Mitreden trotz Münchau (2) – Wie QE wirklich funktioniert

20. 01. 20215 |  In der ersten Folge hatte ich festgestellt, dass es allerlei Bilanzpositionen der Notenbank gibt, die Münchau und fast alle anderen, die sich zu dem Thema äußern, ignorieren, obwohl man mit ihrer Umwidmung eine Alternative zu den problematischen Staatsanleihekäufen hätte. Aber nun wollen wir uns der Wirkungsweise solcher Käufe zuwenden. Münchau stellt in Teil 2 von „Mitreden mit Münchau“ einleitend fest, dass es die Geldmenge sei, die langfristig die Inflationsrate bestimmt.

Wobei er Geldmenge korrekt als das betrachtet, womit wir unsere Rechnungen bezahlen, also im wesentlichen Bargeld und unsere Bankguthaben.

Wenn diese Größe wirklich langfristig die Inflationsrate bestimmen würde, dann hätten wir heute ein Problem mit zu hoher, nicht mit zu niedriger Inflation. Denn die Geldmenge wuchs vor der Finanzkrise jahrelang mit zweistelligen Raten, so stark, dass die EZB den falschen Schluss zog, und es aufgab, sich ernsthaft um die Geldmenge zu kümmern. Nein. Was die Teuerungsrate der Güter und Dienstleistungen mittel- und langfristig bestimmt ist die Geldmenge, die bei denen zirkuliert, die ihr Geld überwiegend  für Käufe von solchen Gütern und Dienstleistungen verwendet.

Es gibt aber auch viel Geld, das bei Institutionen und Personen liegt, die ihr Geld vor allem für Finanzanlagen (einschließlich Immobilienanlagen) verwenden.  Das sind zum Beispiel Investmentfonds. Wenn mehr Geld in dieser Finanzsphäre zirkuliert, treibt das vor allem die Preise von Vermögenswerten wie Aktien und Immobilien nach oben, nicht die Preise von Gütern, die in die Inflationsrate eingehen. Das wird in Zusammenhang mit der mengenmäßigen Lockerung (ML) durch Anleihekäufe der Notenbank noch sehr wichtig. Vor der Finanzkrise ist genau das passiert. Die Kredit- und Geldmengenausweitung geschah in starkem Maße in der reinen Finanzsphäre und verursachte dort Blasen.

Münchau fährt fort:
Wenn die Inflation so wie derzeit zu niedrig ist, dann will die Zentralbank also die Geldmenge erhöhen. Wie macht sie das? Die Antwort lautet: über die Banken.“

Bemerkenswert ist, dass im Folgenden bei Münchau keine Geldmengenausdehnung durch Anleihekäufe zu erkennen ist, jedenfalls keine halbwegs direkte. Das ist kein Zufall hat er doch erst vor zwei Monaten in einem ähnlichen Beitrag, der  von mir damals schon kritisch hinterfragt wurde, behauptet, dass Wertpapierkäufe einer Zentralbank die Geldmenge nicht erhöhten und daher auch nicht zu Inflation führten. Allenfalls am Ende einer langen indirekten Wirkungskette könnten sie die Geldmengen und damit auch die Preise ein bisschen erhöhen.

Mit diesem Verdikt, mit dem er damals Anleihekäufe gegen Kritik inflationsphober Menschen und Politiker aus Deutschland in Schutz nahm, müsste er nun eigentlich recht schnell zum Schluss kommen, dass Anleihekäufe untauglich sind. Aber erstaunlicher Weise kommt er wieder zu einem eher positiven, wenn auch nur impliziten Verdikt. Und zwar auf verschiedenen Wegen. Aber erst einmal zur Klarstellung:

Dass die Wertpapierkäufe die Geldmenge nicht erhöhen ist falsch. Das kann man zum Beispiel in verschiedenen Beiträgen der Bank von England in allen Stufen von kurz und knapp bis erschöpfend, von Logo-News bis wissenschaftlich, nachlesen. Weblinks stehen am Ende dieses Artikels.

