CORRECTIV hat schon einige verdienstvolle investigative Geschichten veröffentlicht. Auch viele Faktenchecks sind in Ordnung. Es gibt viele Beispiele, da zeigt CORRECTIV zum Beispiel, dass in einem Video die Aussage gar nicht getan wurde, aus der jemand in den sozialen Medien einen Skandal macht. Oder sie zeigen, dass es in einem ganz anderen Zusammenhang und mit anderer Bedeutung gesagt wurde.
Aber ihre wahren Farben zeigen Anti-Journalisten, wenn es schwierig wird, wenn es darum geht, bestimmte unerwünschte Interpretationen von Fakten oder Meinungen zu diskreditieren, weil sie im Netz eine große Verbreitung finden.
Das wäre nicht schlimm, wenn es nur darum ginge, einer extremen Sichtweise oder Interpretation eine andere entgegenzusetzen. Aber was CORRECTIV macht, hat eine ganz andere, finstere Qualität. Die Betreiber von sozialen Medienplattformen, insbesondere Facebook, stehen unter Druck der Regierenden, kritische Meinungen und alternative Fakten zu unterdrücken. CORRECTIV lässt sich von Facebook dafür bezahlen, unerwünschte Beiträge mit einem Negativstempel zu versehen. Dieser Negativstempel bewirkt, dass ein Beitrag auf undurchsichtige Weise zensiert wird, indem die Betreiber der großen sozialen Medien dafür sorgen, dass er weniger Verbreitung findet. Das ist eine ziemlich effektive Art der Zensur.
Ein Hinweis vorab: Ich habe die in den beiden folgenden Beispielen „geprüften“ Videos absichtlich nicht angesehen, sondern stütze mich allein auf die Darstellung von deren Aussagen durch CORRECTIV.
Beispiel 1: R und der Lockdown
In einem „Faktencheck“ vom 22.4. setzt sich CORRECTIV mit einem Video eines neoliberalen Ökonomieprofessors auseinander, der darin sagt, der Lockdown sei nicht nötig gewesen, weil die Reproduktionszahl R (wie viele Menschen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt), schon vor dem Lockdown-Datum des 23. März unter eins gesunken sei.
Die „Wahrheit“ stellt CORRECTIV fest mittels:
- einer E-Mail Anfrage an das Robert-Koch-Institut (RKI),
- Exegese einer Pressekonferenz des RKI,
- Lektüre eines Aufsatzes des RKI.
Die Wahrheit darüber, ob eine Kritik an einer Maßnahme der Regierung berechtigt ist, wird ausschließlich dadurch geprüft, dass man eine Behörde, die dieser Regierung untersteht, fragt, ob die Kritik berechtigt ist, und indem man Verlautbarungen dieser Behörde weitergibt.
Wenn man das nicht „Anti-Journalismus“ nennen will, kommt noch „Embedded Journalism“ in Frage, oder weniger elegant: „ausgelagerte Pressestelle der Regierung“.
Bevor wir näher auf das Inhaltliche eingehen, schauen wir, wie CORRECTIV bei der Wahrheitsfindung in Beispiel 2 vorgeht.
Beispiel 2: Gates und die Impfungen
Ein Arzt behauptet, Bill Gates habe in einem Interview von 700.000 Impfschäden durch eine Corona-Schutzimpfung gesprochen und eine Impfaktion der Gates Stiftung in Indien sei für 490.000 Gelähmte dort verantwortlich.
Die Wahrheit stellt das CORRECTIV-Team im „Faktencheck“ vom 20. 05. 2020 fest:
- durch eine gewagte Interpretation dessen was Gates in dem Video sagt,
- indem es per E-Mail die Weltgesundheitsorganisation fragt, ob es stimmt, dass deren größte Geldgeberin für über 490.000 Gelähmte in Indien verantwortlich ist,
- indem es Inhalt und Charakter der wissenschaftlichen Quelle der untersuchten Behauptung arglistig völlig falsch referiert.
