Replik von H. Brinkmann zu Zentralbankbuchhaltung

Guten Abend Hr. Dr. Haering, und danke für Ihre Antwort (auf Ihrer Webseite). Wenn ich nicht irre, geht Ihr Denken über die Geldschöpfung usw. in Richtung der MMT, mit der ich mich ebenfalls bereits kritisch auseinandergesetzt hatte („MMT: Modern Monetary Theory – or Monstrous Mental Twisting?“ und „Mostly Model Tailoring against the Miraculous Money Treat of Modern Monetary Theory„). Eigentlich ist es ja völlig gleichgültig, wie eine ZB ihre Staatsanleihen bilanziell behandelt, wenn

man davon ausgeht, dass es unproblematisch für sie ist, Geld zu drucken und dem Staat dieses mehr (Gewinnausschüttung) oder weniger (ewige Anleihe) zu schenken. Im Grunde könnte sie die Staatsanleihen auch in die Tonne treten, wenn man unterstellt, dass das realwirtschaftlich unproblematisch ist.

Und warum überhaupt erst umständlich Anleihen kaufen, wenn die ZB doch das Geld einfach drucken und dem Staat schenken kann?  Anruf des Finanzministers reicht – und schon wirft die Reichsbank die Druckmaschinen an. So ungefähr stelle ich mir Deutschland im Jahre 1923 vor – mit Hyperinflation. Oder Ungarn, glaube, 1948, Zimbabwe ca. 2000 ff usw.

 Das kann es ja offenbar nicht sein. Wenn Bilanzierung überhaupt einen Sinn haben soll, dann muss der, bei Zentralbanken, ja darin liegen, irgendwie die (mehr oder weniger) „richtige“ Menge der Geldversorgung zu garantieren.
  Grundsätzlich gibt es drei unterschiedliche Geldformen: 

  • Warengeld
  • Kreditgeld
  • Willkürgeld

 Gegenwärtig gibt es praktisch nur noch Kreditgeld. (Münzen sind dagegen „Willkürgeld“, zumindest insoweit, als der Gewinn die Herstsellungskosten überschreitet: „Schlagschatz“).
Wenn sich heutzutage das Kreditgeld durchgesetzt hat, dann hat das natürlich einen guten Grund: Der Kreditmechanismus garantiert (im Prinzip), dass das Marktangebot und die Geldmenge in etwa harmonieren. Und zwar dadurch, dass bei der Kreditgeldschöpfung die durch die Hingabe des Geldscheins „vorschussweise“ entnommene Warenmenge wieder „aufgefüllt“ wird.
Beim Willkürgeld, das einfach nur „gedruckt“ und ausgegeben wird (im Großen ggf. durch den Staat, im Kleinen ggf. durch Geldfälscher), entnimmt der Käufer eine Warenmenge, ohne (irgendwann) selber etwas zum Marktangebot beizutragen. Dadurch muss sich das Geld zwangsläufig entwerten. Willkürgeld läuft also im Großen auf eine (inflationäre) automatische Besteuerung der Geldbesitzer hinaus.

 Sie sehen (wie das insbesondere wohl im angelsächsischen Raum nicht selten ist) den Zusammenhang zwischen Geldschöpfung und Realwirtschaft mutmaßlich ausschließlich als eine Sache des Vertrauens: Solange die Geldbesitzer Vertrauen in die Zentralbank haben, kommt es nicht zur Inflation.
Das bedeutet aber, die Elastizitätsräume in unserer (glücklicher Weise) hochflexiblen Marktwirtschaft für identisch mit den grundlegenden Zusammenhängen zu halten. Klar bleiben die Preise für eine Weile noch stabil, wenn die Geldversorgung längst über die Klippe gesprungen ist. Aber früher oder später muss bei der Willkürgeldschöpfung eine Unterversorgung am Markt eintreten, weil die Geldempfänger in diesem System reine Schmarotzer sind.

