Am 10. März hatte ich geschrieben, dass Deutschlands marktbeherrschende Nachrichtenagentur „das Staatsgeld leugnet, das ihre Unabhängigkeit untergräbt“. Im Bericht der Faktenchecker-Zertifizierungsstellen IFCN zu dpa heißt es nämlich, auf Basis von dpa-Angaben:
„Die dpa ist eine unabhängige und zu 100 Prozent privatwirtschaftlich organisierte Nachrichtenagentur, die sich seit ihrer Gründung im Jahr 1949 vollständig auf dem freien Markt finanziert. Wir erhalten keine Finanzierung oder Unterstützung von Staat, Politikern oder Parteien.“
Auf der Netzseite der dpa-Faktenchecker heißt es:
„dpa erhält keine staatlichen Subventionen oder sonstige finanziellen Zuwendungen. Sämtliche Einnahmen werden auf dem freien Markt erwirtschaftet.“
Tatsächlich erhält die dpa sehr wohl Zuwendungen vom Staat in Millionenhöhe. Es gibt staatliche Zuwendungen für von dpa ausgeführte Projekte. Das sind Gelder, die nach gängigem Verständnis nicht als „auf dem freien Markt erwirtschaftet“ gelten können.
dpa geht in Vorwärtsverteidigung
Inzwischen findet sich auf der Netzseite der dpa eine ausführliche Stellungnahme zu dem Vorwurf, die Agentur sei „staatsfinanziert“, nicht allerdings zu dem kaum zu widerlegenden Vorwurf der Lüge über den Sachverhalt. Auf meine Bitten um Stellungnahme vor Veröffentlichung meines Berichts vom 13. März hatte die dpa nicht reagiert.
Die Agentur schreibt nun unter dem Schlagwort „regierungsfinanziert?“:
„Immer wieder wird Kritik mit Narrativen vermischt, denen wir ausdrücklich entgegentreten, weil sie falsch sind. Dazu zählt vor allem der Vorwurf, die dpa sei „regierungsfinanziert“ oder „staatsfinanziert“. (…) Finanzielle Zuwendungen von staatlichen Stellen, Unternehmen und Privatpersonen lehnt die dpa ab. Lediglich projektgebundene Förderungen nimmt die Agentur in einigen wenigen ausgesuchten Fällen und nur nach sorgfältiger Prüfung an.“
Man muss der Presseabteilung der dpa zugestehen, dass sie mit diesen Formulierungen gute Arbeit gemacht hat. Das Statement klingt überzeugend, bis man es sich ganz genau anschaut. In Vorwärtsverteidigung werden die Kritiker der Falschdarstellung beschuldigt und die eigene Lüge dabei unter den Teppich gekehrt. Ja, sie wird sogar wiederholt: Man nehme keine finanziellen Zuwendungen von staatlichen Stellen an. Dabei wird gleich danach eingeräumt, dass der Vorwurf stimmt, dass man, entgegen der gerade getroffenen Behauptung, Zuwendungen vom Staat annimmt, nämlich „projektgebundene Förderungen“. Letzteres entspricht exakt einer gängigen Definition von staatlicher Zuwendung, nämlich freiwillige, zweckgebundene Leistungen an Externe, „wenn der Bund ein Interesse daran hat, bestimmte … Projekte zu fördern“.
Die Verteidigungslinie läuft im Kern darauf hinaus, dass es zwar stimmt, aber nicht so viel sei und damit nicht so schlimm.
„Das Volumen der projektgebundenen Förderungen betrug von 2021 bis Ende 2024 rund 2,3 Millionen Euro. In diesem Zeitraum hat die dpa-Gruppe insgesamt einen Umsatz von rund 650 Millionen Euro erwirtschaftet. Der Anteil der Förderungen beträgt damit nur 0,35 Prozent am Geschäftsvolumen.“
Doch selbst das stimmt nicht. Die dpa vergleicht hier die staatliche Finanzierung der dpa-Faktenchecker und von deren unmittelbarem Umfeld mit dem Umsatz der gesamten dpa-Gruppe. Das ist ein unredlicher Vergleich. Die staatlichen Zuwendungen machen mutmaßlich einen sehr großen Anteil des Budgets der Faktenchecker aus. Und die dpa-Faktenchecker, mit ihrer vielfach dokumentierten (siehe Anhang), übergroßen Neigung, allein die regierungsamtliche Sichtweise als die Wahrheit zu akzeptieren, sind in Hinsicht (fehlender) Unabhängigkeit ein besonders fragwürdiger Unternehmensteil.
Ich gelobe allerdings Besserung dahingehend, dass ich künftig nicht mehr von der „staatsfinanzierten Nachrichtenagentur dpa“ schreiben werde, sondern präziser von „den staatsfinanzierten Wahrheitsprüfern der dpa“.