Schauen wir uns den „Faktencheck“ zu Beispiel 2 inhaltlich näher an.
Hat Gates 700.000 Impfschäden einer künftigen Corona-Impfung prognostiziert?
Die „Faktenchecker“ zitieren zu den angeblich von Gates „zugegebenen“ 700.000 Impfschäden aus dem Interview-Video:
„… wenn wir eine von 10.000 Nebenwirkungen haben, sind das weit mehr, 700.000 Menschen, die darunter [weltweit] leiden werden.
Dann wird auch noch brav die nachfolgende Aussage von Gates zitiert:
„In die eigentliche Entscheidung ‘OK, lasst uns diesen Impfstoff der ganzen Welt verabreichen’ müssen die Regierungen mit einbezogen werden, denn es werden einige Risiken und Absicherungen nötig sein, bevor darüber entschieden werden kann“ (Minute 03:27).
Daraus schlussfolgert CORRECTIV:
„Gates spricht also tatsächlich hypothetisch von 700.000 Menschen, die unter Nebenwirkungen leiden könnten. Es ging ihm allerdings nicht um einen Fakt oder eine Vorhersage, sondern darum, zu zeigen, dass ein Impfstoff gegen Covid-19 möglichst für niemanden Nebenwirkungen haben sollte. Insofern ist es irreführend, daraus zu schlussfolgern, er habe „zugegeben“, mit 700.000 Impfschäden zu rechnen.
Es gibt zwar tatsächlich ein (kaum hörbares) „if“ (wenn) am Anfang des ersten Zitats, was für sich die Interpretation von CORRECTIV stützen könnte, dass Gates gerade keine Impfschäden akzeptieren möchte und deshalb mit der Impfung nicht loslegen kann, solange Impfschäden zu befürchten sind. Dagegen spricht aber zweierlei.
Der Satz ist im Indikativ formuliert, nicht im Konjunktiv („Nebenwirkungen haben“ / „darunter leiden werden“). Das spricht dafür, dass der Satz als Annahme gemeint ist, im Sinne von „Nehmen wir an, wir haben eine Person in 10.000 Impfschäden“. Das wäre nach Expertenauskunft eine realistische, wenn auch eher niedrige Annahme.
Dass Gates dann fortfährt damit, dass man (wegen der zu erwartenden Impfschäden) die Regierungen in die Entscheidung mit einbeziehen müsse, ob man den Impfstoff der ganzen Welt verabreichen will, stützt die Interpretation des Kritikers, dass Gates mit vielen Impfschäden rechnet. Alles andere wäre ja auch lebensfremd. Impfschäden gibt es nun einmal. Wenn man sieben Milliarden Menschen impfen will, wie Gates, werden es viele sein. Das ist unvermeidlich. Das kann man nicht wegzensieren, auch CORRECTIV nicht.
Ein Amerikanisch-Muttesprachler und ein Übersetzer sagen mir übereinstimmend, dass man bei dem Wort Indemnifikation, das Gates benutzt, in diesem Zusammenhang zuerst an Haftungsauschluss denken würde. „Absicherungen“ wäre dann ein etwas schwaches Wort. Die Bedeutung von Schadensersatz (für etwaige Opfer) wäre aber auch möglich. Beide Möglichkeiten stützen die These, dass Gates mit vielen Impfschäden rechnet und sprechen gegen die CORRECTIV-These, dass Gates nach Möglichkeit erst impfen will, wenn dass für niemanden Nebenwirkungen haben würde.
Gates redet in dem Interview alles andere als druckreif. Deshalb ist es schwer, verlässlich festzustellen, was er mit dem Gesagten ausdrücken will. Verschieden Interpretationen sind vertretbar. Bestenfalls setzt CORRECTIV also der plausiblen Interpretation von Gates Zitaten des Kritikers eine eigene, gewagte, aber vielleicht gerade noch vertretbare Interpretation entgegen.
Auf dieser Basis einen Zensurstempel zu vergeben, ist eine Sauerei.
