Stolz verkündete das Weltwirtschaftsforum am 22. April seine diesjährige Auswahl an Young Global Leaders:
Wenn ich richtig gezählt habe, sind es dieses Jahr 109 neue Elite-Auszubildende des Forums, davon 20 aus Nordamerika, 18 aus Europa (inkl. Ukraine), 16 von der arabischen Halbinsel und aus Nordafrika, 11 aus dem übrigen Afrika und 12 aus „Greater China“.
Eine mit sehr viel Geld ausgestattete Stiftung des Weltwirtschaftsforums sucht jedes Jahr erfolgreiche Personen unter 40 aus den Bereichen Politik, Unternehmen, Kultur und Medien aus, die in einem mehrjährigen Programm zu Top-Führungskräften ausgebildet werden, unter anderem mit einem speziellen zehntägigen Kurs an der Harvard Universität und gemeinsamen Treffen mit der Politikelite der USA und von anderen Ländern. Noch wichtiger ist vielleicht, dass sie vernetzt werden, untereinander und mit anderen wichtigen Einflussagenten des Forums in Regierungen, Unternehmen und Medien.
Wohl nicht nur wegen ihrer überragenden Qualitäten, sondern auch dank der Protektion durch das Forum und sein großes und überaus einflussreiches Netzwerk dürfen die Ausgewählten erwarten, dass ihr Status und ihr Einfluss einen weiteren kräftigen Schub erfahren. Das Netzwerk besteht aus 1400 aktuellen und ehemaligen Young Global Leaders in 120 Ländern, die meisten in einflussreichen Positionen.
Angela Merkel etwa wurde als frischgebackene Familienministerin erwählt und brachte es dann zur Bundeskanzlerin für 16 Jahre. Ähnlich der derzeitige französische Präsident Emmanuel Macron und viele andere frühere Regierungschefs. Annalena Baerbock, Auserwählte im Jahr 2020, wurde Kanzlerkandidatin ihrer Partei und ist nun Außenministerin.
In einem als Youtube-Video verfügbaren Podiumsgespräch an der Harvard Universität, wohl aus dem Jahr 2017, rühmt sich Klaus Schwab:
„Ich muss sagen, wenn ich nun Namen nenne, wie Angela Merkel und Wladimir Putin und so weiter, sie waren alle Young Global Leaders des Weltwirtschaftsforums. Aber, worauf wir heute besonders stolz sind, diese junge Generation wie Premierminister Trudeau, der Präsident von Argentinien und so weiter: wir durchsetzen (penetrate) die Kabinette. Gestern war ich auf einem Empfang für Premierminister Trudeau. Und ich weiß, dass tatsächlich sein halbes Kabinett, mehr als das halbe Kabinett, aus Young Global Leaders des Weltwirtschaftsforums besteht.“
Sein Harvard-Gesprächspartner wirft ein, das sei auch in Argentinien der Fall und Schwab stimmt zu:
„Ja, es trifft auch in Argentinien zu, und auch in Frankreich, ich meine, mit dem Präsidenten, mit dem Young Global Leader. Aber was für mich wichtig ist: Diese Young Global Leaders bekommen die Gelegenheit, hierher (Harvard) zu kommen. Und wir haben schon vor einigen Jahren einen Kurs eingerichtet. Ich denke, diese Kooperation hat eine enorme Wirkung, eine Woche lang hier zu sein, schafft wirklich eine starke Gemeinschaft.“
Er spricht auch davon, dass das Forum seit einiger Zeit auch schon noch jüngeres Führungskräftematerial aussucht und fördert:
„Neben den Young Global Leaders haben wir nun auch die Global Shapers in 450 Städten überall auf der Welt. Ich frage mich: Gibt es einen Global Shaper hier?“
Versuchskaninchen Kanada …
Zur schon besonders langen Liste von Forums-Einflussagenten in der kanadischen Regierung kommt mit „der Klasse von 2022“ Sean Fraser der amtierende Minister für Einwanderung, Flüchtlinge und Einbürgerung hinzu.
Neben Premierminister Justin Trudeau ist unter anderem auch Finanzministerin Chrystia Freeland ein Young-Leader-Gewächs des Weltwirtschaftsforums und noch dazu Mitglied in dessen Stiftungsrat.
Sie und ihr Premierminister haben während der Truckerproteste gegen die rigiden Coronamaßnahmen in Kanada einen erfolgreichen Probelauf für die repressive Kontrollgesellschaft gestartet, für die das Weltwirtschaftsforum und seine Kooperationspartner seit längerem die Konzepte ausarbeiten. Trudeau rief den Notstand aus und setzte die Bürgerrechte außer Kraft. Den Protestierenden und denen, die ihnen Geld gespendet hatten, auch kleine Summen, wurde die Bankkonten gesperrt. Viele verloren darüber hinaus ihre Jobs, vor allem, wenn sie im öffentlichen Dienst beschäftigt waren. In einem Video erklärte Freeland voller Engagement diese ausgesprochen freiheitsfeindlichen Maßnahmen.
Es war ein sehr erfolgreiches Experiment, wenn es darum gegangen sein sollte, festzustellen, ob man ein offen repressives Überwachungs- und Kontrollregime einführen kann, ohne dass die internationalen Medien Sturm laufen und der Regierung ihre Zugehörigkeit zum Wertewesten absprechen. Nichts dergleichen geschah.
