Schwäbische Stadt Ostfildern droht Spaziergängern mit Waffengewalt

29. 01. 2022 | Update 30.1. | Die Stadt Ostfildern, nahe Stuttgart, droht allen, die gegen überzogene Corona-Maßnahmen und Impfpflicht spazieren gehen, „unmittelbaren Zwang“ bis hin zum Waffengebrauch an. Die „Allgemeinverfügung“ der Stadt ist denkwürdig. Mit bürokratischer Akribie werden Unpässlichkeiten aufgelistet und damit radikalste Maßnahmen begründet.

Der Bürgermeister von Ostfildern, Christof Bolay (SPD), will es nicht hinnehmen, dass immer mehr Menschen ihren Unmut über Impfpflichtdebatten und aus ihrer Sicht völlig überzogene Corona-Maßnahmen mit unangemeldeten Montagsspaziergängen zeigen. Wobei „immer mehr“ nicht allzu viele sind. In der Allgemeinverfügung ist von erst 20, dann 30, dann 100 und beim letzten Mal sage und schreibe 140 Personen die Rede.

Da war für den Stadtrat die Grenze des Erträglichen erreicht, und er erließ am 27. Januar eine Allgemeinverfügung, die am 28. in Kraft trat. Sie verbietet derartige Ungeheuerlichkeiten bis Ende Februar, unter anderem mit dem Argument, dass sich Passanten durch Kontakt mit ungeimpften Demonstranten anstecken und „versterben“ könnten. Im Fall der Zuwiderhandlung wird Waffengebrauch angedroht.

Die Allgemeinverfügung von Ostfildern ist ein Musterbeispiel dafür, wie bürokratische Politiker und politisierte Bürokraten sich als die guten Verteidiger von Sitte und Ordnung wähnend, jedes Maß verlieren und zu Despoten werden können, ohne es zu merken. Deshalb hier einige Auszüge daraus:

„Die Teilnahme an allen öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel auf der Gemarkung der Stadt Ostfildern, die mit generellen Aufrufen zu „Abendspaziergängen“, „Montagsspaziergängen“ oder „Spaziergängen“ in Zusammenhang stehen, nicht angezeigt sind und gegen die Regelungen der Corona-Verordnung gerichtet sind, wird an allen Wochentagen untersagt.

Für den Fall der Nichtbeachtung des Verbots nach Ziffer 1 wird die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht.

Die oben genannten bisherigen „Spaziergänge“ waren Versammlungen im Sinne von Artikel 8 des Grundgesetzes. Versammlungen sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen mit dem Zweck der gemeinschaftlichen Erörterung und Kundgebung und dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Dies kommt durch das – in Ansammlung von rund 140 Personen – stattfindende „Spazieren“ durch verkehrsreiche Straßen und über die zentralen Plätze der Stadtteile Scharnhauser Park und Parksiedlung zum Ausdruck. Wegen der oben erwähnten Aufrufe „Ostfildern Spaziert“ kann es sich um keine Spontanversammlungen handeln und eine Anmeldung nach § 14 Absatz 1 des Versammlungsgesetzes hätte somit jeweils erfolgen müssen.

Gesundheit und Leben – und somit die öffentliche Sicherheit – sind für Passanten, Radfahrer und sonstige Verkehrsteilnehmer entlang der Aufzugsstecke und auch für die Teilnehmer an den „Spaziergängen“ aus folgenden Gründen unmittelbar gefährdet:

Baden-Württemberg (Sieben-Tage-Inzidenz am 26. Januar 2022: 869,7), der Landkreis Esslingen (875,7) und insbesondere auch Ostfildern (1.033,6) sind stark von der aktuellen Omikron-Welle der Corona-Pandemie betroffen. Die täglich erhobenen Infektionszahlen steigen zurzeit stark an. (…) Weil davon ausgegangen werden muss, dass ein erheblicher Anteil der Teilnehmer nicht gegen das Corona-Virus geimpft ist, besteht die erhebliche Gefahr, dass sich Passanten entlang der Aufzugsstrecke und Versammlungsteilnehmer mit dem Virus anstecken, erkranken und schlimmstenfalls versterben.“

Zwanzig Passanten mussten warten oder ausweichen und manche Spaziergänger gingen bei Rot über die Straße – eine dramatische Gefahrensituation.