Ist die Gates Stiftung für 490.000 Gelähmte in Indien verantwortlich?
Was die Gelähmten in Indien angeht, so beschreiben die „Faktenchecker“zunächst die Basis des Vorwurfs. In den Jahren nach einer sehr groß angelegten mehrjährigen Impfkampagne in Indien gab es sehr viele Fälle von polioartigen Lähmungen, wie sie nach Polio-Impfungen aber auch aus anderen Gründen auftreten können. Die Erläuterung von CORRECTIV dazu ist soweit in Ordnung:
„In seltenen Fällen könne es jedoch dazu kommen, dass das Impfstoff-Virus, das in abgeschwächter Form in oralen Impfstoffen vorhanden ist, selbst Lähmungen auslöst, erklärt die WHO. Die Viren würden von den geimpften Menschen ausgeschieden – und wenn sie in Gemeinschaften ohne Immunität zirkulieren, können sie mutieren und zur Gefahr werden. Man spricht dann von „circulating vaccine-derived poliovirus (cVDPV)“.
Das wird dann aber als extrem seltenes Phänomen dargestellt, und zwar allein auf Basis einer Aussage der von der Gates Stiftung maßgeblich finanzierten Polio Eradication Initiative. Das mag eine sehr ehrenhafte Organisation sein. Aber, dass sie in dieser Frage einen doppelten Interessenkonflikt hat, der sie als neutralen Faktenfeststeller disqualifiziert, jedenfalls als alleinigen, ist offensichtlich.
Als wahrscheinliche Basis für die Kritik wird (wohl zu Recht) auf eine wissenschaftliche Studie auf dem Jahr 2018 verwiesen. Darin werde ausgeführt, dass es zwischen 2000 und 2017 bei 640.000 Kindern Lähmungen ohne Nachweis von Polio (Nonpolio Acute Flaccid Paralysis, NPAFP) gegeben habe, 491.000 mehr als normalerweise zu erwarten gewesen wäre.
Was dann kommt, ist wieder richtig übel – übel im Sinne von Lüge und Täuschung der Leser:
„Sie spekulieren, ob es einen Zusammenhang mit den oralen Polio-Impfstoffen geben könnte, da die NPAFP-Zahlen seit 2012 wieder gesunken seien – parallel zu einer Reduzierung der Impfungen. Für diese Hypothese liefern die Autoren jedoch keinerlei Nachweis. Man kann die 491.000 Fälle also nicht einfach Impfungen zuschreiben.
Es handelt sich um eine von Gutachtern geprüfte wissenschaftliche Studie, die in einer respektablen wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht wurde. Die Autoren überprüfen und setzen eine schon früher veröffentlichte Studie fort, die vorher schon die NPAFP-Fälle mit den Impfungen in Verbindung gebracht hatte. Sie tun das, indem sie den Beobachtungszeitraum verlängern, sodass er nicht mehr nur Jahre mit hohen Impfraten umfasst, sondern auch die Jahre mit sinkenden Impfraten danach. Es wird dabei nicht nur eine Zahl pro Jahr für ganz Indien betrachtet, sondern die Entwicklung der Impfraten in den einzelnen Regionen wird mit der jeweiligen regionalen Entwicklung der Lähmungskrankheit verglichen, die in Verdacht steht, durch die Impfungen ausgelöst zu werden.
Die Autoren „spekulieren“ nicht, sondern ihr Aufsatz zielt darauf ab und besteht daraus, statistische Belege für die These vom Zusammenhang von NPAFP mit den Polio-Impfungen beizubringen. Statistische Nachweise sind immer mit Vorsicht zu genießen. Aber wenn CORRECTIV schreibt „Für diese Hypothese lieferten die Autoren keinerlei Nachweis„, dann ist das eine arglistige Täuschung der Leser. Dass es die Nebenwirkung NFAFP von Polio-Impfungen gibt, und wie sie entsteht, ist unbestritten. Wenn das aber geklärt ist, gibt es nur noch statistische Methoden, um das Ausmaß des Problems festzustellen.