Beim kanadischen Arbeitsministerium arbeitet ein Forschungsinstitut an einem Lieblingsprojekt des Forums, an computergesteuerten Mensch-Maschinen oder Maschinen-Menschen. Zitat:
„Neue menschliche Körper und ein neuer Begriff von Identität könnten im Zuge des Fortschreitens der Konvergenz entstehen. (…) Indem wir die Mechanismen, die der Biologie zugrunde liegen, besser zu verstehen und zu kontrollieren lernen, könnten wir eine Abwendung vom Vitalismus beobachten, von der Idee, dass lebende und künstliche Organismen etwas fundamental Verschiedenes sind.“
Zu den Teammitgliedern gehört Kristel Van der Elst, die frühere Chefin der Abteilung Strategische Vorausschau des Weltwirtschaftsforums. Sie berät auch die EU-Kommission. Ein weiteres Teammitglied ist Nicholas Davis, der bis 2019 Mitglied des Vorstands (Executive Committee) des Weltwirtschaftsforums war. Zusammen mit Forums-Chef Klaus Schwab hat Davis 2018 das Buch „Gestaltung der Zukunft der vierten industriellen Revolution: Ein Leitfaden zum Aufbau einer besseren Welt“ veröffentlicht.
Solche Dinge geschehen, wenn das Forum erfolgreich ein Kabinett penetriert.
… und Ukraine
Zur „Klasse von 2022“ der Young Global Leaders gehört auch Mykhailo Fedorov. Vizepremier und Minister für Digitale Transformation der Ukraine. Das wichtigste Projekt, das er vorantreibt, oder zumindest bis zum Einmarsch der russischen Truppen vorangetrieben hat, ist der „Staat im Smartphone“. Bis spätestens 2025 sollen danach alle staatlichen Identitätsdokumente zusammen mit Banking-Daten und biometrischer Identifizierung auf dem Smartphone jedes Bürgers verfügbar sein, mit der sogenannten Diia-App.
In einem Beitrag für den Atlantic Council schrieb Fedorov im April 2021:
„Die Ukraine ist Teil des globalen Digitalisierungsprozesses, der die Entwicklung von e-Pässen und die zunehmende Nutzung von anderen Formen der elektronischen Identifikation rund um die Welt beinhaltet.“
Im Dezember 2021 startete das ePidtrymka Programm. Nutzer, die mittels Diia-App nachwiesen, dass die mindestens zwei Impfdosen erhalten hatten, bekamen Gutscheine im Wert von 1000 Hryvnia, umgerechnet etwa 30 Euro, und nochmals die Hälfte mehr, wenn sie sich eine Booster-Impfung geben ließen. Seit März werden offenbar auch Hilfen für Kriegsgeschädigte über die App ausgereicht.
Das „Staat im Smartphone“-Projekt wird finanziert von den Regierungen der USA, Großbritanniens und der Schweiz.
Kein Wunder, dass das Weltwirtschaftsforum stolz ist, auf seinen ukrainischen Digitalisierungs-Zögling, hat er doch Elemente der Forums-Lieblingsprojekte digitales Grundeinkommen, digitale ID und Sozialkreditsystem in einer App kombiniert.
Digitalisierungsminister im Fokus des Forums
Fedorov ist nicht der einzige Digitalisierungsminister unter den neuen Elite-Azubis der Konzernlobby. Dabei sind auch noch die Minister und Staatssekretäre für Digitales und Technik von Slowenien, der Mongolei, Saudi Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrein.
Aus Deutschland dabei ist Philip Meissner, Gründer und Direktor des European Center for Digital Competitiveness in Berlin. Das von großen Konzernen und deren Stiftungen gesponserte Zentrum erstellt, ganz im Stile der (äußerst fragwürdigen) Wettbewerbsfähigkeitsrankings des Weltwirtschaftsforums, Länder-Ranglisten auf Basis der „digitalen Wettbewerbsfähigkeit“. Basis sind vor allem Daten des Weltwirtschaftsforums, das gern bei der Publicity hilft.
Diese Rankings, mit Schlagzeilen, die regelmäßig sinngemäß „Deutschland wieder weit hinten“ lauten, sollen Druck in Richtung Digitalisierung aller Lebensbereiche aufbauen, auch solcher, wo die Bürger das überhaupt nicht mögen, etwa im Gesundheitsbereich. Jens Spahn, auch ein Young Global Leader, hat auf diesem Gebiet als Minister für die Gesundheitsbranchen sehr großes Engagement entfaltet. Sein Nachfolger Lauterbach ist zwar kein Forums-Azubi, er hat aber immerhin enge Kontakte zur Harvard Universität.
Geldbranche dominiert
Bemerkenswert ist, dass selbst die Staatsanwältin von Rio de Janeiro sich nicht scheut, bei den Großkonzernen in die Führungskraft-Lehre zu gehen. Diese weitere Hoffnungsträgerin von der Bill & Melinda Gates Foundation, einem der engsten Partner des Forums, darf natürlich in der Klasse von 2022 nicht fehlen.
Erkennbarer Schwerpunkt neben den Digitalisierungsministern ist die Finanzbranche. Aus Nordamerika etwa sind dabei Leute von Blackrock, Paypal, Blackstone, Merrill Lynch, HSBC und CFI Partners. Auch unter den neuen Young Global Leaders aus den anderen Weltregionen arbeiten sehr viele in der Geld- und Versicherungsbranche. Das passt, denn einerseits ist diese Branche neben der IT-Branche der wichtigste privatwirtschaftliche Projektor geopolitischer Macht der USA und des Weltwirtschaftsforums, andererseits steht eine Neuordnung des Geldsystems an, um den Übergang in eine neofeudalistisches System zu unterstützen, wie ich ihn in „Endspiel des Kapitalismus“ beschreibe, und so den Zusammenbruch noch zu verhindern oder wenigstens den Machterhalt der Eliten zu sichern.
Änderungshinweis: Übersetzung von „penetrate“ von „durchdringen“ auf „durchsetzen“ geändert.