25. 10. 2020 | Hören | Will man die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit vor Covid-19 beurteilen, liegt der Vergleich nahe, was gegen andere bedeutsame und vermeidbare Todes- und Krankheitsursachen getan und nicht getan wird. Krankenhauskeime und Tabakkonsum zum Beispiel können locker mit Corona mithalten.
Weil es in diesen Zeiten der Schwarzweißmalerei mit grobem Pinsel wohl nötig ist, will ich zur Vermeidung von Missverständnissen klarstellen: Ich halte Covid-19 für eine ernst zu nehmende Gefahr für Leben und Gesundheit. Es ist deshalb vernünftig, persönlich und gesellschaftlich Maßnahmen gegen Ansteckung zu treffen.
Ich bin außerdem für Augenmaß und Verhältnismäßigkeit. Daraus folgt für mich: Politische Entscheidungsträger, Medienmenschen und Mitbürger, die bei Covid-19 Angst schüren, radikale Maßnahmen und Einschnitte verfügen, und diese vehement gegen Kritik verteidigen, sollten bei gleichgroßen oder größeren vermeidbaren Gefahren für Gesundheit und Leben mit gleicher Vehemenz vorgehen und argumentieren. Sonst sind sie naiv-verblendet, Opportunisten, Heuchler oder Schlimmeres.
Die Gefahr durch Covid-19
Seit die Weltgesundheitsorganisation Covid-19 zur Pandemie erklärt hat, herrscht in weiten Teilen der Welt Notstand, auch in Deutschland. Wegen des vom Parlament erklärten und nicht zeitlich oder sachlich begrenzten Gesundheitsnotstands, darf die Regierung seither per Verordnung tief in die Grundrechte eingreifen und tut das auch ausgiebig. Die Bewegungsfreiheit wird stark eingeschränkt, die Berufsfreiheit ebenso, soziale Kontakte werden teilweise verboten, regional gibt es sogar Ausgangssperren.
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Dem liegen Einschätzungen zugrunde, wie diese Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts (RKI) Stand 24.10.2020:
„Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch.
Um uns davon zu überzeugen, gab es in den ersten Monaten täglich ein ARD-Extra zu Corona nach der Tagesschau und fast täglich eine Talkshow zu bester Sendezeit. Auch veröffentlicht das RKI bis heute täglich einen etwa zehnseitigen Lagebericht zu Corona. Im Lagebericht vom 23.10.2020 erfährt man in großer Detailverliebtheit unter anderem, dass die Inzidenz der letzten 7 Tage deutschlandweit auf 60,3 Fälle pro 100.000 Einwohner angestiegen sei, wie es in einzelnen Bundesländern aussieht, sowie dass bisher insgesamt 403.291 „laborbestätigte Fälle“ und 9954 Todesfälle gemeldet worden seien.
Man erfährt aber auch,
„Der Anteil der Verstorbenen unter den gemeldeten COVID-19-Fällen liegt seit Ende Juli kontinuierlich unter 1% und hat damit im Vergleich zum Infektionsgeschehen im Frühjahr, insbesondere im April, deutlich abgenommen.
Das ist die Basis für die Einschätzung, dass die Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung hoch ist, und für die vielen drastischen Maßnahmen zur Verhinderung von Ansteckung.
Die Lage bei Infektionen mit Krankenhauskeimen
Vergleichen wir diese Lage mit der bei einem anderen Infektionsgeschehen, den Infektionen, die sich Menschen in Krankenhäusern zuziehen. Dabei handelt es sich meist um Lungenentzündungen, Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen, Sepsis und Durchfallerkrankungen.
Hierzu gibt es keine täglichen, wöchentlichen oder auch nur monatlichen Lageberichte des RKI, keine Taskforce der Bundes- und Landesregierungen und kein täglichen ARD-Extra-Sendungen und Talkshows. Kann also nicht so bedeutsam sein, denkt man.
Weit gefehlt. Das Risiko des Durchschnittsdeutschen an einer im Krankenhaus eingefangenen Infektion zu sterben, ist höher als das, an Covid-19 zu sterben, und zwar Jahr für Jahr. Für chronisch Kranke und Alte, die Risikogruppen für beide Infektionsarten, dürfte das Risiko durch Krankenhauskeime ebenfalls weit überwiegen.
Aus einem Pressebericht des Jahres 2018:
„Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaus-Hygiene sterben in Deutschland 40.000 Menschen jedes Jahr an Krankenhauskeimen – mehr als zehn Mal so viele Menschen wie im Straßenverkehr.
Und um ein mehrfaches höher als an Covid-19, darf man hinzufügen.
In den acht Monaten von März bis Oktober sind knapp 10.000 Menschen an Covid-19 gestorben, das entspricht 1250 pro Monat. Nimmt man die oben genannte Schätzung der Hygiene-Gesellschaft, starben im gleichen Zeitraum rund 26.000 Menschen (über 3000 pro Monat) an Krankenhauskeimen. Das sind zweieinhalbmal so viele.
