Verband der europäischen Bargeldbranche widerspricht Gutachten des EU-Generalanwalts in meiner Bargeldsache

27. 10. 2020 | ESTA, der Verband der europäischen Bargeldbranche, hat in einem Positionspapier dem EU-Generalanwalt widersprochen, der sich in meinem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof um das Recht auf Barzahlung des Rundfunkbeitrags die bargeldfeindliche Haltung der EU-Kommission zu eigen gemacht hat.

Die Stellungnahme des Generalanwalts ist eine Empfehlung an das oberste EU-Gericht. Der ESTA-Vorstand nimmt in dem am 26. Oktober verabschiedeten Positionspapier vor allem Anstoß an der Einschätzung des Generalanwalts, Private könnten generell durch vertragliche Vereinbarung ein anderes als das gesetzliche Zahlungsmittel vereinbaren, selbst wenn diese Vereinbarung nur unterstellt werde.

Kommentiertes Plädoyer des EU-Generalanwalts zu meinem Barzahlungs-Verfahren

Der Schlüsselabsatz von ESTA (in meiner Übersetzung aus dem Englischen) lautet:

„Eine Begrenzung des gesetzlichen Zahlungsmittels auf Basis vertraglicher Vereinbarung, deren gesetzliche Basis in der Stellungnahme [des Generalanwalts] nirgends genannt wird, ist nicht mit den EU-Verträgen vereinbar. Denn sie beinhaltet die Gefahr einer Abschaffung von Bargeld, indem sie den Marktteilnehmern erlaubt, dieses allmählich, aber unumkehrbar, aus der Wirtschaft zu verdrängen.

Die Argumentation dahinter finde ich sehr überzeugend. Der Verband argumentiert, dass die Rechtsphilosophie der EU von einem Machtgefälle zwischen Unternehmen und Kunden ausgeht, sodass letztere besonders geschützt werden müssten. Deshalb sei das Argument der vertraglichen Freiheit mit großer Vorsicht zu führen.

Dabei handle es sich auch nicht um eine Vorschrift des EU-Primärrechts, die auf gleicher Ebene wie die Bestimmungen zum gesetzlichen Zahlungsmittel stehen. Vielmehr werde die Vertragsfreiheit von einer Vielzahl einfachgesetzlicher Regeln eingeschränkt, unter anderem vom Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutzrecht. Mit einer Norm wie der Vertragsfreiheit, die weit unten in der EU-Normenhierarchie angesiedelt sei, könne man nicht so einfach die Reichweite der primärrechtlichen (also ganz oben angesiedelten) Norm des gesetzlichen Zahlungsmittels begrenzen.

Das Papier nennt als Beispiel einen Laden, der kein Bargeld annimmt, und das an der Eingangstür kenntlich macht. Bei einem einzelnen Laden sei das kein großes Problem. Aber wenn die meisten oder gar alle vergleichbaren Läden in einer Straße oder einem Viertel kein Bargeld mehr annehmen, könne von Vertragsfreiheit in Sachen gewähltes Zahlungsmittel für die Kunden nicht mehr die Rede sein.

Noch deutlicher ist die fehlende Freiwilligkeit, wenn es sich um private Busunternehmen, Taxis oder Parkhäuser handelt, für die den Kunden regelmäßig kein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht. Deshalb, so die Schlussfolgerungen, kämen nur explizite Vereinbarungen über ein anderes Zahlungsmittel als mögliche Einschränkung der Bargeldannahmepflicht in Betracht, nicht aber einseitige, willkürliche Erklärungen wie „Wir akzeptieren kein Bargeld“.

„Die Grundsatzfrage lautet: wenn jeder nach Belieben Bargeld als Zahlungsmittel annehmen oder ablehnen kann, ist Bargeld dann noch gesetzliches Zahlungsmittel? Der Status des gesetzlichen Zahlungsmittels sollte die Rechtssicherheit beinhalten, dass man damit immer bezahlen kann – außer in ganz spezifischen Fällen, in denen es eine Ausnahme zum beiderseitigen Vorteil ist.

Das Positionspapier: 2020 10 26 Note on AG opinion – Final

Dossier zum Gerichtsverfahren

Englische Version dieses Blogbeitrags

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