voll funktionsfähigen Prototyp der Alias Lookup-Komponente, die den Anforderungen eines EU-weiten Einsatzes gerecht wird und eine reibungslose Nutzung durch die gesamte EU-Gemeinschaft ermöglicht“. Das System basiere vollständig auf transparenter Open-Source-Technologie. Den Quellcode der Umsetzung des Alias Lookup hat die Fachhochschule veröffentlicht.
Diese Informationen aus Bern, die allerdings auf ungeprüften Eigenangaben der Beteiligten beruhen, lassen die 27,9 Mio. Euro, die die EZB für die Entwicklung des Alias Lookup ausgelobt hat, ziemlich hoch erscheinen. Dies umso mehr, als die Zukunft des Projekts in den Sternen steht, seit die USA sich von eigenen Plänen für einen digitalen Dollar verabschiedet haben.
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Mein Dossier zum digitalen Euro