Auf Basis eigener Falschbehauptungen kommt CORRECTIV zu dem Ergebnis:
„Bill Gates ist nicht verantwortlich für 490.000 gelähmte Kinder in Indien.
Was bedeutet, dass der geprüfte Beitrag auf den sozialen Medien zu zensieren ist. Ein Fake-News-Zensurstempel auf Basis eigener falscher Behauptungen!
War der Lockdown unnötig?
Kommen wir noch mal zum ersten Faktencheck und schauen genauer auf den Inhalt.
CORRECTIV räumt zu Beginn ein, dass die Reproduktionszahl R schon am 20. März unter 1 fiel, der Kritiker mit seinem Hauptpunkt also recht hat. Dann wird mit der Methode, ‚andere Aussagen unterstellen‘ gearbeitet, um dennoch zum vorfestgelegten Urteil „teilweise falsch“ kommen zu können. So verweist CORRECTIV darauf, dass schon vor dem 20. März Maßnahmen gegen die Epidemie ergriffen worden seien. Ja, schon, aber eben kein Lockdown.
Dann wird unter Zuhilfenahme von E-Mail-Antworten des RKI über scheinbar Relevantes aber in Wahrheit für die Fragestellung Irrelevantes philosophiert: „Wie sich die Reproduktionsrate entwickelt hätte, wenn gar keine Maßnahmen ergriffen worden wären, lässt sich nicht vollständig beurteilen.“ Stimmt. Der Kritiker hat aber wohl nicht gesagt, dass man „gar keine Maßnahmen ergreifen“ sollte, jedenfalls geht nichts dergleichen aus dem Faktencheck hervor.
Unter Bezugnahme auf eine Pressekonferenz des RKI-Vize geht es weiter so: „Das Befolgen von Abstand- und Hygieneregeln, sei „in der Lage, und das haben wir in den letzten Wochen ja gesehen, die Übertragung deutlich zu reduzieren. Schaade bekräftigte zudem, dass es bei einer „vorschnellen Rücknahme sämtlicher kontaktreduzierenden Maßnahmen oder eines Großteils“ die Gefahr einer zweiten Infektionswelle gebe.“ Das hat alles wenig bis nichts mit Lockdown zu tun.
Dann wird es wild. Der Kritiker stützt sich vor allem auf die bis dahin vom RKI stark in den Vordergrund gestellte Zahl R. Nun erfährt aber CORRECTIV durch Anfrage vom RKI: „Die Reproduktionszahl kann nicht allein als Maß für Wirksamkeit oder Notwendigkeit von Maßnahmen herangezogen werden.“ Außerdem beruhe die Zahl nur auf Schätzungen. Warum das RKI das nicht schon vor dieser millionenfach verbreiteten Kritik öffentlich klar gestellt hatte, sondern CORRECTIV extra deswegen anfragen musste, hinterfragen die Zensoren nicht. Dafür reproduzieren sie als Nachweis ihrer investigativen Tätigkeit sogar die E-Mail-Antwort des RKI.
Eine weitere E-Mail-Antwort des RKI soll die Behauptung des Kritikers, widerlegen, der Höhepunkt der Epidemie sei in der ersten März-Hälfte gewesen. Dieser Antwort hat der Zeitablauf nicht gut getan (Ausrufungszeichen im Original):
„Das RKI widerspricht jedoch per E-Mail: „Nach unserer Einschätzung haben wir den Höhepunkt der Pandemie noch nicht erreicht.“ Zwar habe sich der tägliche Anstieg der Fallzahlen verlangsamt. Die Zahlen aus dem bereits erwähnten Nowcasting zeigten zudem, dass es am 18. März „möglicherweise (!) einen vorläufigen (!) Höhepunkt der Erkrankungsbeginne“ gegeben habe und die Zahl dann leicht gesunken sei. „Das sind jedoch alles nur Momentaufnahmen, die nicht automatisch Schlüsse auf die Zukunft zulassen“, so die Sprecherin.
