ISD dürfte eine der wichtigsten Institutionen zur internationalen Steuerung und Koordination der Internetzensur in Ländern der Five-Eyes-Geheimdienstallianz und der Nato sein. Das mit deutschen Steuer- und Stiftungsgeld finanzierte Institut geht mit Verschleierung und Täuschung vor. Es setzt Definitionen in die Welt, die „Meinungsfreiheit“ in einen Grund für Zensur und Manipulation umdefinieren, und sorgt mit selbst geschaffenen Gremien und Koalitionen dafür, das diese überall Handlungsgrundlage werden. Vor allem das gänzlich aus Deutschland finanzierte Digital Policy Lab des ISD hat hier Unrühmliches geleistet.
Netzseite | Gegründet 2006 | London, Washington, Berlin, Amman, Paris
Geldgeber und Partner (nicht unterschieden):
Regierungen und Internat. Organisationen: UN, EU-Kommission, International Organization for Migration (IOM), Deutschland (BPB, Auswärtiges Amt, BMI, BMJV, NRW Staatskanzlei, B.-W. Staatsministerium), die Five-Eyes-Länder USA (u.a. Außenministerium und Dep. of Homeland Security), Kanada, Großbritannien, Australien, Neuseeland, sowie Dänemark und Finnland
Auf Anfrage teilte das Auswärtige Amt mit, Das Auswärtige Amt mit, die Zuwendungen an das ISD hätten von 2020-2024 rund 1,2 Mio. Euro betragen. Gefördert worden seien bis 2022 das Digital Policy Lab des ISD sowie im Jahr 2023 ein Projekt zum Monitoring der Verbreitung von Desinformation im Westbalkan. 2024 förderte das Auswärtige Amt eine GDI-Analyse der Verbreitung geschlechtsspezifischer Desinformation insbesondere auf TikTok.Aktuell (Januar 2025) gebe es keine laufende Förderung oder Projektkooperation.
Unternehmen: Google, Microsoft, Spotify, Accenture u.a.
Des Budget von ISD UK betrug 2023 5,7 Mio. Pfund (2022: 6 Mio.). Das Budget von ISD-US betrug 2023 5,9 Mio. Dollar (2022: 5,8 Mio.). Das Geld für ISD-UK kam von einer „diversen, globalen Gruppe von gemeinnützigen Partnern, Trusts und Stiftungen, Regierungen und Internationalen Organisationen“. Allein 4,6 Millionen Pfund kamen von Regierungen und Internationalen Organisatzonen für „Action Programming“, Beratung und „Research und Digitale Analysen“.
Anmerkung: Die Five-Eyes-Klassifikation wird von ISD bei der Beschreibung von Teamzuständigkeiten selbst genutzt (z.B. Henry Tuck). Die Five-Eyes sind eine Geheimdienstallianz der Länder USA, Kanada, Großbritannien, Australien, Neuseeland. Sie dient unter anderem dazu, die Bürger des jeweils eigenen Landes, die man selbst nicht ausforschen darf, durch die befreundeten Geheimdienste ausforschen zu lassen, und den Rest der Welt gemeinsam auszuforschen.
Stiftungen: Bertelsmann Stiftung, Friedrich-Naumann-Stiftung, Hertie Stiftung, Mercator Stiftung, Robert Bosch Stiftung, German Marshall Fund, Bill & Melinda Gates Foundation, Children’s Investment Fund Foundation (CIFF), European Climate Foundation ECF, Luminate, Omidyar Group, Omidyar Network, Open Society Foundations u.a.
Von der Bill and Melinda Gates Foundation erhielt ISD US im August 2020 200.000 Dollar „um die öffentliche Diskussion über Impfstoffe in Deutschland und die Implikationen für die globale Reaktion auf Covid-19 zu untersuchen“ und dann im März 2022 noch einmal 300.000 Dollar „um die öffentliche Diskussion über Geschlechtergerechtigkeit, Klimawandel und Migration in Deutschland zu untersuchen und Anstrengungen zur Bekämpfung von Fehlinformationen über diese Themen zu untersützen“.
Die Hewlett Foudation spendierte dem ISD 2022 und 2024 Insgesamt eine Million Dollar zur allgemeinen Kostendeckung.