Nicht erwähnt und aufgelistet werden im Gegenangriff der dpa die Zahlungen von der EU in unbekannter Höhe, vor allem für die Deutsch-österreichische Digitalmedien-Beobachtungsstelle GADMO, an der die dpa-Faktenchecker maßgeblich beteiligt sind. Insofern ist das Volumen der öffentlichen Zuwendungen mit 2,3 Mio. Euro zu niedrig angegeben.
Die sogenannten Faktenchecker der dpa behaupten ungeniert weiterhin unverändert auf der eigenen Netzseite unter dem Stichwort „Aufbau und redaktionelle Grundsätze der dpa“:
„dpa erhält keine staatlichen Subventionen oder sonstige finanziellen Zuwendungen. Sämtliche Einnahmen werden auf dem freien Markt erwirtschaftet.“
Hartnäckige Verbreitung von Falschaussagen, ausgerechnet durch die selbsternannten Wahrheitskontrolleure! Das hat was.
Wahrheitskontrolle ist keine Zensur
Unter der Überschrift „Ist Faktencheck Zensur?“ erklärt dpa außerdem, dass das, was die eigene Faktencheck-Redaktion macht, nichts mit Zensur zu tun habe. Man gäbe, im Gegenteil, den Menschen die Gelegenheit, sich zu informieren und sich ihre Meinung auf Basis von Tatsachen zu bilden, schreibt die dpa und ergänzt: „und zwar auch dann, wenn sie etablierte Medien nicht mehr gezielt konsumieren, sondern vor allem das lesen, was in ihren Social-Media-Timelines landet. “ Sprich: Menschen die völlig das Vertrauen in die Mainstream-Medien verloren haben, werden von einer Spitzeninstanz der Mainstream-Medien, der marktbeherrschenden Nachrichtenagentur, zwangsweise mit Warnhinweisen versorgt, die das diskreditieren sollen, was sie stattdessen lesen. Denn, wie dpa erklärt:
„Die dpa ist im Faktencheck-Bereich für mehrere soziale Netzwerke aktiv. Zu diesen Kooperationen gehört Monitoring, also das Identifizieren und Prüfen möglicher Falschbehauptungen, ebenso wie das Abgeben von Bewertungen.“
Die Plattformen bezahlen dpa aber keineswegs freiwillig für diese Dienstleistung. Sie werden durch Gesetze wie das Digitale-Dienste-Gesetz und durch erzwungene Wohlverhaltenskodizes dazu genötigt. Als Facebook-Chef Mark Zuckerberg im Januar ankündigte, die Verträge mit Wahrheitskontrolleuren in den USA zu kündigen, wurden ihm von Deutschlands oberstem Zensurbeauftragten, dem Chef der Bundesnetzagentur, große Schwierigkeiten angedroht, wenn er dasselbe auch in Europa wagen sollte.
Als gäbe es diesen Zusammenhang nicht, heuchelt dpa:
„Was die Plattformen mit den Ergebnissen der Faktenchecks anfangen – ob sie Inhalte labeln, per Algorithmus ausbremsen oder auch löschen, entscheiden sie selbst.“
Hier gibt die dpa indirekt zu, dass sie weiter oben durch Auslassung gelogen hat, als sie so tat, als würden ihre Wahrheitsprüfer nur für das „labeln“ von Inhalten sorgen, also das Hinzufügen von Warnhinweisen oder Kontext.
Die Behauptung ist noch wegen einer weiteren Auslassung unehrlich und täuschend. dpa ist wichtiger Teil des Netzwerks der von der EU eingerichteten und bezahlten European-Digital-Media-Observatories (EDMO). Dieses ist von der EU-Kommission beauftragt zu bewerten, wie gut die digitalen Medienplattformen ihren Verpflichtungen zur (zensorischen) Inhalte-„Moderation“ nachkommen. Was liegt da für die Plattformen mehr auf der Hand, als willfährig die von den dpa-Wahrheitsprüfern monierten Beiträge auszubremsen, mit Warnhinweisen zu versehen, oder ganz zu löschen, damit sie keinen schlechten Bericht von EDMO und dann teuren Ärger mit der EU-Kommission bekommen.
Da wirkt es wie Hohn, wenn dpa behauptet:
„Faktencheck hat daher nichts mit Zensur zu tun, im Gegenteil: Ein Faktencheck fügt einer Behauptung faktenbasierten Kontext hinzu, um Menschen die freie Meinungsbildung zu ermöglichen und vor Desinformation zu schützen.“
Die indische Regierung führt übrigens in einem Streit mit der Plattform X das gleiche Argument, es sei doch keine Zensur, sondern nur ein freundlicher Hinweis, wenn Regierungsbeamte über einen eigens dafür eingerichteten Kommunikationsweg auf „schädliche“ Beiträge hinweisen, die auf der Plattform (noch) zu finden sind. Den äußerst dehnbaren Begriff „schädlich“, statt z.B. rechtswidrig, hat man sich in Indien offenbar von der EU abgeschaut, die ihn im Digitale-Dienste-Gesetz verwendet. Diese speziellen Meldekanäle für staatliche „Hinweisgeber“ gibt es übrigens nicht nur für Indien und nicht nur bei X.