„Geld und mehr“ ist nicht im Ranking vertreten, was nicht an fehlender oder nicht hinreichend niedriger Glaubwürdigkeit liegt, sondern daran, dass die Reichweite mit den großen Portalen nicht mithalten kann. Es geht nämlich anders als in der Überschrift des BR suggeriert nicht um die „(un)glaubwürdigsten Websites 2022“, sondern um die reichweitenstärksten glaubwürdigen und unglaubwürdigen Websites.
So erklärt sich auch, dass die Boulevardmedien TZ, Web.de und GMX.net unter den „glaubwürdigsten“ Websites zu finden sind.
Nichts über News Guards Geschäftsmodell
Ungenauigkeit in der Überschrift ist manchmal unvermeidlich und meist verzeihlich. Unverzeihlich ist dagegen, dass der BR in einem langen Beitrag über ein derart ehrenrühriges Ranking außer dem Namen News Guard absolut nichts über den Ersteller des Rankings verlauten lässt. Das ist entweder ausgesprochen schlechter oder absichtlich irreführender Journalismus.
News Guard ist eine von ehemaligen Herausgebern und Chefredakteuren von Wall Street Journal, Reuters, AP und Chicago Tribune 2018 gegründete und geleitete US-Organisation, die Negativlisten vermeintlich unzuverlässiger Netzseiten erstellt. Es ist also das Who is Who der Mainstream Presse, das hinter News Guard steht. Entsprechend werden alle hinreichend zahmen Mainstream Medien als vertrauenswürdig eingestuft, egal wie viel (unpolitische) Falschmeldungen sie zum Beispiel als Boulevard-Medien in die Welt setzen. „Unzuverlässig“ dagegen ist für News Guard ein Synonym für „regierungskritisch“. Ostdeutsche über 40 kennen diesen Jargon noch von der SED.
Zahlende Kunden von News Guard sind aber nicht interessierte Nutzer von Nachrichtenseiten. Diese interessieren sich sehr wenig für die Listen des Unternehmens. Kunden sind vielmehr Regierungen und Organisationen wie die WHO, denen News Guard bei der Zensur und Kontrolle der sozialen Medien hilft. News Guard stellt der WHO eine Liste der einflussreichsten Verbreiter von Informationen zur Verfügung, die nicht mit dem offiziellen Narrativ übereinstimmen, und die WHO weist die Social-Media-Plattformen an, sich die Liste anzusehen und etwas dagegen zu unternehmen, d.h. die Konten der betreffenden Nachrichtenseiten zu löschen, das Teilen ihrer Geschichten zu blockieren oder heimlich zu begrenzen (Shadow Banning), sie schlechter auffindbar zu machen oder andere Maßnahmen zu ergreifen.
Werbetreibende, die unter Druck stehen, nicht bei oppositionellen Medien zu werben, können bei News Guard ebensfalls die Listen erwerben, um zu erfahren, wer zu boykottieren ist.
Interessante Negativliste
Die Liste der einflussreichsten unglaubwürdigen Websites enthält einiges Interessantes. Etwa dass RT Deutsch trotz eines Verbots die zweiteinflussreichste unter den nicht regierungskonformen Netzseiten ist. Nummer eins ist Epoch Times, Nummer drei Achgut.com. Das ist, auch wenn es so aussieht, keine Leseempfehlung, denn mir persönlich ist Achgut zu rechts und manchmal unfair verunglimpfend, Epoch Times zu sektiererisch, auch wenn dort oft Informationen gebracht werden, die man anderswo nicht findet. Rubikon News ist auf Platz 9 die höchstplatzierte Netzseite mit linker Ausrichtung.
Ich finde es ausgesprochen bedenklich, dass im linken Spektrum kritisches Denken offenbar so viel weniger verbreitet ist als im rechten, dass die Liste der zehn einflussreichsten kritischen Netzseiten nur eine einzige aus dem linken Spektrum enthält. Das war im 20. Jahrhundert noch anders. Offenbar haben Jahrzehnte des Einlullens mit pseudoprogressiven und woken Sprüchen ihre Wirkung nicht verfehlt.
Nachtrag (16:45): Verräterischer Beirat
Eine Bericht des Magazins c’t über News Guard von 2019, also aus der Frühzeit des zwielichtigen Zensur-Unternehmens, bemerkt darüber hinaus:
„Die politische Ausrichtung von NewsGuard spiegelt sich in dessen Advisory Board wider. Hier finden sich illustre Leute wie der ehemalige NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der frühere CIA-Direktor und einstige NSA-Chef General Michael Hayden, George W. Bushs Homeland-Security-Minister Tom Ridge sowie Elise Jordan, ehemalige Redenschreiberin von Condoleezza Rice – Personen, die bislang nicht als journalistische Tugendwächter aufgefallen sind, sondern als Spezialisten für militärische Aufgaben und die nationale Sicherheit der USA“
Heute findet man im Advisory Council (Beirat) des Unternehmens u.a.:
- General Michael Hayden, ehem. Direktor der CIA, ehem. Direktor der National Security Agency und ehem. Principal Deputy Director of National Intelligence unter US-Präsident George W. Bush,
- Elise Jordan, politische Analystin für NBC und ehemalige Redenschreiberin für US-Außenministerin Condoleezza Rice,
- Don Baer, White House Communications Director unter US-Präsident Bill Clinton,
- Arne Duncan, Bildungsminister unter US-Präsident Barack Obama,
- Alina Fichter, ehemaliges Mitglied der Chefredaktion von ZEIT Online, ehemalige John S. Knight Fellow für Medieninnovation in Stanford.
Zum Vorstand (Board of Directors) gehört nben den Gründern Steven Brill und Gordon Crovitz, sowie der schon erwähnten Rice-Redenschreiberin Elise Jordan auch Steve King, Chief Operating Officer der Publicis Groupe, einer international führenden PR-Agentur, die sehr viel Geschäft mit Regierungen und internationalen Organisationen macht. Publicis ist einer der größten externen Geldgeber von News Guard.
Man sieht: News Guard ist so ziemlich das letzte Unternehmen, dem man zutrauen sollte, einigermaßen objektiv zu beurteilen, ob regierungskritische Nachrichten-Websites glaubwürdig sind.
Nachtrag (31.12.): Spiegel begräbt Berichtigung in Silvesterloch
Die laut News Guard / BR glaubwürdigste Website Deutschlands, Spiegel-Online, wo man viele schön erfundene Reportagen des preisgekrönten Autors Relotius lesen durfte, begrub nur zwei Tage nach dem Bericht des BR über die Auszeichnung eine Richtigstellung zu einer Reihe von Berichten über den Tod eines erfundenen Flüchtlingsmädchens im Aufmerksamkeitsloch des Freitagabend vor Silvester.