Mitgliedschaften: Climate Action Against Disinformation (CAAD), zusammengebracht von ISD, Global Coalition on Internet Safety des Weltwirtschaftsforums, Forum on Information and Democracy (gegründet von ISD)
Anmerkung: In der 990-Form des ISD-US steht bei den Geldgebern „Classified“ (vertraulich oder geheim) eingetragen, sodass sich auch darüber nicht reine Kooperationspartner von Geldgebern trennen lassen.
Struktur: Es gibt die vier „unabhängige“ Organisationen ISD-UK, ISD-US, ISD-Germany und ISD-Jordanien, sowie ISD-France als Zweigstelle von ISD-UK. Laut 990-Form von ISD US teilt man sich mit den verbundenen Unternehmen bezahltes Personal und Einrichtungen und es gibt gegenseitige Zuschüsse, Kredite oder Kapitalverflechtungen. Post an ISD Germany geht c./o. an eine Steuerberatungsgesellschaft in Berlin. ISD Germany beschreibt sich als „Deutschlandbüro des internationalen Think & Do Tanks Institute for Strategic Dialogue (London)“.
Die Selbstbeschreibungen (übersetzt) lesen sich je nach Fundort ziemlich unterschiedlich:
- Netzseite (About): „Das Institute for Strategic Dialogue (ISD) ist eine Gruppe unabhängiger, gemeinnütziger Organisationen, die sich für den Schutz der Menschenrechte und die Umkehrung der weltweit zunehmenden Polarisierung, des Extremismus und der Desinformation einsetzen.“ Das “ klingt nach Graswurzelbewegung. Tatsächlich handelt es sich bei den Organisationen nur um rechtlich selbständige Ableger in verschiedenen Weltregionen und Ländern.
- Aus 990-Steuerformular (USA) (übersetzt): „ISD-US ist eine gemeinnützige Organisation, die eine transatlantische Brücke für Entscheider in Regierungen, Medien und dem Privatsektor der USA und der weiteren europäischen Nachbarschaft bereitstellt, um kooperative Ansätze zum Umgang mit weitreichenden Bedrohungen des internationalen und kommunalen Friedens zu formulieren und die Kapazität der Schlüsselspieler zu erhöhen, effektiv und strategisch in der globalen Arena zu agieren.“
- Beim Business Council for Democracy des ISD (deutsch): „Wir schützen die Demokratie im digitalen Zeitalter. Dazu liefert das Forscherteam des ISD weltweit Analysen zur digitalen und analogen Entwicklung von Polarisierung und Extremismus. /…). Zielgruppe sind politisch Verantwortliche, Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger sowie lokale Influencer, damit unsere Gesellschaft besser gegen hybride Demokratiegefahren gewappnet ist und ein Internet entsteht, das unsere offene Gesellschaft bewahrt.“
- Aus Bilanz von ISD-UK (übersetzt): Seit seiner Gründung war ISD an der Spitze der Lösungen zur Bekämpfung von Hass, Extremismus und Desinformation zu einer Zeit, in der diese eine unmittelbare Bedrohung für die Sicherheit, die demokratische Kultur und die Institutionen darstellen.“
Als das ISD noch seine Berater auflistete, gehörten dazu unter anderem der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger, der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning und der derzeitige Sicherheitsberater des britischen Premierministers Jonathan Powell. im Vorstand sitzt der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Kalt Theodor zu Guttenberg.
Die Vorstandsvorsitzende seit Gründung, Sasha Havlicek, ist Mitglied im European Council on Foreign Relations (George Soros) und Gründungsvorstandsmitglied des Forum on Information and Democracy, sowie Mitglied der Global Coalition on Internet Safety des Weltwirtschaftsforums. Im September 2023 zog sie aus London in die USA. Damit einher ging eine Reduktion von Budget und Beschäftigtenzahl in UK und eine Zunahmen in den USA, sodass ISD-Global wohl seither aus Washington gesteuert wird. Jennie King hat als Direktorin für Klima-Desinformationsforschung und -politik die Allianz Climate Action Against Disinformation (CAAD) gründen helfen, Henry Tuck ist Direktor für Digitalpolitik und beaufsichtigt das beim ISD angesiedelte Digital Policy Lab (DPL) und die digitalpolitischen Empfehlungen „in Europa und den Five-Eyes-Ländern“ (Geheimdienstallianz von USA, Australien, Canada, Großbritannien und Neuseeland; N.H.).