Inzwischen sieht es doch sehr danach aus, als sei es mehr als ein vorläufiger (!) Höhepunkt gewesen.
In einem Update vom 23. April weisen die Zensoren darauf hin, dass das Robert-Koch-Institut seine Veröffentlichung vom 15. April bearbeitet hat und nun schreibe: „Unter anderem die Einführung des bundesweit umfangreichen Kontaktverbots führte dazu, dass die Reproduktionszahl auf einem Niveau unter 1/nahe 1 gehalten werden konnte.“
Auf den logischen Widerspruch, dass man zwar von der Reproduktionszahl R laut RKI angeblich nicht auf die Wirksamkeit von Maßnahmen schließen kann, aber anders herum die Wirksamkeit von Maßnahmen anhand von R beurteilt werden kann, weisen die Zensoren nicht hin. Stattdessen bringen sie den Hinweis, dass sich ihr Faktencheck auf den Stand der RKI-Veröffentlichung vom 15. April bezog. Was Wahrheit ist und was Fake, hängt also für CORRECTIV davon ab, was Behördenmitarbeiter für wahr erklären. Und wenn die Behörden ihre Einschätzung ändern, ändert sich die Wahrheit mit, und CORRECTIV kann nichts dafür.
Fakten gegen die Demokratie
Das Motto der „Faktenchecker“ von CORRECTIV lautet:
„Fakten für die Demokratie: Gezielte Desinformation wird genutzt, um unsere Gesellschaft zu spalten, Hass zu verbreiten oder Geschäfte zu betreiben. Einseitige oder falsche Informationen kreieren verzerrte Weltbilder. CORRECTIV.Faktencheck wirkt dem entgegen.
Dem Thema „Spalten“ hat Harald Martenstein am 28. Mai die Hälfte eines herausragenden Kolumnentextes im Zeit-Magazin gewidmet. Ich zitiere die Kernpassage:
„Ein böses, fast schon vergessenes Wort, das wieder aus seiner Gruft gestiegen ist, heißt „Spalter“. (..) Spalter kenne ich als Kampfbegriff aus dem Repertoire der kommunistischen Parteien. Reih Dich ein in die Einheitsfront! „Spalter“ bedeutet „Abweichler“. Wer diese historisch belastete Bezeichnung heute wieder als eine Art Argument benutzt, hat das gleiche Problem mit Demokratie wie Leute, die von „Volksgemeinschaft“ sprechen. Auch die Volksgemeinschaft der Nationalsozialisten sollte ja, ich zitiere Wikipedia, „eine konfliktfreie, harmonische Gesellschaft“ sein.
Wohin das führt zeigt Trump vs. Twitter
Wohin es führt, wenn Regierungen bestimmen, welche Meinungen erlaubt sind und was die Wahrheit ist, und als Journalisten getarnte Anti-Journalisten das mitmachen oder zumindest nicht bekämpfen, zeigt sich derzeit in den USA. Die sozialen Medien tun sich sehr schwer mit der Entscheidung, ob und wie sie ihre neuen Standards in Sachen Markierung, Korrektur und Reichweitenbegrenzung von Fake News auch auf gewählte Regierungschefs oder auf sonstige offizielle Stellen anwenden sollen. Vor kurzem hat Twitter damit in Bezug auf Präsident Trump begonnen und erst einen Tweet als möglicherweise irreführend und dann einen weiteren als gewaltverherrlichend markiert.
Trump revanchierte sich am 28. Mai mit einer Executive Order, einer Art Präsidialgesetz, das das Privileg der Plattformen teilweise beseitigt, nicht für den dort von anderen verfassten Inhalt verantwortlich zu sein. Der Executive Order zufolge sollen Plattformen, die zensieren oder Politik machen dafür auf Schadensersatz verklagt werden können und sollen außerdem vom Empfang staatlicher Gelder ausgeschlossen werden.
