Bericht von der ersten Sitzung des MDR-Rundfunkrats nach dem Zensurskandal

31. 01. 2024 | Der MDR-Rundfunkrat tagte am 29.01.2024 in Leipzig. Nach dem Trubel um einen Umschau-Beitrag im Dezember, der kurz nach seinem Erscheinen wieder aus der Mediathek entfernt wurde, wollten Beate Strehlitz und Dieter Korbely wissen, wie das Thema im Rundfunkrat behandelt wird. Hier ist ihr Bericht. 

Hinweis: Eine ungekürzte Version des folgenden Textes erschien am 30.1. bei der Freien Akademie für Medien & Journalismus.

Beate Strehlitz und Dieter Korbely. Am 12. Dezember 2023 lief Im MDR-Magazin Umschau ein Beitrag über DNA-Verunreinigungen in Corona-„Impf“-Stoffen. Der Bericht löste große Resonanz aus. Kurz darauf wurde der Beitrag aus der Mediathek des Senders entfernt. Das weckte unsere Neugier, und wir beschlossen nach vierjähriger Abstinenz der nächsten Rundfunkratssitzung wieder einmal als Besucher beizuwohnen.

Das kostete uns einige Überwindung, denn nach der ersten öffentlichen Sitzung am 23.09.2019 waren wir völlig desillusioniert und abgeschreckt von der Konformität und der Passivität der meisten Rundfunkratsmitglieder. Bis zur Ausrufung der Pandemie hatten wir die Sitzung mehrmals verfolgt, jedoch keinen Sinn in der Veranstaltung erkannt. Den Rundfunkrat betrachten wir als zahnlosen Tiger.

Um es vorweg zu nehmen, das Thema des Umschau-Beitrages wurde nur am Rande erwähnt und war nicht Gegenstand der Tagesordnung. Lediglich im Bericht des Programmausschusses Leipzig wurde eine Menge an Programmbeschwerden erwähnt, die nun bearbeitet werden müssten. Zur nächsten Sitzung im März will der Programmausschuss Leipzig darüber berichten.

Zum Abschluss der Sitzung brachte beim Top „Anfragen und Meinungen“ ein Rundfunkrat dieses Thema nochmals zur Sprache. Er empörte sich, dass er auf seinem privaten Account eine Beschwerde erhalten hatte und fragte die Runde, ob andere ebenfalls E-Mails auf ihren privaten bzw. dienstlichen Accounts erhalten hätten. Das wurde von einigen ebenso empört bestätigt.

Schließlich wurde eine Zahl von 50 Beschwerden in den Raum geworfen, die der Rundfunkrat erhalten habe, und die alle in das (langwierige) Procedere der Programmbeschwerden fließen würden.

An dieser Stelle hätten wir gerne das Wort ergriffen und die Rundfunkratsmitglieder darauf hingewiesen, dass eine Kontakt-Möglichkeit auf der MDR-Webseite der Rundfunkratsmitglieder nicht vorgesehen ist, weder für die einzelnen Mitglieder, noch für den gesamten Rundfunkrat. Was soll der Bürger anderes tun, als nach einer Adresse zu suchen, über die er sein Anliegen an die Person bringen kann? Allerdings haben Besucher der Rundfunkratssitzung kein Rederecht.

Dekadenz und Schein-Diskussionen

Ansonsten war die Veranstaltung wie immer sehr langatmig. Diesmal waren neun Besucher da, die unter der strengen Bewachung eines Mannes vom Werkschutz und eines weiteren Mannes mit Knopf im Ohr hinter einer Absperrung saßen. Die Sitzung war wieder gekennzeichnet von weit schweifenden Redepassagen mit viel Selbstlob sowie Diskussionen über irrelevante Themen. So wurde über die Planung des Standorts der Eröffnungsveranstaltung des „MDR-Musiksommers“ lang und breit geredet. Die drei Länder des MDR (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) wollen gleichberechtigt berücksichtigt werden. Der Streit gipfelte jedoch in Differenzen zwischen Sangerhausen als gewähltem Standort des Eröffnungskonzerts vs. Mansfeld-Südharz, das sich hintergangen fühlt – allerdings liegen beide Standorte in Sachsen-Anhalt.

Als Besucher spürte man die Dekadenz des Rundfunkrates, der sich dieser Frage sehr umfangreich widmet, aber die grundlegenden Fragen über die Erfüllung des Programmauftrages nicht einmal ansatzweise bedenkt.

Zentrales Thema: Bericht des Zukunftsrates

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Bericht des Intendanten: Aktuelle Berichterstattung, hastige Einspar-Versuche und Lob-Hudelei

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Diskussion: lebendig wie selten

Endliche einmal war eine – zumindest für Rundfunkrats-Verhältnisse – lebhafte Diskussion zu erleben. Sie entzündete sich an den geplanten Änderungen zur Einsparung. Wenn es ans Geld geht, wird man munter.