Digital Policy Lab
Über das mit dem Geld der Bundesregierung (Auswärtiges Amt) 2020 gegründete Digital Policy Lab wollten ISD und Bundesregierung einem Bericht des Handelsblatts von 2021 zufolge erreichen, dass staatliche Regulierung in die Algorithmen eingreifen kann, die entscheiden, welche Inhalte Nutzer präsentiert bekommen“. Der angestrebten gemeinsamen Regulierungsagenda der Mitgliedsländer zufolge sollte nicht mehr nur nachträglich die Legalität von Nutzerbeiträgen überprüft werden, sondern durch Anpassung der Algorithmen dafür gesorgt werden, dass die Nutzer von vorne herein nur verlässliche oder harmlose Informationen zu sehen bekommen. Facebook erklärte seine Unterstützung für neue Regulierungsinitiativen – solange diese nicht allzu stark in das Geschäftsmodell der Onlinenetzwerke eingreifen. Mehr
Beam
In einer Präsentation aus dem Jahr 2023 erklären ISD und CASM Technology und 2023 das von beiden gemeinsam entwickelte und genutzte, mächtige Instrument zur Ausforschung und Analyse von Internetmedien zur Aufdeckung und Bekämpfung von Informationsbedrohungen im Internet“ in einer Vielzahl von Sprachen und Plattformen. Dafür haben sie einen von US-Außenministerium, dem britischen Digital- und Medienministerium und der NATO ausgelobten Preis gewonnen. Laut Eigendarstellung nutzen Journalisten, Rechtsanwälte, Aktivisten-Organisationen, Faktenchecker, Regulierer und Geheimdienste das Instrument und seine Ergebnisse.
Im Ukrainekrieg wird Beam „konsequent für die Erkennung und Analyse von kremlfreundlichen Desinformationskampagnen eingesetzt.“ Vor den französischen Präsidentschaftswahlen 2022 nutzten ISD und CASM Technology Beam „um Desinformation und Fehlinformationen zu untersuchen“, wobei Kontroversen Covid-19 und um den Impfpass im Fokus standen. Auftraggeber war mutmaßlich die Regierung, der sie damit im Wahlkampf gegen Marine Le Pen half. Aber auch für den Umgang mit regierungskritischen Protesten wird Beam angepriesen: „In Krisenzeiten kann Beam zu einer Quelle von Informationen über die Online-Mobilisierung für reale Aktionen, einschließlich Massendemonstrationen (…) werden.“ Während des Klimagipfels 2021 arbeitete das Team von ISD und CASM direkt mit dem britischen Digital- und Medienministerium zusammen, „um seine Überwachung mit den Bemühungen des gesamten britischen Ministeriums zu integrieren“
Zum Krieg Israels gegen die Hamas in Gaza und andernorts stellte ISD ein Beobachtungsteam auf, mit dem Auftrag, „die Zunahme von Hass, Exrremismus und Esinformation“ zu verfolgen und ihr zu begegnen. Es informierte Regierungen, Strafverfolgungsbehörden und Regulierer der sozialen Medien.
Auch Wikipedia kann mit Beam systematisch gesäubert und sauber gehalten werden. ISD und CASM Technology untersuchten mit Beam die englischsprachige Wikipedia-Seite zum russisch-ukrainischen Krieg und fanden Änderungen von 86 Redakteure, die später der Wikipedia verbannt worden waren. Sie verfolgten alle 794.771 Änderungen, die diese 86 Redakteure in der gesamten Wikipedia vorgenommen hatten. Dann nutzten sie die Netzwerkanalyse, um ihnen verdächtige Änderungen auf verwandten Seiten und von mit den Redakteuren in Verbindung stehenden Personen zu identifizieren.
