Die Büchereizentrale definiert „Medien an den Rändern“ folgendermaßen:
„Bei „Medien an den Rändern“ handelt es sich in erster Linie um Titel, deren Erwerbung umstritten sind oder sein könnten, da sie aufgrund von Thema, Form, Autor*in oder geäußerter Position kontrovers sind. Kontrovers bedeutet, dass sie starke Gefühle hervorrufen und zu widersprüchlichen Meinungen in den Gemeinschaften und in der Gesellschaft führen. In diesem Webinar vermitteln wir einen Werkzeugkoffer im Umgang mit kontroversen Medien und diskutieren Lösungsansätze.“ (Grammatikfehler im Orginal.)
Was starke Gefühle hervorruft und widersprüchliche Meinungen in der Gesellschaft aktiviert, ist also ein Problem, das studierte Zensoren oder Volkserzieher auf den Plan rufen muss. Man fragt sich, was für ein Demokratieverständnis in dieser von Kommunen und Land finanzierten gemeinnützigen Einrichtung vorherrscht.
Die zwei Referenten, die den Teilnehmern den richtigen Umgang mit solch problematischer Literatur beibringen sollen, Annette Fichtner und Tobias Weiß, sind Mitglieder der Arbeitsgruppe „Medien an den Rändern“ des Berufsverbands Information Bibliothek (BIB), auch wenn Weiß auf der offenbar veralteten Netzseite der Arbeitsgruppe nicht aufgeführt ist. Wie erkennt man ideologisch unzuverlässige Verlage? Was ist die richtige Haltung im Bestandsmanagement? Mit welchen Mitteln und Worten erkläre ich den Lesern am besten, dass sie nicht glauben sollen, was sie in einem Buch lesen, dessen Weltanschauung mir nicht gefällt? Solche und ähnliche brennende Fragen werden den Teilnehmern in der dreistündigen Zoom-Konferenz im Mai beantwortet, wobei die Formulierungen in der Ankündigung etwas andere sind.
Das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, geleitet von Falko Mohrs (SPD), wird als Förderer der Veranstaltung aufgeführt.
Im Bestreben, den Bibliotheken zu helfen, nur „geprüfte Informationen und weltanschaulich vertretbare Inhalte“ anzubieten, scheut die BIB-Arbeitsgruppe – wie berichtet – nicht davor zurück, angehende Bibliothekare ohne Fachkenntnis ein Buch von zwei Professoren rezensieren und vor dessen Anschaffung warnen zu lassen, weil die breite Bevölkerung ihr Vertrauen in die Autor:innen als promovierte Wissenschaftler:innen“ setzen könnte, es sich aber „um eine kritische Abhandlung“ handle. Die BIB-Arbeitsgruppe setzt „rechts“ mit rechtsradikal und problematisch gleich, während sie mit Linksradikalität keinerlei Problem erkennt. Jedenfalls äußert sie sich nirgends dazu.
Resümee
Öffentlich finanzierte Bibliotheken sind in besonderem Maße dem Grundsatz der politischen Neutralität und der Meinungs- und Informationsfreiheit verpflichtet. Angeblich gemeinnützigen Vereinen, Verbänden und Bibliotheken, die stattdessen meinen, sie dürften mit öffentlichem Geld dem Bibliothekspublikum eine unter ihnen vorherrschende Weltanschauung oder einen ihnen zusagenden „wissenschaftlichen Konsens“ aufdrängen, sollten die Mittel gestrichen oder gekürzt werden. Vorher sollte man es natürlich mit einem strengen Wort oder notfalls dem Austausch von Führungspersonen versuchen. Entscheidend für die Anschaffung von Büchern müssen Publikumsinteresse und Relevanz der Titel sein, nicht wie gut sie mit einer bestimmten Weltanschauung harmonieren.
Meine Empfehlung an Träger von Bibliotheken, die die Einhaltung der Neutralitätsverpflichtung prüfen wollen: Fragen sie nach den Kriterien für die Anschaffung von politischen Büchern (im weiteren Sinne). Prüfen sie, welche Titel von den Sachbuch-Bestsellerlisten der letzten Jahre nicht im Bestand sind und suchen sie in der sich ergebenden Liste nach Gemeinsamkeiten dieser fehlenden Bücher. Sollte der Bestand an halbwegs anspruchsvollen Sachbüchern zu gering sein, könnte auch das Anzeichen einer Fehlsteuerung sein.
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