Leserreaktionen zur Verbesserung der Finanzkompetenz (Teil 2)

 Sehr geehrter Herr Häring, ihre Beurteilung der Anlageprotokolle kann ich voll und ganz teilen. Als äußerst unschön empfinde ich jedoch, wie Sie Finanzdienstleister verunglimpfen, platt einem Generalverdacht aussetzen: „Diese verfolgen fast immer bei der Beratung das Eigeninteresse, die eigenen Einnahmen zu maximieren.“ Das mag gewiß vorkommen. Es gibt Abzocker. Die gab es immer und wird es immer geben.Aber das ist eben nicht „fast immer“ so! Selbstverständlich verfolgt jeder Berater das Ziel, ein Entgelt für seine Beratung zu erzielen. Kauft der Kunde das Finanzprodukt, dann ist dieses Ziel erreicht. Wenn Sie daraus schlußfolgern, daß fast jeder

Berater daher nur das (teuerste) Finanzprodukt mit der maximalen Provisionshöhe anbieten würde, dann läßt das tief blicken, wie Sie denken und wie Sie als Berater vorgehen würden. Das ist armselig und zugleich dumm. Ich glaube, daß man jemandem das Fell höchstens einmal über die Ohren ziehen kann. Wer das tut, ist ein Abzocker. Aber Abzocker können nicht langfristig mit ihren Kunden zusammenarbeiten, denn Anleger merken sehr schnell, wenn sie für dumm verkauft worden sind. Dann ist die Vertrauensbasis zerstört und es gibt keine Zusammenarbeit mehr. Abzocker sind Eintagsfliegen, die den ordentlich arbeitenden Beratern leider oft verbrannte Erde hinterlassen, ihnen schaden.

  Sparer sind keineswegs alles „Dumme und Naive“, wie Sie suggerieren. (Mich erschüttert Ihr Weltbild, Herr Häring. In welchen Kreisen verkehren Sie?) Praktisch jedem Anleger ist klar, daß ein Finanzprodukt auch Kosten verursacht, aus denen die Beratung etc. finanziert wird. Erfahrungsgemäß fragen die meisten danach und bei den gängigen Finanzprodukten werden die Kosten mittlerweile sehr klar ausgewiesen.

  Ihre Ruf nach standardisierten Produkten halte ich für Unfug. Wenn Politiker standardisieren und regulieren, kommen Produkte heraus wie die Lebensversicherung (zweifelhafte Transparenz), die Riester-Rente (durch Garantien beschränkte Ertragschancen), die Rürup-Rente (extrem beschränkte Flexibilität) oder zig Durchführungswege der betrieblichen Altersvorsorge, die kaum einer durchschaut. 

  Der Ruf nach Kostendeckelung ist billiger Populismus. Es gibt teure und billige Produkte, die gut sind. Ebenso gibt es teure und billige Produkte, die schlecht sind. Was überhaupt gut oder schlecht ist, läßt sich oft erst rückblickend eindeutig feststellen und kann individuell verschieden sein. Oder die Lebensumstände des Einzelnen (oder die steuerlichen Rahmenbedingungen) ändern sich. Dann wird vielleicht schlecht, was zuvor gut war. Das Bessere ist des Guten Feind. Auf diese Weise regulieren Angebot und Nachfrage die Produktvielfalt. Teure und billige Produkte, die schlecht sind, verlieren Marktanteile; erledigen sich letztendlich von selbst.

  Auch beim Autokauf ist jedem Käufer klar, daß der Hersteller und der Händler dieses Auto nur anbieten, weil sie damit einen Gewinn zu erzielen beabsichtigen. (Beim Bäcker oder Bekleidungsgeschäft ist das nicht anders.) Dennoch legt kein Autohändler seine Gewinnspanne offen; sie ist nirgendwo für den Kunden einsehbar. Kurioserweise fordert das auch niemand. Ebensowenig, daß die Gewinnspanne bei einem Porsche genauso hoch bzw. gering sein müsse wie bei einem Renault Twingo. Auch gibt es keinerlei Risikobelehrung; beispielsweise, daß Autofahren tödlich sein kann. Versuchen Sie doch mal, einem Twingo-Interessenten einen Porsche zu verkaufen, um Ihre eigenen Einnahmen zu maximieren! Ich habe erhebliche Zweifel, daß Ihnen das glücken könnte. Aber, wer weiß? Vielleicht sind Sie ein talentiertes Verkaufsgenie, hochmotiviert ständig Ihre Einnahmen zu maximieren? Journalisten, die platte Vorurteile verbreiten, verkaufen ihre Leser für dumm. 

