Juan Carlos Boué: Auch Investitionsschutzabkommen der „neuen Generation“ untergraben den Umweltschutz

1. 12. 2021 | Befürworter von Investitionsschutzabkommen behaupten, die jüngeren Abkommen hätten wirksame Vorkehrungen dagegen, dass Staaten ausländische Investoren für jegliche umweltpolitisch gerechtfertigte Maßnahme entschädigen müssen. Juan Carlos Boué zeigt in diesem Gastbeitrag am Beispiel Kolumbien, was selbstherrliche Juroren mit solchen Vorkehrungen machen können.

Juan Carlos Boué. Im Jahr 2008 unterzeichneten Kolumbien und Kanada ein Freihandelsabkommen, das eine allgemeine Ausnahmeregelung enthält. Diese nimmt Umweltmaßnahmen von den Investitionsschutzregeln aus, selbst wenn sie gegen das Investitionskapitel verstoßen.

Acht Jahre später weitete das kolumbianische Verfassungsgericht die Beschränkungen für den Bergbau in den als Páramos bekannten Hochgebirgsökosystemen aus. Es hob Gesetze auf, mit denen vor 2010 ausgehandelte Projekte von Bergbaubeschränkungen in solchen Gebieten ausgenommen wurden.

Eines gehörte dem kanadischen Unternehmen Eco Oro. Es verklagte Kolumbien vor dem Schiedsgericht der Weltbank auf 736 Millionen Dollar. Die Klagekosten trägt ein Klagefinanzierer, der im Erfolgsfall angeblich die Hälfte der Entschädigung erhalten wird.

Das Schiedsgericht bestand aus einem von Kolumbien, einem vom Kläger und einem von der Weltbank als Vorsitzendem benannten Anwalt. Im September 2021 entschied es, dass Kolumbien eine Entschädigung in noch offener Höhe zahlen muss, ungeachtet des legitimen ökologischen Zwecks des Schutzes der Páramos

Das Gericht kam somit zu dem Schluss, dass Staaten die Umwelt nur unter Einhaltung von Investitionsschutzverpflichtungen schützen dürfen. Diese Auslegung widerspricht der im Vertrag zwischen Kolumbien und Kanada festgelegten Hierarchie, laut der die Umwelt Vorrang vor dem Investorenschutz haben soll.

Die beiden Schiedsrichter der Mehrheit argumentierten, dass der Vertrag nicht ausdrücklich genug formuliere, dass die Klausel mit dem Titel „Allgemeine Ausnahmen“ verbindliche Ausnahmen statuiert.

Die Regierung Kanadas unterstützte als Nichtstreitpartei die Position Kolumbiens. Dem hielt die Mehrheit der Schiedsrichter entgegen, dass die Haltung der beiden Regierungen nicht „die Absicht der Vertragsparteien“ widerspiegele, also der beiden Regierungen.

Der dritte Schiedsrichter kritisierte das Urteil in deutlichen Worten. Er schrieb in sein Minderheitsvotum, die Mehrheit halte sich nicht an den vereinbarten Text des Freihandelsabkommens und untergrabe den darin beabsichtigten Schutz der Umwelt.

Das Urteil sendet eine klare Botschaft an alle, die nicht glauben, dass die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit ein Problem für den Schutz der Umwelt darstellt. Denn bei dem fraglichen Vertrag handelte es sich um einen Vertrag der „neuen Generation“. Diese Verträge zeichnen sich angeblich durch eine größere Achtung der Regulierungsfunktionen der Staaten aus.

Das Schiedsgericht erklärte jedoch eine in solchen Verträgen der neuen Generation übliche Umweltausnahme einfach für bedeutungslos. Es sendete damit die Botschaft, dass eine Reform der Verträge nicht von Bedeutung ist, solange Schiedsrichter mit entsprechenden Anreizen oder Einstellungen weitgehend frei und mit stark eingeschränkten Berufungsmöglichkeiten entscheiden dürfen.

Juan Carlos Boué ist Politikwissenschaftler und Anwalt der internationalen Anwaltskanzlei Curtis, Mallet-Prevost, Colt & Mosle in London.

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