Die Botschaft von den Alten, die die Jungen ausbeuten und überstimmen, hat eine neue Facette (Brexit) und eine alte, die Rente. Je auskömmlicher die gesetzliche Rente, desto schlechter für die Jugend, heißt die Erzählung. Eine Ökonomenumfrage von Ifo-Institut und FAZ zeigt, schön, welche Interessen die Wirtschaftsprofessoren leiten, die das unseren Medien einflüstern.
Der Homo Oekonomikus, der rein ichbezogene Nutzenmaximierer, als den unsere Ökonomieprofessoren die Menschen modellieren, hat einen schlechten Namen. Aber wenigstens die Ökonomen selbst werden dem unerquicklichen Bild gerecht, dass sie von den Gliedern der Gesellschaft zeichnen. Bei einer Umfrage zum Rentensystem votierten die Beamten, die sich auf eine sehr auskömmliche Pension vom Staat freuen dürfen, strikt nach Eigennutzen.
In der Presseerklärung des Ifo heißt es: „Eine große Mehrheit bei den deutschen Wirtschaftsprofessoren ist für eine Erhöhung des Rentenalters über 67 Jahre hinaus. Mit 61 Prozent sprachen sie sich im Ökonomenpanel des ifo Instituts und der FAZ dafür aus. Nur 37 Prozent waren für einen Erhalt der Altersgrenze bei 67.“ Hintergrund sei, dass eine große Mehrheit der Ökonomen den Satz ablehnt: „Das gegenwärtige gesetzliche Rentensystem ist nachhaltig aufgestellt, um auch langfristig eine zum Leben angemessene Rente zu garantieren.“
Als geeignet für die langfristige Finanzierung den Rentensystems sehen 85 Prozent einen späteren Renteneintritt, aber nur rund jeder Vierte eine Einbeziehung von Selbständigen und Beamten oder höhere Steuerzuschüsse.
Offenkundig ist, dass die Professoren kein Interesse an der Maßnahme haben, der die Österreicher ein viel höheres, nachhaltiger finanziertes Rentenniveau verdanken: einer Einbeziehung von Beamten und anderen privilegierten Gruppen in die gesetzliche Rentenversicherung. Aus dem gleichen Grund, haben sie natürlich auch kein Intresse daran, dass die Rentenversicherung aus Steuermitteln alimentiert wird. Die Steuern müssten sie ja mit bezahlen.
Warum aber sind sie stattdessen für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Sie könnten ja auch für direkte Rentenkürzungen sein. So wie die Frage gestellt war, wäre Letzteres etwas schwierig gewesen, ohne sich selbst menschenverachtenden Zynismus eingestehen zu müssen. Sie hatten ja schon zugestimmt, dass das Rentensystem Probleme hat, eine zum Leben angemessene Rente zu garantieren. Nachdem man das als Ziel akzeptiert hat, fällt es schwer, für das (direkte) Kürzen einer ohnehin sehr oft nicht mehr zum Leben reichenden Rente zu argumentieren. Für viele wird die Verlängerung der Lebensarbeitszeit ohnehin auf eine Rentenkürzung hinauslaufen, weil sie entweder nicht mehr arbeiten können, oder nicht mehr wollen und ein bisschen Vermögen haben, das sie aufbrauchen können.
Das wird aber auch bedeuten, dass die Wirtschaftsprofessoren länger arbeiten müssen, könnte man einwenden. Für viele von Ihnen trifft das allerdings nicht zu, da erfahrungsgemäß lange Übergangsfristen beschlossen werden. Und selbst, diejenigen, die es betrifft, haben kaum ein Problem damit, viele sogar einen Vorteil daraus. Der Professorenjob ist ein sehr privilegierter. Die wenigsten werfen mit 65 Jahren den Griffel hin und schreiben nichts mehr. Wer weiter wissenschaftlich publizieren will, hat einen Vorteil daraus, weiter auf den Lehrstuhlapparat zugreifen zu können. Vorgaben wie viel er arbeiten muss, und wie oft er erscheinen muss, gibt es ohnehin nicht. Der einzige Nachteil sind die paar Stunden Lehre, die man vielleicht noch abreißen muss.
So ist es denn kein Wunder, dass unsere Wirtschaftsprofessoren die Medien mit der Mär füttern, die gesetzliche Rente wäre eine Verschwörung der Alten gegen die Jungen, so als ob die Jungen nicht auch irgendwann ganz gern eine Rente oberhalb Hartz-IV-Niveau hätten.
Nachtrag: Auf einen Protest hin, bekenne ich, dass ich etwas zu sehr den C4-Universitätshonoratioren im Sinn hatte, als ich diesen Beitrag schrieb, wie ich ihn noch kannte. (Fach-)Hochschulprofessoren, von denen auch der ein oder andere in der Umfrage dabei sein könnte (obwohl es nicht viel VWL an Fachhochschulen gibt), haben deutlich höhere Lehrdeputate und kleinere Lehrstuhlapparate. Auch ist trifft das Gesagte zur Harmonie von Eigeninteresse und wirtschaftspolitischer Empfehlung selbstverständlich nur auf diejenigen als Gruppe zu, die in der Umfrage entsprechend gestimmt haben. Über individuelle Motivation maße ich mir kein Urteil zu, mir geht es nur darum, auf die spezielle Interessenlage einer einflussreichen Gruppe hinzuweisen, der gemeinhin Unvoreingenommenheit unterstellt wird.