Ich hätte ja eine gewissen Sympathie für Trumps Position, wenn nicht allzu offensichtlich wäre, dass Trump alles und nur das als Zensur und unerlaubtes politisches Handeln betrachtet, was gegen ihn und seine Anhänger gerichtet ist. Da kommt man unweigerlich hin, wenn man mit dem Zensieren einmal angefangen hat, liebe CORRECTIV-Anti-Journalisten.
Was tun gegen Fake News, Polarisierung und Filterblase?
Mit all dem will ich nicht sagen, dass es problemlos ist, was in den sozialen Medien in Sachen Falschbehauptungen, Polarisierung und Filterblase abgeht, und dass man dagegen nichts tun sollte. Der Weg, den man auf keinen Fall gehen darf ist, der in Richtung Wahrheitsministerium, auch nicht in kleinen wohldosierten Schritten. Denn dabei bleibt es nie.
Es gibt gute Alternativen. Die Plattformbetreiber könnten, ohne Ansehen von Person und Inhalt, ihre Algorithmen, die bestimmen, wer was bevorzugt angezeigt bekommt, dahingehend abändern, dass es sich nicht mehr so lohnt mit polarisierenden, extrem zugespitzten und oft falschen Behauptungen Aufmerksamkeit zu erregen. Das wäre vermutlich ziemlich leicht. Viel würde schon helfen, wenn die Punktezahl, die bestimmt, was angezeigt wird, ab einer bestimmten Anzahl von Likes oder sonstigen Interaktionen nicht mehr weiter steigt. Die letzte Zuspitzung bringt dann nichts mehr. Und bei der Themenauswahl auf ein Minimum von Diversität statt wie bisher Gleichförmigkeit zu achten, ist auch kein technisches Problem. Aber die Plattformbetreiber werden das kaum von selbst tun. Denn ähnlich wie Spielhallen- und Casinobetreiber aus Geschäftsinteresse Suchtverhalten fördern möchten, dient das Erzeugen starker Gefühle und von Polarisierung dem Geschäftsinteresse der Plattformen.
Bei Glücksspielanbietern hat man durch staatliche Regulierung dafür gesorgt, dass sie Schutzmechanismen gegen Spielsucht einführen. Das würde bei Social-Media-Plattformen ohne weiteres auch gehen. Man muss nur wollen. Bisher will man aber lieber die Gelegenheit ergreifen, auf kaltem Wege ein Wahrheitsministerium zu etablieren.
Änderungshinweis (31. 05. 2020, 11:50 Uhr): In der ersten Version hatte ich zur Zitierung von Bill Gates durch CORRECTIV geschrieben:
„Das ist falsch. Ich habe es mehrmals angehört. Gates sagt: „We have, you know, one in 10.000 side-effects, thats way more, you know, 700.000 people who will suffer from that.“ (Wir haben, wissen Sie, Nebenwirkungen in einem von 10.000 Fällen, das ist viel mehr, wissen Sie, 700.000 Menschen, die daran leiden werden.)
In Gates Satz ist kein „wenn“ (if) am Anfang. Da er im letzten Halbsatz den Indikativ verwendet (werden, nicht würden), sieht es auch nicht danach aus, als habe er ein „wenn“ am Satzanfang einfach verschluckt. Denkbar ist es natürlich trotzdem, zumal Gates nicht druckreif gesprochen hat. Aber ein „wenn“ einfach dazuzudichten, und auf dieser Basis zu behaupten, der angegriffene Gates-Kritiker, der ihn nach dem Wortlaut interpretiert hat, stelle die Aussage falsch dar, ist mehr als dreist.“
Inzwischen habe ich mich überzeugen lassen, dass am Satzanfang vor „we have“ tatsächlich ein kaum hörbares „f“ von „If“ (wenn) gesprochen wird. Die Zitierung durch CORRECTIV ist also korrekt. Die Interpretation ist aber weniger plausibel als die des zensierten Kritikers, wie ich oben darlege.
Auch einen Link auf die Webseite von CORRECTIV habe ich nachträglich eingefügt, um zu belegen, dass Facebook CORRECTIV für die „Faktenchecks“ bezahlt.