Stimmt es, dass Arbeitnehmer doppelt für Exportüberschüsse bezahlen? (Link, 2 Kommentare, Antwort)

Normalerweise empfinde ich Ihre Kommentare immer als anregend und erläuternd. Den heutigen Kommentar kann ich aber überhaupt nicht nachvollziehen. Aus meiner Sicht unterstützt dieser die unheilvolle Diskussion, die seit einige Zeit sogar global stattfindet, dass die Exportüberschüsse Deutschlands einem Lohndumping geschuldet sind. Ich halte dies für eine vollkommene Fehlinterpretation der Tatsachen.

Ich meine, dass ich als CFO einer mittelständigen Unternehmensgruppe aus dem Maschinenbau, die weltweit tätig ist, dies gut einschätzen kann. Lassen sie mich in Kürze folgende Argumente vorbringen:

1. Es tragen im wesentlichen die Brachnen Automobil, Chemie und Maschinen-/Anlagenbau zu diesem Handelsüberschuss bei. In diesen Brachen hat es flächendeckend aufgrund der Tarifeinigungen in den letzten Jahren angemessen starke Lohnerhöhungen gegeben. Der Exporterfolg hängt im wesentlich da auch nicht von der Kosten-, sondern von der technologischen Position ab.

2. Aus meiner Sicht gibt es den Niedriglohnbereich und damit möglicherweise verbundenes Lohndumping eher in Branchen, die auf das Inland ausgerichtet sind. Leider gilt dies auch für Branchen, die auf der Arbeitgeberseite staatlich dominiert sind.

3. Ebenso kann ich auch nicht ganz Ihr Argument hinsichtlich der EZB bzw. Außenhandelsfinanzierung nachvollziehen. Nach meiner Kenntnis erzielt Deutschalnd mehr als 2/3 Drittel des Handelsüberschusses außerhalb Eurolandes; und ja nur dieses Gebiet wäre ja währungspolitisch relevant. Ich kann nur ergänzen, dass wir ca. nur 20% unseres Gruppenumsatzes in Euroland machen.

4. Nach meiner Einschätzung liegt die relative Schwäche des Binnenkomsums nicht am privaten Konsum, sondern an der staatlichen Investitionsquote. Wir leben seit Jahren von der öffentlichen Substanz, da es der Staat es nicht schafft, trotz Steuerrekordeinnahmen in diese Infrastruktur zu investieren. Aus meiner Sicht ist dieser Sachverhalt mehr als kritikwürdig.

Ich hoffe, ich konnte darlegen, warum ich in diesem Fall ihrer Kommentierung überhaupt nicht folgen konnte.

Sehr geehrter Leser,
vielen Dank für die Rückmeldung und für die freundlichen Worte zu meiner Kolumne. Ihre Argumente gegen meine These sind allesamt treffend, aber aus meiner Sicht nicht ausreichend, um sie zu widerlegen. Lassen Sie mich versuchen zu begründen.

1. Maschinenbau u.ä. sind nicht die einzigen Branchen, die den Exporterfolg ausmachen. Dazu zählt auch das Fleischerhandwerk mit seinen Niedrigstlöhnen. Es gibt einige andere Branchen, in denen der Preis durchaus eine Rolle spielt, und Deutschland viel exportiert oder mit Importen konkurriert. Man kann nicht ernsthaft behaupten, dass niedrige Löhne und Lohnnebenkosten wichtig sind für die Wettbewerbsfähigkeit, wie das allenthalben geschieht, und gleichzeitig, dass das geringe Lohnwachstum in Deutschland über viele Jahre keine Rolle spielte.

2 und 4. Es ist unmöglich, dass die über viele Jahre hin stagnierenden Realeinkommen der Arbeitnehmer die Binnennachfrage nicht drücken. Ich jedenfalls sehe nicht, wie man davon ausgehen könnte. Den Staat halte ich in dieser Hinsicht nicht für wichtig. Die Staatsausgaben haben nur für das Abfedern von Konjunkturschwankungen eine größere Bedeutung. Ansonsten muss er sich ja das Geld von den Bürgern holen. Für die Nachfage hätte das längerfristig nur eine Bedeutung, wenn er es sich zunehmend von denen mit hoher Sparquote holte. Das tut er aber eher abnehmend. Damit will ich nicht sagen, dass die fehlenden Staatsinvestitionen kein Problem seinen.

2. Die Bundesbank hat aber mehrere hundert Milliarden Euro Target-Forderungen. Das ist kaum zu bestreiten. Die Tatsache, dass man seine Forderungen irgendwann abschreiben muss, wenn man dauerhaft Überschüsse erzielt, gilt übrigens über die Währungsunion hinaus. Das ist uns auch im übrigen Ausland so gegangen und Japan auch.
Norbert Häring

Leser 2: vielen Dank für Ihren Artikel im HB vom 29.4. Er bringt auf den Punkt, was ich seit langem befürchtet habe. Man müsste nun weiter gehen und fragen, wieso das Risiko nicht bei denen liegt, die hohe Prämien für die (eigentlich risikolose) Bereitstellung ihres Kapitals erhalten, bzw. wie man die „Kapitalisten“ wieder in die Pflicht nehmen könnte. Insbesondere wäre wahrscheinlich nach der Rolle der Banken in diesem System zu fragen. (Ist die Antwort vielleicht, dass es den „Kapitalisten“ gar nicht mehr gibt, sondern die Banken das Geld einfach selbst machen?)

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