Mehr zu Beam finden Sie im Portrait von CASM Technology
Forum on Information and Democracy
ISD-Gründerin und Vorstandsvorsitzende Sasha Havlicek hat neben dem ISD auch das Forum on Information and Democracy gegründet. Das scheint lediglich ein Name für Ihre Lobby-Initiative zu sein, die wiederum zu zwei Ergebnissen geführt hat. Da ist einerseits die noch harmlose, lose Partnerschaft für Information und Demokratie von 51 Ländern, darunter Deutschland. Diese beruht auf Prinzipien, die die Teilnehmer bei der UN-Vollversammlung im September 2019 unterschrieben. Sie hält die Menschenrecht hoch, „insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung, einschließlich der Freiheit, Informationen und Ideen aller Art über Medien eigener Wahl ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“
Was vielleicht nicht allen Delegierten klar war, die die gut klingenden Prinzipien unterschrieben: Es liegt darunter auch noch eine „Internationale Erklärung über Information und Demokratie„, die ein Jahr zuvor von einer Kommission unter Leitung des Generalsekretärs von Reporter ohne Grenzen verabschiedet worden war. Die Kommission war wiederum vom Forum für Information und Demokratie eingesetzt worden, das Havlicek aus Vertretern von ISD, Reporter ohne Grenzen und neun weiterer Organisationen zusammengestellt hatte.
In der Erklärung werden harmlos-unauffällige erscheinende Begriffe in den Prinzipien, wie z.B. „zuverlässige“ Informationen, mit zensorischem Gehalt aufgeladen und Meinungsfreiheit dadurch fast komplett umdefiniert. Aus dem Recht, sich aus beliebigen Quellen frei zu informieren, wurde das Recht, sich auf die Informationen, die man findet, oder die einem zugetragen werden, blind verlassen zu können. Mit der Folge, dass die Türsteher und Plattformen des Internets aufgefordert werden, dafür zu sorgen, dass nur „verlässliche“ Informationen Reichweite bekommen. Das wiederum reduziert das Recht seine Meinung zu äußern, auf das Recht – bildlich gesprochen – vor leeren Sälen zu sprechen, wenn das, was man zu sagen hat, den Mächtigen nicht genehm ist.
Climate Action Against Disinformation (CAAD)
Unter dem Mantel der von ISD-CEO Sasha Havlicek gegründeten Allianz Climate Action Against Disinformation (CAAD) veröffentlichte ISD verschiedenen Berichte und offene Brief mit Forderungen zur Bekämpfung sogenannter Desinformation in Sachen Klima
Mit einem offenen Brief (Archive.org) vor dem Klimagipfel COP26 im Jahr 2021 an die Gipfelpräsidentschaft und die Tech-Konzerne, den ISD zusammen mit CAN verfasste und den sich CAAD nach Gründung 2022 zu eigen machte, wurden die Regierungen und Plattformen aufgeforderte, mehr Eifer bei der Zensur von Klima-Desinformation zu zeigen. ISD forderte darin eine „universelle Definition von Klima-Desinformation“ und lieferte diese gleich selbst. Es ist demnach ausdrücklich alles Desinformation, was von den Schlussfolgerungen des Weltklimarats IPCC abweicht und nicht auf Linie mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens liegt, was den „unzweifelhaften menschlichen Einfluss auf den Klimawandel“ relativiert und die Notwendigkeit (und Wirksamkeit) schnellen Handelns in Zweifel zieht. Mit anderen Worten: jegliche wissenschaftliche Diskussion über diese Fragen ist Desinformation und deshalb zu unterdrücken.
Den CAAD-Bericht „Deny, Deceive, Delay Vol. 3: Climate Information Integrity ahead of COP28″, veröffentlicht im November 2023 zitierte die Nato als Quelle für die Behauptung, Putin stecke hinter der Klima-Desinformation in westlichen Ländern. Die Autoren sind im Bericht nicht genannt. Beim Vorgängerbericht, Vol. 2 hatte ISD die Feder geführt und CASM Technology mitgewirkt. Laut Jahresbericht von ISD-UK 2023 hatte ISD auch die Federführung bei Band 3.