Münchau geht davon aus, dass die Notenbank die Wertpapiere nur den Geschäftsbanken abkauft. Für diesen Fall hat er, was die direkte Bilanzwirkung angeht, Recht. Die Bank gibt ihre Wertpapiere ab und bekommt dafür ein neues Guthaben bei der Notenbank. Dieses zählt nicht zur Geldmenge, weil es nicht in der Wirtschaft zirkuliert, sondern im Bankensektor bleibt. Nur in dem mengenmäßig unbedeutenden Fall, dass die Banken es in Form von Bargeld von der EZB auszahlen lassen, kann es seinen Weg in die Wirtschaft finden.

Die Bank von England stellt aber ausdrücklich fest, dass sie aus diesem Grund bevorzugt Wertpapiere von sogenannten Nichtbanken kauft, zum Beispiel von Wertpapierfonds. Das macht einen Unterschied, den diese Fondgesellschaften haben kein Konto bei der EZB sondern ein Girokonto bei einer Geschäftsbank. Kauft die Notenbank Anleihen von ihnen, so weist sie die Hausbank des Fonds an, diesem im Gegenwert der Wertpapiere Geld auf dem Bankkonto gutzuschreiben. Als Gegenleistung schreibt die EZB der Hausbank den entsprechenden Betrag auf ihrem EZB-Konto gut. Im Ergebnis ist nicht nur die Summer der Guthaben auf EZB-Konten von Banken gestiegen (die nicht zur Geldmenge zählen), sondern auch die Summe der Giroguthaben bei Geschäftsbanken, die zur Geldmenge zählen.

Allerdings, und hier entfernen wir uns etwas von Münchaus Text, der so weit gar nicht kommt, zirkuliert das zusätzliche Geld in der Finanzsphäre und sorgt damit noch nicht automatisch für höhere Nachfrage und letztlich höhere Preise in der produzierenden Wirtschaft.

Ein wichtiger Weg, den Münchau korrekt beschreibt, wenn auch für meinen Geschmack erheblich zu optimistisch, besteht darin, dass die Fonds, die jetzt mehr Geld haben (bei Münchau sind es die Banken) sich damit andere Wertpapiere oder Immobilien kaufen und damit die Kurse nach oben treiben. Wenn die Aktienkurse steigen, investieren die Unternehmen mehr, stellt Münchau in der zweiten Folge knapp fest, um das dann in der dritten korrekt zu relativieren, dass sie dann mehr investieren, wenn die Wirtschaft auf andere Weise bereits in Gang gekommen ist, sodass sich die mit höheren Investitionen produzierten Güter auch absetzen lassen. Prinzip Hoffnung.

Wenn die EZB übrigens von den Banken kauft, und die Banken dann Fonds Wertpapiere abkaufen, kommt das letztlich auf das Gleiche raus. Denn dann schreibt sie den Fonds den Gegenwert auf deren Girokonto gut und die Geldmenge ist auch gestiegen. Der Unterschied für die Notenbank liegt nur darin, dass sie sich nicht darauf verlassen kann, dass die Banken – wenn sie von diesen kauft – das Geld in Wertpapierkäufe von Nichtbanken stecken.

Was die Bank von England stärker betont ist ein anderer Kanal. Die Besitzer der Wertpapiere und Immobilien, deren Preise so nach oben getrieben werden, werden reicher und geben einen Teil des zusätzlichen Reichtums aus, was die Nachfrage nach Gütern und letztlich die Preise erhöht. Allerdings stellt sie auch fest, dass die Begünstigten mengenmäßig ganz überwiegen zu den reichsten fünf Prozent gehören, was einerseits eine problematische Verteilungswirkung darstellt, andererseits zweifeln lässt, ob diese einen hohen Anteil ihrer zusätzlichen Reichtums für Konsum ausgeben werden.

Münchau stellt jedoch, weil er aufgrund seines Missverständnisses keine Geldmengenausdehnung herleiten kann, einen anderen Kanal in den Vordergrund, der bei der Bank von England zu Recht keine oder nur eine geringe Rolle spielt – die Beeinflussung der Inflationserwartungen. „Es ist die entkoppelte Inflationserwartung, Dummkopf!“,be titelt er die dritte Folge seiner Serie zur mengenmäßigen Lockerung.

