Kann die Kapitalvergütung dauerhaft höher sein?

 Sehr geehrter Herr Dr. Häring, mit großem Interesse habe ich in den letzten Monaten Ihre Beiträge über die Thesen gelesen, die Thomas Piketty in seinem Buch „Le Capital au XXIe siècle“ aufgestellt hat (genaugenommen ist „Stimmt es, dass…“ (stets der erste Artikel, den ich lese). Dabei ist bei mir folgendes Verständnisproblem geblieben: Wenn das private Kapital dauerhaft stärker wächst als das Bruttosozialprodukt, „r>g“, dann sollte auch der Kapitaleinsatz für die Erzeugung einer Einheit des Bruttosozialproduktes langfristig immer größer

werden. Müsste dies auf Dauer nicht zu fallenden Kapitalrenditen führen? Stetig sinkende Staats- und Lohnquoten schließe ich als Erklärung einmal aus (bei der Lohnquote mag man das bezweifeln, aber ich gehe davon aus, dass einer untere Grenze nicht unterschritten wird).

Privatdozent Dr. Hauke Paulsen, Institut für Physik, Universität zu Lübeck

 HÄRING: Sehr geehrter Herr Paulsen, vielen Dank für die freundlichen Worte. Ich muss bekennen, dass ich mich mit dem r>g nicht allzu lange beschäftigt habe, weil mir das zu unergiebig scheint angesichts der unseligen Verquickung von Finanzkapital und Produktionskapital. Piketty scheint im Normalfall Finanzkapital zu meinen. In der Tat müsste, wenn das Finanzkapital eine zu hohe Rendite verlangt, irgend wann ein Problem entstehen, weil die Eigentümer von Produktionskapital und die Arbeitnehmer nicht mehr genug bekommen. Das findet aus meiner Sicht auch statt, weshalb es die zyklischen Finanzkrisen gibt, bei denen Finanzkapital vernichtet wird. Viele Grüße, Norbert Häring  

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