 Daher ist es wichtig, dass die Geldversorgung ausschließlich im Kreditwege erfolgt, bzw. dass die Kaufkraft aus einer geldmengeninduzierten Nachfragesteigerung an anderer Stelle abgeschöpft wird.
Aus diesem Grunde darf eine Notenbank keine Buchgewinne ausschütten, die sie durch eine Höherbewertung etwa ihrer Goldvorräte erzielt hat. Nur wenn sie das Gold am Markt verkauft, und dadurch die entsprechende Kaufkraft der Marktteilnehmer auf sich überleitet, darf sie diese an den Finanzminister weiterleiten.
Und genauso verhält es sich mit den Anleihen. Wenn eine ZB ewige Anleihen ausgibt, dann hat sie im Grunde schon Geld für den Staat gedruckt und verschenkt.

 Dass Sie die realwirtschaftliche Seite völlig ausblenden, führt Sie auch in Ihrem Ausgangsposting zu einem Fehlschluss:
„Das widerspricht auch keiner Regel gegen Staatsfinanzierung mit der Notenpresse, denn Gewinnausschüttung einer Notenbank an den Finanzminister ist seit jeher ein normaler Vorgang.“

Ihr Irrtum liegt darin, begriffliche Identität mit sachlicher Identität gleichzusetzen. Der Gewinn (und folglich auch Beträge und Wirkungen einer Gewinnausschüttung) ist (sind) jedoch unter dem von Ihnen gewünschten Buchungsregime etwas völlig anderes unter dem derzeitigen.

 Gegenwärtig besteht der Gewinn aus eingenommenen Zinsen. Realwirtschaftlich bedeutet das, dass der Gewinn (wie in jedem privaten Unternehmen auch – Geldfälscher ausgenommen) aus einem Transfer von anderer Leute Kaufkraft entstanden ist. Und die leitet die ZB, nach Abzug ihrer eigenen Kosten, an den Staat weiter. Das ist absolut problemlos.  Was Ihnen dagegen vorschwebt ist eine Schöpfung von gegenwertloser Kaufkraft mittels Gelddrucken. Ob Sie da noch irgend etwas verbuchen, etwa Rückstellungen für Verluste machen, ist weitgehend gleichgültig.

In Zahlen müsste die zB nach Ihren Vorstellungen beispielsweise 100 Mrd. an Scheingewinnen ausschütten. Während es gegenwärtig beispielsweise 1 Mrd. sind. (Zahlen sind fiktiv; sollen nur die Größenordnungen illustrieren.)  Und wie gesagt: Vor allem findet bei Ihnen kein KaufkraftTRANSFER ab, sondern eine leistungslose Geldschöpfung. Was zwangsläufig die entsprechenden hyperinflationären Folgen haben muss.

„Eine zweite Möglichkeit der Neutralisierung zusätzlich geschaffenen Geldes ist es, die Geldschöpfungsfähigkeit der privaten Geschäftsbanken, die ja das meiste Geld schaffen, zu vermindern, indem die Zentralbank die Mindestreserve erhöht, von derzeit lächerlichen 1 Prozent auf 2, 5, 10, 20, 50 Prozent, was immer nötig ist, damit der Geldumlauf nicht überhandnimmt. Das hat zur Folge, dass die Banken mit einem geringeren Geldschöpfungsgewinn dafür bezahlen, dass der Staat einen höheren Notenbankgewinn bekommen hat. Das wäre genau das Richtige, wenn man bedenkt, wie sehr die Banken mit ihrem unverantwortlichen Handeln vor der Finanzkrise die Staatsfinanzen ruiniert haben.“

Also zunächst einmal (zu Ihrem hier nicht wiederholten Punkt 1): Ewig Anleihen können natürlich nicht mehr eingesammelt werden. Allenfalls an Private verkauft, wenn sie von der Verzinsung her entsprechend attraktiv sind.

Nach meinem Eindruck sehen Sie aktuell das Problem der Wirtschaft in Geldmangel. Da ist es nicht überzeugend, wenn Sie gleichzeitig die Banken für ihr angeblich „unverantwortliches Handeln“ tadeln. Klar war der expansive Kreditkurs riskant. Aber er wurde ja etwa von der US-Regierung und Notenbank augenzwinkernd gefördert; Hinweise auf massive Kriminalität bei der Darlehensvergabe wurden nicht beachtet, die Regulierung wurde trotz Hinweisen auf „reckless lending“ (heißt das glaube ich) nicht verschärft. Und das alles letztlich wahrscheinlich deshalb nicht, weil Alan Greenspan genau wusste, dass nur mit solchen Methoden die Wirtschaftsleistung noch zu halten war.