Business Coucil for Democracy (BC4D)
Gemeinsam mit der Hertie-Stiftung und der Robert-Bosch-Stiftung betreibt ISD den Busines Council for Democracy, trotz des englischen Namens eine rein deutsche Initiative. Weil die liberale Demokratie unter Druck sei, und die „Corona-Pandemie“ offengelegt habe, wie anfällig viele Menschen für Verschwörungserzählungen seien, bietet BC4D Unternehmen kostenlose Schulungen für Arbeitnehmer am Arbeitsplatz „über die Ausbreitung von Hassrede, gezielter Desinformation und Verschwörungserzählungen“ an, in denen sie erführen, was sie dagegen tun könnten.Gruppen von jeweils 20 Beschäftigten werden von professionellen Trainern darin geschult, „Verschwörungserzählungen und Desinformation zu erkennen und zu hinterfragen“ und verdächtige Quellen als solche zu erkennen.
Viele große Unternehmen und Verbände haben das Angebot angenommen, darunter Airbus, Bayer,BDA, Bertelsmann Stiftung, Boehringer Ingelheim, Bosch, Charité, DB, Deutsche Bank, Telekom, Edeka, Evonik, Hochtief, Lufthansa, Merzedes-Benz, Otto, RKI, Roche, SAP, Schäeffler, Verdi, und VW. Insgesamt sind es über 80 „Netzwerkmitglieder“.
Während die Demovideos sich auf offensichtlich alberne Verschwörungstheorien und Beispiele von krimineller Hassrede beschränken, lässt die Erfahrung mit ähnlichen Projekten vermuten, dass auch hier scharfe, grundsätzliche Regierungskritik als Verschwörungsglaube und Hassredee diskreditiert werden sollen. Das Vorgehen in einem Verwandten ISD-Projekt, das im nächsten Absatz beschrieben wird, nährt diesen Verdacht.
Coalition to Counter Online Antisemitism (CCOA)
Das von Google finanzierte Projekt CCOA des ISD startete 2023 und soll in der Pilotphase Online-Antismeitismus in Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und Schweden begegnen.
Ausgangspunkt ist eine windige ISD-Analyse, im Auftrag und bezahlt von der EU-Kommission, die von 2020 auf 2021 Covid-bedingt eine Versiebenfachung von antisemitischen Inhalten auf Twitter, Fabebook und Telegram und eine Verdreizenfachung in Deutschland feststellte.Um auf diese unglaublichen Steigerungsraten zu kommen, war allerdings ein Trick nötig. ISD behauptet im „Executive Summary“, die (ziemlich vernünftige und weithin verwendete) Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaus Remembrance Alliance (IHRA) verwendet zu haben. Nur wenn man die ganze Studie liest, erfährt man, dass ISD diese Definition tatsächlich um Covid-bezogen Sachverhalte ergänzt hat, die die ISD-Analysten mit gewagter Argumentationsakrobatik als antisemitisch einstufen.
Dazu zählt etwa das Reden oder Schreiben von einer „Neuen Weltordnung“, etwa im Zusammenhang mit dem vom Weltwirtschaftsforum ausgerufenen „Great Reset“ und Kritik an Eliten, die die Finanzinstitutionen kontrollieren, auch wenn diese gänzlich ohne Bezug zu Juden und dem Judentum auskommen. Denn, so die Argumentation, das könne ein Narrativ etablieren, das einen Nährboden für Antisemitismus bilden könne. Auch wer die Ausgrenzung und Verächtlichmachung von Ungeimpften im Sinne von „Wehret den Anfängen“ mit der Behandlung von Juden in Nazi-Deutschland in der Frühphase der Verfolgung vergleich, macht sich danach des Antisemitismus schuldig. So kommt man dann auf eine Verdreizehnfachung antsisemitischer Inhalte in einem Jahr.
Und in der Konsequenz kann man dann später dafür sorgen (lassen), dass die regierungskritischen Texte und Videos, die man mit dem Schnüffelprogramm Beam aufgefunden und mit solch windigen Definitionen als antisemitisch klassifiziert hat, von den Medienplattformen gesperrt oder ausgebremst werden.
