Wie ein Medienkonzern seine Journalisten auf bedingungslose Unterstützung der Pandemie-Politik festgelegt hat

3. 01. 2021 | Der CEO des wichtigsten Schweizer Zeitungsverlags, der auch einige internationale Zeitungen herausgibt, hat sich laut einem nun veröffentlichen Video vor 10 Monaten damit gerühmt, dass er veranlasst habe, dass alle Zeitungen der Gruppe die Corona-Politik der nationalen Regierung unterstützen. Sein Dementi ist schwach und schreckt vor Ad-hominem-Attacken nicht zurück. 

Der Nebelspalter, der das Skandalvideo veröffentlichte, spricht angesichts der eigentlich nicht zu Veröffentlichung bestimmten Aufnahme von unverfrorener Komplizenschaft zwischen Staats- und Medienmacht. Sie erkläre, warum die Zeitungen der Ringier-Gruppe, darunter das Bild-Pendant Blick, immer so gut über Pläne der Regierung informiert gewesen seien und die Regierungspolitik immer so freundlich begleitet und kommentiert hätten.

Eingebettet in den Artikel „Geheimes Video zeigt: CEO Marc Walder zwang alle Redaktionen der Ringier-Medien weltweit auf Regierungskurs“ der traditionsreichen Satire-Zeitschrift können Ungläubige einen O-Ton von Ringier-CEO Marc Walder hören. Walders Bemerkungen fielen am 3. Februar 2021 im Rahmen der Gesprächsreihe «Inspirational Talk» der Schweizerischen Management Gesellschaft. Thema: Digitale Transformation. Walder ist sich erkennbar bewusst, dass er sehr Heikles sagt, nämlich unter anderem:

„Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt – auf meine Initiative hin gesagt: ‹Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen. Das mag Sie jetzt überraschen, aber ich will es an einem Beispiel festmachen. Auch die Blick-Gruppe, die jetzt in der Schweiz sehr prägend ist in der Covid-Berichterstattung, könnte deutlich härter – und vielleicht sagen einige von Ihnen: ‹Ja, macht’s doch bitte, die schlafen alle, die packen’s nicht› – sein. (…) Das nützt im Moment niemandem etwas. Wir müssen versuchen, dass die Politik, ob sie jetzt genug schnell, genug hart, zu wenig hart usw. agiert, das Volk nicht verliert. Und hier dürfen die Medien nicht einen Keil treiben zwischen der Gesellschaft und der Regierung.“

Gleichzeitig kritisierte Walder die seiner Ansicht nach viel zu kritische Berichterstattung der Bild-Zeitung in Deutschland.

Dem Nebelspalter sagte ein Ringier-Sprecher, gefragt, ob dies nicht die redaktionelle Unabhängigkeit ausheble: „Nein: Zwischen Marc Walder und vielen Chefredaktorinnen und Chefredaktoren der Ringier-Gruppe findet seit vielen Jahren ein konstanter und konstruktiver Dialog statt.“

Auf die Frage, ob inhaltliche Vorgaben des Verlags für die Redaktionen bei Ringier üblich seien, hieß es:

„Die Redaktionen und Mitglieder der Konzernleitung (…) tauschen sich konstant aus. Die Verantwortung und Hoheit der publizistischen Berichterstattung liegt stets bei den Redaktionen.“

Bankrotterklärung des Journalismus

Die Neue Züricher Zeitung sprach von einer Bankrotterklärung und führte ein erfrischend kritisches Interview mit Walder. Darin entschuldigte sich Walder für seine Bemerkungen über die Bild-Zeitung, deren damaliger Chefredakteur Julian Reichelt zwischenzeitlich geschasst worden ist.

Wie ernst man diese Entschuldigung zu nehmen hat, bemisst sich auch daran, wie das, was er an anderer Stelle im gleichen Interview sagt, zu verstehen ist: „Doch auf die Tatsache, dass unsere Publikationen nicht auf billigen Empörungsjournalismus setzen, sondern faktenorientiert und sachlich über die Notwendigkeit verschiedener Maßnahmen schreiben, bin ich stolz.“ Das lässt sich leicht als indirekte Bekräftigung der Kritik an der Bild lesen.

In Reaktion auf die Bemerkung des Interviewers, dass einer Zeitung, die immer positiv über die Regierung berichtet, irgendwann niemand mehr glaubt, versucht Walter die Intention des Autors des Nebelspalter-Artikels, Philipp Gut, mit dem Hinweis zu diskreditieren: „Lassen Sie mich erwähnen, dass der Initiant dieser Debatte der Geschäftsführer eines Abstimmungskomitees gegen das Medienpaket ist.“ Zu diesem Paket gehört, dass bestimmte Medien Regierungssubventionen bekommen sollen.

Medienkonsumenten auch hierzulande fragen sich jetzt natürlich, ob auch in anderen Medienhäusern die Journalisten zu regierungsfreundlicher Berichterstattung bei allem was mit der Pandemie zu tun hat, angehalten werden. Wie soll ein Medienhaus, dessen Blätter faktenorientiert und sachlich über die Notwendigkeit verschiedener Maßnahmen schreiben, Kritiker solcher Maßnahmen davon überzeugen, dass das bei seinen Zeitungen nicht der Fall ist. Die Glaubwürdigkeit der etablierten Medien hat durch diese Affäre großen Schaden gelitten, der allenfalls langfristig behebbar ist.

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