Was meint er damit? Es gehe nicht darum fallende Preise zu verhindern (Deflation), sondern : „Das Ziel ist die Rückführung der in der Bevölkerung erwarteten Inflation auf die EZB-Zielmarke von knapp zwei Prozent“, schreibt er.

Was Münchau übersieht, indem er sich bei der Deflationsgefahr auf den Strohmann kapriziert, dass bei fallenden Preisen die Konsumenten nicht mehr konsumierten, weil sie auf noch niedrigere Preise warteten, sind die echten Probleme der Deflation. Schon zu niedrige Inflation ist ein Problem. Die  EZB hat sich aus gutem Grund darauf festgelegt, mittelfristig für eine Teuerungsrate von knapp zwei Prozent im Jahr zu sorgen. Die EZB will keine echte Preisstabilität, damit sich Preis- und vor allem Lohnverhältnisse verschieben können, ohne dass viele Arbeitnehmer sinkende Nominallöhne in Kauf nehmen müssen. Sinkende Löhne durchzusetzen gilt als problematisch. Wenn dagegen die Löhne unverändert bleiben, aber die Preise, die die Unternehmen mit ihren Produkten erzielen, um zwei Prozent steigen, dann sind die Löhne real – das heißt um die Teuerung korrigiert – gesunken. Derzeit, wo es heißt, dass die Krisenländer relativ zu Ländern wie Deutschland wettbewerbsfähiger, sprich billiger, werden müssen, ist das schwierig, wenn wie derzeit selbst im Durchschnitt des Euroraums die Inflation knapp unter und auch in Deutschland nur wenig darüber liegt.

Das zweite, noch größere Problem ist die Verschuldung. Eine Schuld zurückzuzahlen fällt einem Arbeitnehmer oder einem Unternehmen umso leichter, je stärker sein Einkommen steigt, beziehungsweise je stärker die erzielbaren Preise der Produkte steigen. Wenn Löhne und Preise sinken, sinkt die Höhe der Schulden und des Schuldendienstes nicht mit. Die Schuldenlast wird – in realer Rechnung – immer schwerer. In den Krisenländern ist die hohe Verschuldung der Haushalte, Unternehmen und Staaten jetzt schon ein großes Problem. Wenn die Preise und Löhne sinken, wird das Problem immer größer.

Es geht also sehr wohl darum, niedrige oder gar negative Inflation zu beseitigen, nicht nur darum, die Inflationserwartungen zu erhöhen. Irgendwie verliert Münchau dann im Verlauf seiner Wirkungsmechanismen selbst die Inflationserwartungen aus den Augen, die ihm vorne so wichtig sind. Sie kommen explizit nicht mehr vor und sind auch sachlich nicht mehr erkennbar. Er geht nur darum, die Konjunktur irgendwie anzuschieben, was aber auch wieder die Wirkung hätte, die Inflation zu steigern, um die es angeblich gar nicht geht.

Die Fixierung mancher Notenbanker auf die Inflationserwartungen rührt von Überresten des alten unbedingten Glaubens hin, dass man mit Modellen, die von hyprerrationalen Individuen bevölkert werden, in denen Geld keine Rolle spielt, sinnvolle Geldpolitik für die wirkliche Welt machen kann. In diesen Modellen hängt die tatsächliche Inflation vor allem davon ab, welche Inflation die völlig rationalen „Wirtschaftssubjekte“ erwarten. Denn sie richten ihre Kauf-, Preissetzungs- und Lohnsetzungsentscheidungen sofort entsprechend dieser Erwartungen aus und führen die entsprechende Inflationsrate dadurch kollektiv sofort und reibungslos herbei. Geld spielt keine Rolle. Er ist nur ein Schleier. Münchau tat gut daran, das mit den Inflationserwartungen in seinem Titel im Text nicht weiter zu verfolgen.

Nun genug mit der Aufklärung von Missverständnissen und dafür etwas vollständiger eine Darstellung der erhofften Wirkungsweise. Wir waren so weit, dass die Geldmenge steigt, aber erst mal nur die in der reinen Finanzsphäre zirkulierende. Hilft das nun der Wirtschaft?

Höhere Aktienkurse helfen vielleicht ein bisschen, aber weil die Unternehmen nicht investieren wollen, und weil die profitierenden Reichen geringe Konsumquoten haben, eher wenig.