Als Beispiel wurde immer wieder auf den Sender MDR Aktuell und seine Programmänderung im Abendprogramm zurückgegriffen. Rundfunkrat Hilker legte dar, dass die vom Intendanten vorgetragene Entscheidung der Geschäftsführung der Diskussion im Rundfunkrat vorgreife. Damit würde dem Staatsvertrag §17 Abs. 2 widersprochen, der eine Beteiligung des Rundfunkrates an Programmentscheidungen vorsehe.
Der juristische Direktor, Prof. Schröder, zitierte daraufhin Passagen aus dem Staatsvertrag, die die Handlungsweise der Geschäftsführung stützen sollten. Nach seiner Meinung hat der Rundfunkrat nach §17 Abs. 2 nur eine Beratungsfunktion in allgemeinen Programmangelegenheiten. Er habe lediglich Entscheidungskompetenz bei Programmbeschwerden.

Daraufhin führten aber weitere Rundfunkrats-Mitglieder an, dass damit die Funktion des Rundfunkrates untergraben werde, und verlangten eine Einbeziehung des Rundfunkrates in Programmentscheidungen der Geschäftsführung. Der Rundfunkrat möchte proaktiv mitarbeiten und nicht die Entscheidungen der Geschäftsführung nur im Nachhinein abnicken oder folgenlos kritisieren.

Während ein Rundfunkratsmitglied sich der Position des juristischen Direktors ausdrücklich anschloss, meldeten sich mehrere andere Rundfunkräte zu Wort und kritisierten, dass der Rundfunkrat seiner beratenden Funktion gar nicht nachkommen könne, wenn er erst nach der Entscheidung informiert wird. Der Rundfunkrat brauche neben der Information über geplante Programmänderungen auch die Angabe der finanziellen Auswirkungen.
In diesem Zusammenhang wies Rundfunkrat Hilker darauf hin, dass die ARD kein Aufsichtsgremium hat und demzufolge dem Rundfunkrat hier entsprechende Verantwortung obliegen müsse. Schließlich ruderte Intendant Ludwig tatsächlich zurück und versprach, bei der ARD um zusätzlich Zeit zu bitten für die Beratung der geplanten Programmänderungen in den Programmausschüssen des Rundfunkrates.

Qualitätsrichtlinien

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Abstimmungen: Zählen ist nicht so einfach und Öffentlichkeit wird nicht besser

Sehr bemerkenswert war die Art und Weise der Durchführung von Abstimmungen, von denen es eine ganze Reihe gab. Bei der oben beschriebenen Entscheidung über „sollen berücksichtigt werden“ oder „sind zu berücksichtigen“ waren 43 stimmberechtigte Personen anwesend. Die Abstimmung erfolgte per Handzeichen. Vier Menschen zählten die Stimmen. Als Ergebnis wurde bekannt gegeben: 38 x Ja, 2 x Nein und 2 x Enthaltung. Dass dabei eine Stimme irgendwo verschwunden ist hat niemanden gestört – oder hat es niemand bemerkt?

Ähnlich verlief die Abstimmung über die Frage, ob die Rundfunkrats-Sitzungen zukünftig per Live-Stream übertragen werden sollen. Hierfür waren 42 Stimmberechtigte im Raum. Ergebnis der Abstimmung war 21 x Ja, 18 x Nein und 1 x Enthaltung. Eine 2/3-Mehrheit wäre erforderlich gewesen, um zukünftige Rundfunkratssitzungen per Live-Stream erleben zu können. Die wäre auch mit den beiden „verschwundenen“ Stimmen nicht erreicht worden. Schade für die Gebührenzahler.

Wovor fürchtet sich der Rundfunkrat? Auf einen bedauernden Kommentar hin meinte jemand: „Aber wir haben doch Öffentlichkeit!“ und verwies auf uns wenige Besucher. Dass wir uns dafür einen Tag frei nehmen müssen, wofür wir keine Aufwandsentschädigung bekommen wie die Rundfunkratsmitglieder, hat er sicher nur zufällig nicht gewusst. Und Menschen aus entfernteren Regionen der 3-Länder-Anstalt haben es noch viel schwerer, zum Sitzungsort zu kommen. Sie wären sicherlich dankbar, die Sitzung am heimischen PC verfolgen zu können.