„(Es) muss aufgrund des bisher wöchentlichen Anstiegs der Teilnehmerzahlen damit gerechnet werden, dass diese auch künftig weiter steigen werden und sich die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit deshalb und wegen des aktuellen Anstiegs der Infektionszahlen durch weitere derartige, nicht angemeldete Versammlungen erhöhen würde.

Durch das offensichtlich gezielte, gleichzeitige Veranstalten von Versammlungen zum Protest gegen die Corona-Schutz-Maßnahmen im gesamten Einzugsgebiet des Polizeireviers Filderstadt und darüber hinaus in ganz Baden-Württemberg – aktuell montagabends – überschreitet deren Anzahl (am 24. Januar 2022: sieben) und Größe (am 24. Januar 2022: rund 450 „Spaziergänger“) die zahlenmäßige Kapazität an Polizeibeamten, die vom Polizeirevier zur Begleitung und Sicherung dieser versammlungsrechtlichen Aufzüge eingesetzt werden kann. Somit kann die Sicherheit der Teilnehmer und des Straßenverkehrs nicht mehr in ausreichendem Maß gewährleistet werden.“

Es muss also alles getan werden, was nötig ist, um den völligen Zusammenbruch von Sitte, Recht, Ordnung und Gesundheitssystem abzuwenden, ohne rote Linien:

„Die Durchsetzung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit des Artikels 2 des Grundgesetzes ist hier nur durch die Einschränkung der Rechte des Artikels 8 des Grundgesetzes (Versammlungsfreiheit) möglich. Wie dargestellt, reichen Auflagen nicht aus, um den Schutz der Verkehrs- und Versammlungsteilnehmer zu gewährleisten. Auf der anderen Seite kann das Grundrecht, sich zu versammeln, ohne weiteres in Anspruch genommen werden, indem ein Leiter die beabsichtigte Versammlung bei der Behörde anmeldet und die keineswegs unzumutbaren Auflagen (Mund-Nase-Bedeckung und Abstand) beachtet werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, andernorts an einer angemeldeten und somit zulässigen Versammlung zum Thema Protest gegen die Corona-Schutz-Maßnahmen teilzunehmen.

Um sicherzustellen, dass das Versammlungsverbot eingehalten wird, wird die Anwendung unmittelbaren Zwangs, also die Einwirkung auf Personen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch angedroht. Dies ist nach Abwägung der gegenüberstehenden Interessen verhältnismäßig. Es ist erforderlich, da mildere Mittel, die die potenziellen Versammlungsteilnehmer von der Durchführung der verbotenen Versammlungen abhalten würden, nicht ersichtlich sind.“


Meine Vermutung ist, dass sich diese Allgemeinverfügung als schwerer Fehler herausstellen wird, weil nächstes Mal deutlich mehr als 140 Menschen durch Ostfildern spazieren werden. Das ist nur eine Prognose, kein Aufruf. Bleiben Sie am Montag zu Hause! Führen Sie Ihren Hund an einem anderen Tag Gassi!

Update (30.1.): Innenminister gießen Öl ins Feuer

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte am Freitag laut Welt: „Anständige Bürger beteiligen sich nicht an verbotenen Demonstrationen. Sie folgen auch Aufforderungen der Polizei und halten sich an Regeln.“ Sein niedersächsischer Kollege Boris Pistorius (SPD) sagte, wer beabsichtige, sich auf Demonstrationen nicht an die Regeln des Versammlungsrechts oder Corona-Vorgaben zu halten, „verlässt in dem Augenblick schon den Boden des gemeinsamen Rechtsstaats“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), nie um einen steilen Spruch verlegen, sagte, das Protestgeschehen sowie „die rechtsextremistischen Lagen vor Ort“ nähmen zu. Es gehe um ein „Aufbegehren gegen den Staat“.

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