Eine andere mögliche erwünschte Wirkung besteht darin, dass Anleihezinsen sinken. Denn wenn die Kurse der Anleihen steigen bleibt der bei Ausgabe vereinbarte Zins auf den Nominalwert der Anleihe gleich. In Prozent des Marktwerts der Anleihe auf den es für einen Käufer ankommt, ist der Zins in Prozent umso niedriger, je höher der Marktwert. Ein niedrigerer Zins, zu dem sich Unternehmen durch Ausgabe von Anleihen verschulden können, könnte bedeuten, dass sie mehr investieren. Aber leider kommen wir wieder zu dem Punkt, dass, wenn die Nachfrage fehlt, auch noch niedrigere Fremdkapitalkosten nur bedingt zu mehr Investitionen führen werden.

Ein eng verwandter Wirkungskanal besteht darin, dass die Banken vielleicht leichter und billiger Kredit geben, wenn sie reichlich Guthaben bei der Notenbank haben, und dass die Kreditnachfrage der Haushalte und Unternehmen steigt, wenn die Kreditzinsen sinken. Wenn jemand bei einer Bank Kredit aufnimmt, steigt der Geldumlauf, denn die Kredit-gebende Geschäftsbank schreibt dem Kreditnehmer den vereinbarten Kreditbetrag auf dessen Girokonto gut. Doch auch das setzt allerdings voraus, dass die Wirtschaft so gut läuft, dass es genug kreditwürdige Kreditnachfrager gibt, und diese auch genug Vertrauen in ihre Einkommensperspektiven und Absatzchancen haben, um investieren oder konsumieren zu wollen.

Aber der Wechselkurs, der kann es bringen, oder? In dem Maße, wie die Finanzinstitute mit dem Geld aus den Anleihekäufen ausländische (nicht-Euro) Wertpapiere kaufen, die sie in fremder Währung bezahlen müssen, steigt das Angebot an Euro auf dem Devisenmarkt. Da drückt den Euro-Kurs. Das wiederum macht im Euroraum hergestellte Produkte billiger im Vergleich zu im Ausland hergestellten. Exporteure und Importeure können sich leichter gegen ausländische Konkurrenten durchsetzen, was Produktion und Auslastung steigern und so die Preise nach oben treiben sollte.

Das war die Wirkungsweise.

Ich bin sicher, wenn man das Programm groß genug macht, funktioniert es. Die unerwünschten Nebenwirkungen, insbesondere auf die Einkommensverteilung und gefährliche Preisblasen auf den Finanzmärkten sind aber erheblich. Deshalb ist die Feststellung wichtig: Es gibt Alternativen. TINA (There Is No Alternative) was uns immer eingeredet wird, ist doof, undemokratisch und falsch.

Hier wie versprochen die Weblinks zu den Erklärstücken der Bank von England

Umfassend mit mittlerem Schwierigkeitsgrad und guter grafischer Darstellung der Wirkungskanäle:
The United Kingdom’s quantitative easing policy: design, operation and impact

Von den gleichen Autoren, etwas früher geschrieben, diesmal mit grafischer Darstellung der Wirkung anhand vereinfachter Bank-, Fonds- und Zentralbankbilanzen:
Money creation in the modern economy

Sehr kurz, sehr einfach mit Wirkungsgrafik, aber doch sehr begrenztem Tiefgang:
Quantitative Easing Explained

Erklärt die Verteilungswirkungen der Politik, aber auch detailiert die (erhoffte) Wirkungsweise:
 The Distributional Effects of Asset Purchases

 Auf Deutsch kann man sich von der Bundesbank immerhin sehr verständlich erklären lassen, wie die Banken durch Kreditvergabe oder Wertpapierkäufe Geld schaffen. Das hilft sehr für das Grundverständnis:
https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Service/Schule_und_Bildung/Geld_und_Geldpolitik/geld_und_geldpolitik.html

 Und zum Abschluss nochmal:

TINA ist doof: 10 Wege für die EZB, Geld in Umlauf zu bringen ohne die Reichen noch reicher zu machen und die Armen den nächsten Crash ausbaden zu lassen

Ich danke für die Aufmerksamkeit und Geduld. Gute Nacht und guten Morgen

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