Weil die transatlantischen Lobbyisten für ein Freihandelsabkommen mitinternationalen Schiedsgerichten für Investoren mit den USA (TTIP) und mit Kanada (Ceta) mangels tragfähiger Argumente auf die Gesinnungskarte setzen und die Kritiker als Antiamerikaner darstellen, will ich hier auf die sehr interessante Analyse von Scott Sinclair verweisen. Der
Ökonom vom Canadian Center for Policy Alternatives (CCPA) hat sie als Stellungnahme im Rahmen der 90-tägigen öffentlichen Anhörung der EU-Kommission zu TTIP verfasst und veröffentlicht. Das im Geheimen von der EU-Kommission ausverhandelte, aber wegen des öffentlichen Widerstands nicht verabschiedete Ceta-Abkommen mit Kanada dient dabei als Muster. Sinclair weißt auf einige sehr sonderbare Dinge in der Anhörung und den Vertragsentwürfen hin, wobei ihm die kanadische Erfahrung mit dem Investorenschutz im Rahmen des Nafta-Abkommens mit den USA als hierzulande kaum bekannter Bezugspunkt und Erfahrungslieferant dient.
Erste Sonderbarkeit: Die EU-Kommission fragt zwar ausgiebig, ob man den Widerstand gegen die internationalen Schiedsgerichte für Investoren mit dieser oder jener technischen Maßnahme besänftigen kann. Ob man diese Sondergerichte überhaupt braucht und will, fragt sie – aus gutem Grund – lieber nicht, obwohl, oder gerade weil, selbst die deutsche Bundesregierung und einige Parlamente dies inzwischen sehr stark in Frage stellen. Das zeigt, wie wenig ergebnisoffen diese Befragung konzipiert ist.
Sinclair macht auch überzeugend deutlich, was von den Beteuerungen innerhalb und außerhalb des Vertragsentwurfs zu halten ist, das Recht der Regierungen, die Wirtschaft zum Schutze und Nutzen der Bevölkerung zu regulieren, werde respektiert und gehe dem Investorenschutz vor. Das ist Augenwischerei, wie er zeigt, weil dieses Recht eben nur unter Beachtung der für den Investorenschutz aufgestellten – und von den Schiedsgerichten frei interpretierbaren – Grundsätze gilt. Die Abkommen schreiben also entgegen der Rhetorik der Kommission und der Lobbyisten den Vorrang des Investorenschutzes vor dem Regelungsrecht der Regierungen fest.
Kanada hat schlechte Erfahrungen mit dem Investorenschutz gemacht. Die Beispiele kann man bei Sinclair nachlesen. Dazu gehört nicht nur die teure Klage wegen des Verbots von Fracking. Dazu gehört zum Beispiel auch eine Klage eines Hotelbesitzers, weil Jagdrechte zum Schutz der Bestände eingeschränkt und Ureinwohner mit den verbleibenden Rechten bevorzugt bedient wurden. Wenn schon die Bewahrung der Lebensweise von jagenden Ureinwohnern ein Klagegrund ist, wie sieht es dann mit Vorstellungen von Regierungen zur anzustrebenden Wirtschaftsstruktur aus? Etwa wenn die kleinbäuerliche oder ökologische Landwirtschaft bewahrt werden oder allgemein kleine und mittlere Unternehmen gefördert werden sollen?
Der Text ist auch darüber hinaus voller Information und sehr lesenswert. Hier zum Abschluss noch eine Sonderbarkeit, auf die Sinclair hinweist, welche wie einige andere solche Sonderbarkeiten geeignet ist, das Misstrauen der Kritiker in die Versicherungen der EU-Kommission zu untergraben. In ihren Erläuterungen zur ersten Frage gebe die Kommission als Ziel an, dafür zu sorgen, dass nur Investoren geschützt werden, die bereits substantielle Finanzmittel im Gastland investiert haben und nicht diejenigen, die erst solche Investitionen planen. Das aber stehe in Gegensatz zu den Formulierungen im Vertragsentwurf und zur bevorzugten Definition der Kommission eines Investors als jemand, der „ein Investition auf dem Gebiet der anderen Partei tätigen will, gerade tätigt oder getätigt hat.“ Pflichtlektüre für jeden, der sich für Investitionsschutzabkommen interessiert und ausreichend englisch lesen kann.