Berücksichtigt man, dass seit Sommer der Anteil derer, die an einer Covid-19-Infektion sterben, drastisch gesunken ist, wird der Unterschied noch größer.
Nun kann man der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaus-Hygiene eine gewisse Neigung zum Übertreiben in Hygieneangelegenheiten unterstellen. Nehmen wir also eine in dieser Hinsicht unverdächtige Quelle wie das RKI, hier aus dem Jahr 2019 in der Tagesschau:
„In Deutschland gibt es nach aktuellen Schätzungen jährlich bis zu 600.000 Krankenhausinfektionen. Das geht aus einer vom Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlichten neuen Studie hervor. Die Zahl der durch Krankenhauskeime verursachten Todesfälle liegt bei schätzungsweise 10.000 bis 20.000 pro Jahr. Die durch Krankheit und Tod verlorenen Lebensjahre durch solche Infektionen werden für Deutschland auf knapp 250.000 pro Jahr beziffert.
Vergleichen wir: 600.000 Infektionen mit Krankenhauskeimen jedes Jahr, gegenüber 400.000 Covid-Infektionen im bisherigen Epidemieverlauf. Das ist die gleiche Größenordnung. 10.000-20.000 Tote im Jahr, und zwar jedes Jahr. Das ist mehr als an und mit Covid-19.
Vergleich der Reaktionen
In Reaktion auf Covid wurden drastische Reisebeschränkungen und Ausgangssperren, Sperrstunden, Kontaktbeschränkungen und massenhafte Betriebsschließungen verfügt. Die volkswirtschaftlichen Schäden belaufen sich vermutlich auf viele Hundert Milliarden Euro. Viele wirtschaftliche Existenzen wurden vernichtet. Viele Menschen starben, weil sie sich nicht zum Arzt oder ins Krankenhaus trauten, in anderen Ländern, weil sie sich nicht mehr genug zu Essen oder Medizin kaufen konnten.
Es sieht so aus, als würden wir nach einer Lockerung im Sommer wieder drastischste Einschränkungen aufoktroyiert bekommen.
In Reaktion auf die andere Epidemie, die jeden Deutschen, der aus irgendeinem Grund ins Krankenhaus eingeliefert wird, einem ganz erheblichen Todesrisiko aussetzt, tun die Regierenden nicht allzu viel.
Wenn jemand sagt, die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Ausbreitung seien zu teuer, zu radikal oder zu autoritär, wird ihm von der Regierung, den Medien und vielen Mitbürgern vorgehalten, sie seien „Corona-Verhamloser“ oder gar „-Leugner“ und sie wögen Leben gegen Geld auf und wollten Menschen einfach unverantwortlich und kaltherzig sterben lassen.
Wenn aber jemand, wie die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaus-Hygiene, oder das medizinische Personal oder das RKI fordern, mehr zur Rettung der jedes Jahr in noch viel höherer Zahl von Krankenhauskeimen getöteten oder schwer in ihrer Gesundheit geschädigten Menschen zu tun, dann interessiert das dieselben Regierenden, Medien und Mitbürger wenn es hoch kommt, ein paar Stunden lang.
Es ist offenbar nichts wert, das Leben und die Gesundheit dieser Menschen, ganz anders als der von Corona Gefährdeten.
Leben retten wäre zu teuer und eine Zumutung für Massentierhalter
Natürlich bewegt die Regierenden und Mitbürger auch das Schicksal der Toten durch Krankenhauskeime. Aber wenn es dann darum geht, etwas zu ihrer Rettung zu tun, stoßen sie sehr schnell an unüberwindliche Hürden.
Dafür müsste nämlich etwas mehr Geld in das Gesundheitswesen gesteckt werden, für mehr und besser bezahltes Personal, damit die Hygieneregeln zuverlässig eingehalten werden können. Das ist in Zeiten knapper Kassen einfach nicht zu machen. Das Pflegepersonal in den Krankenhäusern wurde immer weiter reduziert.
Noch wichtiger. Die vielen Toten liegen daran, dass viele Keime gegen alle gängigen Antibiotika resistent sind, sodass man bei einer Infektion mit diesen Keimen fast nichts mehr machen kann, um den Betroffenen zu heilen, wenn ihr Abwehrsystem es nicht mehr selbst schafft.
Als wichtige Ursache für diese Multiresistenzen gilt der massenhafte und routinemäßige Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung. Selbst die modernsten Antibiotika werden dafür eingesetzt und die Gesetze zur Reduzierung des Einsatzes sind mit zahm noch freundlich umschrieben.
