Joseph Huber: Monetäre Modernisierung

Es ist ziemlich peinlich für die Ökonomenzunft, dass einer, der unser Geldsystem besser als sie versteht und erklären kann, im Hauptberuf Soziologe ist (Universität Halle) und nur nebenher auch Ökonom. Aber wie schon John K. Galbraith gesagt hat, wird Komplexität kaum irgendwo so sehr missbraucht, um die Wahrheit zu verbergen, oder ihr auszuweichen, wie in Bezug auf das Geldwesen. Weniger professionelle Deformation hilft da beim Verständnis.



Huber ist der führende deutsche Vertreter der Geldreformbewegung, die sich hier Monetative nennt. Der Name geht auf den Vorschlag zurück, die staatliche Zentralbank zu einer vierten Gewalt neben Exekutive, Judikative und Legislative zu machen und ihr das Geldwesen anzuvertrauen.

Doch steht und fällt der Wert dieses Buches nicht mit diesem Reformvorschlag. Er liegt zunächst einmal darin, dass Huber die Funktionsweise unseres Geldwesens richtig und nachvollziehbar erklärt, und nicht so irreführend und unnötig kompliziert, wie es die ökonomischen Lehrbücher tun. Letztere erklären die Entstehung von Geld und Kredit meist so, als wären wir noch im Goldstandard des 19. Jahrhunderts. Entsprechend wimmelt es nicht nur in der öffentlichen Diskussion, sondern auch in der ökonomischen, von Missverständnissen. Sie machen es den meisten Menschen, auch Experten, unmöglich, zu verstehen, was in der Finanzkrise vorgegangen ist, und wie die unorthodoxen Gegenmaßnahmen der Zentralbanken wirken oder nicht wirken.

Ein Beispiel sind die Schlagzeilen in den Zeitungen darüber, wie viele Hundert Milliarden Euro die Banken angeblich auf Konten bei der Europäischen Zentralbank „horteten“, anstatt sie an die Wirtschaft weiterzugeben. Wer Hubers Buch gelesen hat, weiß, dass solche Schlagzeilen und Berichte blühender Unsinn sind. Denn Geld der Banken bei der Zentralbank bildet einen getrennten Kreislauf, der sich – abgesehen von ein bisschen Bargeld – nicht mit dem Geld der Kunden bei den Geschäftsbanken vermischt. Die Banken können die Milliarden an Zentralbankgeld, die sie bekommen haben, gar nicht weiterreichen.

Huber erklärt, wie eine Bank neues Geld  in Umlauf bringt, indem sie ein Wertpapier kauft, oder indem sie jemand einen Kredit gibt. Entgegen einem populären Missverständnis, das von den ökonomischen Lehrbüchern befeuert wird, braucht sie dafür keine Einlagen von anderen Kunden. Sie schreibt dem Kreditnehmer einfach den Kreditbetrag auf dessen Konto gut.

Ein bisschen kompliziert wird es nur dadurch, dass das den Kunden gutgeschriebene Geld zu einer anderen Bank abwandern kann, ohne dass jederzeit in gleichem Umfang Geld von Kunden anderer Banken zufließt. Deshalb brauchen die Banken einen Geldmarkt zu Liquiditätsausgleich und müssen darauf achten, dass sie einigermaßen im Gleichschritt die Kreditmenge und damit die Geldmenge ausdehnen. Aber auch das erklärt Huber nachvollziehbar.

Dann kommt er zur Rolle der Zentralbank und weist nach, wie wenig Einfluss sie in unserer Geldordnung tatsächlich auf den Prozess hat. Letztlich muss sie den Banken immer die Liquidität bereitstellen, die diese brauchen. Über den Zins kann sie ein bisschen was drehen, aber es ist oft viel weniger klar als die Öffentlichkeit meint, ob sie nur nachvollzieht und mit offiziellem Stempel versieht, was sich am Finanzmarkt ohnehin getan hat, oder ob sie den Zins steuert.

Wer Huber bis dahin gefolgt ist, wird es vermutlich ziemlich folgerichtig finden, wie er feststellt, dass es ein Fehler ist, den Banken die Geldschaffung und –vernichtung zu überlassen. Denn erstens tun sie das nur nach einzelwirtschaftlichen Erwägungen, nicht nach dem, was die Wirtschaft insgesamt braucht. Zweitens ist Huber der Meinung, dass das Geldwesen eine staatliche Aufgabe ist. Entsprechend sei das Privileg der Banken unverdient, den Geldschöpfungsgewinn zum größten Teil einzustreichen. Der Geldschöpfungsgewinn stehe allen Bürgen oder stellvertretend dem Staat zu. Huber rechnet nach, dass einerseits der Geldschöpfungsgewinn, den der Staat so realisieren könnte bei weitem nicht die Dimensionen erreicht, den sich manche vorstellen, etwa diejenigen, die damit ein Grundeinkommen für alle finanzieren wollen. Aber andererseits würde beim einmaligen Ersatz des Bankengeldes durch Vollgeld doch so viel Geldschöpfungsgewinn anfallen, dass sich damit ein großer Teil der Staatsschuld tilgen ließe.

Die noch laufende Finanzkrise, die auf eine von den Geschäftsbanken aufgepumpte Kreditblase und eine anschließende Kreditkontraktion zurückgeht, ist eine von vielen Finanzkrisen, die man Huber zufolge vermeiden könnte, indem man den Prozess der Kreditvergabe und Rückzahlung von der Geldschaffung und Geldvernichtung entkoppelt. Dies will er bewirken, indem der Girokonten aus der Bankbilanz herauslöst. Unser Geld auf dem Girokonto wäre dann nicht mehr wie heute ein Kredit an die Bank, sondern es würde uns gehören. Die Banken könnten dann nur noch Geld verleihen, das die Zentralbank vorher in Umlauf gebracht hat und das Kunden ihnen ausdrücklich zu diesem Zwecke anvertraut haben.

Nachdem er die Leser mit einem besseren Verständnis des Geldsystems ausgestattet hat, als es die meisten professionell deformierten Ökonomen haben, eröffnet ihnen Huber auch einen klaren Blick auf andere Reformvorschläge, die in der Diskussion sind, wie etwa eine Finanztransaktionssteuer oder die Einführung des Trennbankensystems.

Nicht ganz einverstanden bin ich mit Hubers Darstellung der Unterschiede zwischen seinem Vollgeldkonzept und dem eng verwandten Reformvorschlag eines zu 100 Prozent durch Zentralbankreserven gedeckten Bankengeld, wie es Fisher, Simons und Friedman in den 1930er Jahren vorschlugen. Ich meine Huber stellt die Umsetzungs-Detailprobleme seines eigenen Vorschlags zu rosig und die des verwandten 100%-Geld Vorschlags zu schwarz dar. Die funktionale Trennung zwischen Girokonto und Geldanlagekonto ist nicht so klar, wie Huber anzunehmen scheint. Die Banken würden mit Sicherheit ziemlich kreativ, den Unterschied zu verwischen, wenn für ihre Refinanzierung viel daran hängt. Dieses Problem trifft beide Vorschläge gleichermaßen. Aber das sind nachrangige Detailfragen, die sich lösen ließen, wenn der Vollgeldvorschlag umgesetzt würde.

Joseph Huber: Monetäre Modernisierung – Zur Zukunft der Geldordnung, 3. Überarbeitete und erweiterte Auflage, Metropolis Verlag, 2013, 256 S., 26 Euro.

 

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