Es schlossen sich noch eine Reihe weiterer Abstimmungen an, über deren Inhalt auf der Internet-Seite des MDR Rundfunkrates nachzulesen sein wird. Bemerkenswert war, dass der Vorsitzende Bauer von der Auszählung der Stimmen zu einer „augenscheinlichen“ Feststellung des Abstimmungsergebnisses wechselte. Auch wenn sein Augenschein sicher nicht trog, da es regelmäßig nur ganz wenige Gegenstimmen oder Enthaltungen gab, stellt sich doch die Frage, ob sein Vorgehen korrekt ist. Man will im MDR die digitale Welt erobern, scheitert aber an der Verwendung eines zeitgemäßen Abstimmungstools. Oder wie wäre es wenigstens mit farbigen Abstimmungskärtchen? Der WDR macht‘s vor.

Die wunderbare Welt der Rundfunkräte

Laut neuester Umfrage des „Sachsenmonitor“ haben nur noch 10% der Bevölkerung Vertrauen in die Medien. Das war aber kein Thema der Rundfunkratssitzung. Das verwundert auch überhaupt nicht, wenn man das Gremium sowie Führungspersonen des MDR erlebt. Eine ganze Reihe von Rundfunkräten kam zu spät. Nachdem bereits die Hälfte der Sitzung vorbei war, erschien als letzter der Vertreter des Migrantenverbands Sachsen. Er sowie sehr viele weitere der 50 Rundfunkräte fühlten sich nicht bemüßigt, Wortbeiträge zu leisten.

Die Diskussion sowie die Anträge wurden von einigen wenigen Vertretern des Rundfunkrates getragen. Worin sehen die anderen wohl ihre Aufgabe, bzw. sehen sie überhaupt eine Aufgabe? Der Verein Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien hatte sich auch für einen Platz im Rundfunkrat beworben, wurde aber nicht berücksichtigt. Wir denken, ein Vertreter der Ständigen Publikumskonferenz würde die Arbeit des Gremiums sehr gut unterstützen und konstruktiv mitarbeiten.

Interessant auch die Auffassung von Rundfunkrat Witt, der auf die unterschiedlichen Finanzierungsmodelle in Frankreich und Deutschland verwies. In Frankreich wurde die Rundfunkgebühr abgeschafft und eine Staatsfinanzierung eingeführt. Dadurch bekommen die öffentlich-rechtlichen Sender Frankreichs 6% mehr Geld. Demgegenüber steht das KEF-Modell von Deutschland, das derzeit trotz Beitragserhöhungen Einsparungen bei den Sendern erfordert. Er riet den Rundfunkratsmitgliedern, auf diese Ungleichheit in der Finanzierung hinzuweisen, „wenn wir politisch mit den Menschen draußen reden“. Ist das die Aufgabe eines Rundfunkratsmitgliedes?

Fazit und Ausblick

Wir haben uns bereits in mehreren Artikeln und einem Buchkapitel mit Reformvorschlägen für einen besseren öffentlich-rechtlichen Rundfunk geäußert. Publikumsräte sind eine Minimal-Vorstellung, um der Stimme der Gebührenzahler in den Sendeanstalten Gehör zu verschaffen. Wenn jedoch der Rundfunkrat noch darum kämpfen muss, seine Beratungsfunktion bei Programmentscheidungen überhaupt ausführen zu können, brauchen wir noch lange nicht an Publikumsräte zu denken.

Wir haben den Aufbau einer öffentlich-rechtlichen Medienplattform vorgeschlagen, in der der Nutzer im Mittelpunkt steht und umfangreich aktiv werden kann. Selbst Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie Frau Prof. Wille und Dr. Gniffke brachten eine Medienplattform in die Diskussion ein. Dieser Vorschlag scheint aber in der Versenkung verschwunden zu sein. Wir sehen uns nach dem Erlebnis der MDR-Rundfunkratssitzung am 29.01.2024 wieder in unserem letzten Vorschlag bestätigt, die Sendeanstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abzuwickeln, weil sie nicht reformfähig sind. Denn die Hoffnung stirbt zuletzt – aber sie stirbt.

Nichtsdestotrotz wollen wir das Prinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhalten, in der Ausgestaltung einer Medienplattform, mit der umfassende Information und Kommunikation aller Menschen einfach möglich ist.

Nachtrag: Mittlerweile wurde das Thema DNA-Verunreinigungen in den „Impf“-Stoffen, das uns in die MDR-Rundfunkratssitzung führte, auch in der WDR-Sendung Lokalzeit am 18.01.2024 aufgegriffen. Dazu gab es ein Interview mit dem Lungenfacharzt Dr. Voshaar. Im Gegensatz zum MDR-Beitrag sind diese Beiträge weiterhin in der Mediathek abrufbar. Die MDR-Rundfunkräte scheinen davon keine Kenntnis zu haben. Die nächste Rundfunkratssitzung des WDR findet am 22.02.2024 in Köln statt. Vielleicht kann jemand von dort berichten, ob es auch zu Programmbeschwerden gekommen ist.

Langfassung auf Freie Medienakademie

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