Aber hey, was kann man machen. Die Lobby der Großagrarier und Massentierhalter ist nun einmal eine der erfolgreichsten. Sie hat ein eigenes Ministerium in Berlin, das nur dafür da ist, Unbill von ihr abzuwenden. Das Schicksal von 20.000 Toten im Jahr und deren Angehörigen reicht einfach nicht, dass sich die Regierung mit dieser Lobby anlegen könnte.
Tabaktote und die Politik
Geschätzt sterben jedes Jahr in Deutschland 120.000 Menschen vorzeitig an Tabakkonsum. Das sind 10.000 Menschen im Monat, 330 jeden Tag. Weltweit sind es acht Millionen Menschen im Jahr. Das sind in Deutschland gut zwölfmal so viele wie bisher an Covid-19 gestorben sind, weltweit das Achtfache. Jedes Jahr.
Bei den Menschen, die schwere Gesundheitsschädigungen davontragen, insbesondere Lungenschäden, dürfte das Zahlenverhältnis zwischen Rauchen und Covid-19 ähnlich sein.
Was wird dagegen getan? Zugegeben, einiges. Es war schon viel schlimmer.
Was wird nicht dagegen getan?
Der Bundestag hat schon 2004 die Tabakrahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation unterzeichnet. Sie enthält die Verpflichtung, bis spätestens 2010 ein „umfassendes Verbot aller Formen von Tabakwerbung“ zu erlassen.
Einigen wenigen Interessenwahrern der Tabakbranche in der Politik, vor allem in der CDU, ist es gelungen, dieses umfassende Verbot bis heute zu verhindern. Dadurch ist Deutschland das einzige Land der EU, wo Außenwerbung immer noch erlaubt ist.
Ende 2019 hat sich die Unionsfraktion endlich durchgerungen, für ein Werbeverbot zu sein, das je nach Tabak-Zuführungsart ab 2022 bis 2024 greifen soll. Ob es soweit kommt, muss sich zeigen. Schon 2016 hatte das Bundeskabinett ein solches beschlossen. Die Lobbyisten in der CDU konnten es verhindern.
Fazit
Ein paar Milliarden für ein besseres Gesundheitswesen auszugeben, um viele Menschen vor dem Tod durch Krankenhauskeime zu bewahren, ist nicht finanzierbar. Eine ganze Volkswirtschaft und ihre Bürger und Unternehmen zu ruinieren, um ähnlich viele Menschen vor dem Tod durch Covid-19 zu bewahren, ist alternativlos und ein Gebot der Menschlichkeit.
Den Tabakkonzernen die Freiheit zu nehmen, junge Menschen durch Werbung der Gefahr auszusetzen, einer Sucht zu verfallen, die jedes Jahr in Deutschland 120.000 Menschen umbringt, ist politisch nicht durchsetzbar. Das ist hinzunehmen. Das Recht der Massentierhalter auf ungehemmte Antibiotikanutzung aufzuheben, um Leben und Gesundheit vieler Tausend Menschen zu schützen, wäre eine viel zu einschneidende Maßnahme. Die Freiheitsrechte der ganzen Bevölkerung drastisch zu beschneiden, um das gleiche Ziel zu erreichen, ist alternativlos, sich dem kritiklos zu fügen, ein Gebot der Mitmenschlichkeit und Solidarität.
Wer anderes behauptet, ist ein Corona-Verharmloser, Covidiot, Rechtsradikaler oder Aluhut – auf jeden Fall gefährlich.
Krankenhauskeime und Tabak sind nur zwei Beispiele für sehr bedeutsame, vermeidbare Todes- und Krankheitsursachen, bei denen es den wütenden Eifer nicht gibt, mit dem gegen Corona-Ansteckung vorgegangen und jede noch so radikale Maßnahme vehement gegen Kritik verteidigt wird. Es gibt noch einige mehr.
Das heißt natürlich zum Einen, dass man bei den anderen vermeidbaren Krankheiten und Todesursachen mehr tun müsste. Es zeigt aber vor allem, dass bei den Maßnahmen gegen Covid-19 jedes Maß verloren gegangen ist.
Wenn Sie jetzt einwenden mögen, ohne die ganz radikalen Gegenmaßnahmen würde es noch viel mehr Covid-Tote geben als solche durch Rauchen und Krankenhauskeime, würde ich Sie bitten, neu nachzudenken. Schweden, dass einen moderaten Weg wählte, ist immer noch auf der Landkarte und noch so gut bevölkert wie vor Covid-19.
Wenn der Einwand lautet, in Schweden seien aber doch im Verhältnis zur Bevölkerung etwas mehr Menschen gestorben als bei uns, dann sind wir schnell wieder bei den Krankenhauskeimen und Tabaktoten, wo sehr viel mehr Leben offenbar viel weniger zählen, obwohl sie mit sehr viel weniger einschneidenden Maßnahmen gerettet werden könnten.