 Larry Summers hat bekanntlich die Idee einer „secular stagnation“ wieder aufgegriffen (hier ausführlicher als ursprünglich in seiner IMF-Rede). Er diagnostiziert, m. E. zu Recht, und wundert sich darüber, dass es trotz einer exzessiven Kreditausweitung keine überschäumende Konjunktur gab. Bzw. umgekehrt: Warum es einer solchen Ausweitung offenbar bedurfte, um die Wirtschaft lediglich im normalen Modus zu halten.
DAS ist das eigentliche Problem. Dessen Hintergründe müssten erst einmal erforscht werden.

Ein bloßes „es fehlt an geld, nun gut so schaff [drucke] es denn“ wird der Komplexität der Beziehungen von Geldwirtschaft und Realwirtschaft nicht gerecht. Wenn die Lösung so einfach wäre, dann bräuchte man auch keine Überlegungen darüber anzustellen, wie was wann bei der ZB zu verbuchen ist. Dann könnte die, Gewinn hin, Verlust her, einfach Geld drucken und vom Hubschrauber abwerfen. Oder dem Staat schenken: Der gibt es garantiert aus! 🙂

Wenn Sie das bei den Banken wieder abziehen wollen, etwa mit 50% Mindestreserve, verteuern Sie lediglich den Kredit für die Privatwirtschaft. Und/oder man provoziert Ausweichreaktionen (Bargeldtransaktionen). Und bei inflationsbedingt hohen Zinsen können Sie die Staatsanleihen auch nicht mehr (zum Nennwert) an das Publikum verkaufen.
Vor allem aber sind das alles rein finanztechnische Operationen, die keinerlei Werte schaffen. Sondern die Werte schaffende Bevölkerung inflationär ruinieren.

Nach meiner Einschätzung ist das Ganze ein Verteilungsproblem, das zu einer Überakkumulation führt. Dem man mit Inflation zwar insoweit vielleicht beikäme, als man die Geldbesitzer „schwitzt“. Aber das sind, mit welchem Anteil auch immer, zumindest teilweise die Falschen: Vorsorgesparer usw. Vielleicht hilft aber auch Inflation nicht; man hat ja in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte auch schon das Phänomen der „Stagflation“ gesehen.

Einen Königsweg gibt es nicht. Aber leider zu viele (Laien – zu denen zwar auch ich gehöre – sowieso, aber leider auch Volkswirte), die glauben, den Stein der Wirtschafts-Weisen gefunden zu haben: „man müsste doch nur …“.
Wer so etwas glaubt, müsste sich einfach mal fragen, warum nicht andere und die ganze Welt schon längst auf eine solche schlaue Idee gekommen sind. Sind die alle dümmer als man selber? Oder steckt nicht vielleicht ein Denkfehler in den eigenen Annahmen?

Vor allem bewirken Sie, die Austrians, die Vollgeldtheoretiker usw. mit solchen gedanklichen Schnellschuss-Scheinlösungen eines: Die ernsthafte Forschung nach den WIRKLICHEN Krisenursachen wird unterdrückt, und (unter der Annahme, dass die Überakkumulation das Problem ist) die „Schuld“ der Kapitalbesitzer wird verschleiert. Wer die Problemquelle im Geldsystem verortet, lenkt davon ab, dass sie (nach meiner Einschätzung; das müsste natürlich noch gezielt erforscht werden) in der Verteilung, und in der dadurch bedingten Hortung(sfähigkeit) liegt.

Ich unterstelle Ihnen (und auch anderen) insoweit keine Absicht. Aber genau DAS kommt dabei heraus, wenn man dem Volke vorgaukelt, die Krise ließe sich ganz einfach lösen, wenn man „nur“ ….. machen würden.

Mit freundlichen Grüßen, Burkhardt Brinkmann  

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