Die Empfehlungen an den Auftraggeber EU-Kommission und die nationalen Regierungen, die ISD in dem Bericht ableitete, lauteten, mit Gesetzesinitiativen wie dem Digitale Dienste Gesetz der EU unbedingt fortzufahren. Darüber hinaus soll die EU zur Bekämpfung von legalen, aber schädlichen Inhalten, von den rein Inhalte-basierten Ansätzen auf breitere, systemische Regulierung übergehen. Damit meint ISD offenkundig die von dem Institut auf vielerlei Weise propagierte staatliche Einflussna Zudem förderte das Auswärtige Amtme auf die Algorithmen, die bestimmen, was Plattform-Nutzer zu sehen bekommen und was nicht. Die ISD-Sprachregelungen von den schädlichen Inhalten, die nicht illegal sein müssen, hat die EU in das Digitale-Dienste-Gesetz einfließen lassen.
Applebaum-Bericht zur Bundestagswahl 2017
Im Dezember 2017 veröffentlichte das ISD eine von den Open Society Foundations des US-Oligarchen George Soros finanzierte Studie zur Einflussnahme der Alt-Right-Bewegung in den USA und des Kreml dem auf die Bundestagswahlen 2017, geschrieben von Anne Applebaum und Ko-Autoren vom ISD. In einem Gastbeitrag in der Welt mit dem Titel „Wie der Kreml die deutsche Demokratie destabilisiert“ fasste Applebaum das Ergebnis so zusammen: „Die russischen Staatsmedien unterstützen Bewegungen auf der extremen Linken und der extremen Rechten gegen das deutsche „Establishment“. Im Gegenzug unterstützen diese die Agenda Moskaus.“ Gemeint waren vor allem AfD und die Linke.
Forderungen an die deutsche Regierung und die Regierungsparteien lauteten, transnationale Recherchenetzwerke zu unterstützen, die die Netzwerke der extremen Rechten unter die Lupe nehmen und mit Parteien in anderen Ländern zusammenzuarbeiten, um die linke und rechte Konkurrenz als fünfte Kolonne Moskaus zu diskreditieren. Der Europäische Auswärtige Dienst mit seiner Abteilung für strategische Kommunikation (EastStratCom) sollte außerdem verstärkt unterstützt werden.
Innovationsfonds Impact Challenge on Safety
Kooperationen mit Google und Youtube
2018 startete eine Kooperation mit Google und Youtube. mit verschiedenen Programmen zunächst für UK, dann für Europa.
Das Programm Be Online Citizens stellt Ausbildungsmaterial zum Umgang mit sozialen Medien für Jugendliche bereit, insbesondere zum Umgang mit (angeblicher) Desinformation und Hassrede. Lehrer werden zur Nutzung des Materials ausgebildet. Das Programm wurde akkreditiert und wird inzwischen an vielen Schulen eingesetzt.
Der Google.org and ISD Innovation Fund verteilte 2017/18 eine Million Pfund an Zuschüssen an Organisationen, die sich gegen Desinformation und Hass im Internet wenden. Dem folgte 2019/20 ein mit zehn Millionen Euro ausgestattetes Programm namens Google.org Impact Challenge on Safety, mit dem in Europa entsprechende Organisationen gesponsert wurden.
Als Vertrauenswürdiger Hinweisgeber im Youtube Priority Flagger Programm, kann ISD der Organisation Influence Watch zufolge Äußerungen zur Sperrung und Löschung vorschlagen und wird dabei ebenso prioritär behandelt wie Regierungen.
Seit 2022 ist ISD Mitglied im Spotify Safety Advisory Council.
Online Civil Courage Initiative (OCCI) mit Facebook
Im Jahr 2016 gründeten die ISD und Facebook die Initiative für Online-Zivilcourage als „erste strategische nichtstaatliche Initiative, die europaweit eine angemessene Reaktion auf Hass, Gewalt und Terrorismus im Internet ermöglicht. Die OCCI bündelt Fachwissen aus den Bereichen Technologie, Kommunikation, Marketing und Wissenschaft, um die zivilgesellschaftliche Reaktion auf Hass und Extremismus im Internet zu schulen und zu verbessern.“
Mit Insight Reports von ISD werden die teilnehmenden „Nichtregierungsorganisationen“ mit Informationen „über extremistische Propaganda, Narrative und Netzwerke“ versorgt, damit sie effektive Kampagnen dagegen fahren können. Dafür werden sie mit Zuschüssen und mitgelieferten Handlungsanweisungen unterstützt, sowie durch Zuarbeit beteiligter Werbeagenturen.
Stand 10. 03. 2025