 Gerd W. Goll

  Häring: Vielen Dank für die engagierte Zuschrift, Herr Goll. Ihre Anführungszeichen beinhalten Zuspitzungen des von mir geschriebenen, nicht das, was ich tatsächlich geschrieben habe. Ich schrieb, Anbieter und Berater verfolgen ein Eigeninteresse, ohne jede Qualifizierung wie immer, manchmal oder meist. Ich habe auch die Mehrheit der Deutschen nicht dumm und naiv genannt. Meine Aussage ist lediglich, dass die Materie extrem komplex ist und nicht alle gleichermaßen bereit und in der Lage sind, sie zu durchdringen. Die Tatsache, dass die bisherigen staatliche regulierten Produkte überwiegend Fehlgriffe waren, ist ein gewichtiges Argument. Ich führe das auf einen viel zu großen Einfluss der Finanzbranche auf die Politik zurück. Ich will mich dadurch aber nicht davon abschrecken lassen, aufzuschreiben, welchen Kriterien eine sinnvolle Regulierer aus Sicht der Anleger erfüllen sollte. Ihren Optimismus, dass der Markt das alleine im Sinne der Anleger reguliert teile ich nicht. Dazu sind die Produkte, wie sie selbst sagen, zu langfristig angelegt und die Performance selbst, sowie die Gründe für gute oder schlechte Performance zu  intransparent. Der Vergleich mit dem Bäcker und den Autoproduzenten trifft nicht ganz. Nicht von ungefähr geht die Diskussion um die Verbesserung der Finanzkompetenz, nicht um die Verbesserung der Autokäufer oder Brötchenkäuferkompetenz. Wer ein Brötchen kauft, stellt schnell fest, ob es ihm schmeckt. Ob es gefährliche Inhaltsstoffe enthält, stellt er vielleicht nicht fest, aber da hilft der Staat. Keiner erwartet von ihm, dass er Chemie studiert und ein Labor einrichtet. Wer ein Auto kauft, weiß, was er will und stellt bald fest, ob er es bekommen hat. Alles was er nicht selbst feststellen kann, ist objektiv messbar und wird in Ranglisten für jedes Interesse präsentiert. Bei Finanzprodukten weiß man oft erst am Schluss, wie gut sie waren. Der normale Kunde hat dann keinen direkten Vergleich mit anderen Produkten, und selbst wenn er ihn hat, weiß er nicht, ob es nur ungünstig gelaufen ist, Risiko ist ja immer dabei, oder ob zum Beispiel ein Fondmanager besonders viele offene oder verdeckte Gebühren produziert hat.

 Lieber Herr Häring, es ist schon bemerkenswert mit welcher Nonchalance Sie die Mehrheit der Deutschen als „dumm und naiv“ qualifizieren. Sie sind also der Meinung, mit standardisierten Finanzprodukten soll der Staat, d.h. ein paar Politiker, für den Bürger entscheiden was für ihn „gut“ ist ! Geben Sie’s zu – Sie haben das DDR-System, in welchem der Staat seinen Bürgern die Entscheidungen „abgenommen“ hat, prima gefunden, niemand war für sich selbst verantwortlich!

 Ihre Vorstellung von standardisierten Finanzprodukten muss auf alle Lebensbereiche ausgedehnt werden. Die wenigsten Deutschen sind Kfz.-Sachverständige; da Autohändler beim Verkauf Eigeninteressen verfolgen und auf Gewinn fixiert sind, muss doch der Staat ein standardisiertes Kfz. definieren, nach dem sich auch der Kfz.-Sach un verständige ein für ihn geeignetes Auto kaufen kann ohne dass der übervorteilt wird (beim Kfz.-Kauf geht es auch um grosse Beträge !) Das gleiche gilt auch für den Lebensmittelbereich – niemand weiß, was die Inhaltsangaben bedeuten; hier ist der Verbraucher auch den Herstellern hilflos ausgeliefert – also auch standardisierte Lebensmittel ! Weiter geht’s: standardisierte Fersehgeräte, Waschmaschinen, Kühlschränke…, welcher Verbraucher weiß den sonst was für ihn richtig ist?

  Wirklich naiv ist es, wenn Sie einerseits die LV u. Riester-Rente als „missglückt“ titulieren und gleichzeitig Politiker, dies dies zu verantworten haben, dazu auffordern standardisierte Finanzprodukte zu entwerfen ( sie wollen den Bock zum Gärtner machen !) Da fällt mir gerade die Aktie „Deutsche Telekom“ ein; lt. Überzeugung der Politiker sollte die Deutsche Telekom zur Volksaktie werden – was daraus geworden ist ? Schwamm drüber !!

  Flughafen Berlin, Drohnen-Debakel, Euro-Krise…. – und solchen Politikern wollen Sie die private Finanzplanung der Bürger in die Hand geben?

  Als Finanzjournalist u. Buchautor sollten Sie nicht nur fordern – entwerfen  S I E  doch mal ein paar standartisierte Finanzprodukte Für Arbeitnehmerfamilie, 2 Kinder, mittleres Einkommen, für gut verdienenden Single, 40 Jahre, für akademische Doppelverdiener, kinderlos, für Berufsstarter, 20 Jahre, Geringverdiener.

 Zu guter Letzt: es gibt schon ein risikoloses, gebührenfreies und für jeden verständliches Finanzprodukt: das gute alte  S P A R B U C H. Wenn Sie mir nicht antworten, dann veröffentlichen Sie doch im nächsten Handelsblatt ihr Vorschläge für standardisierte Finanzprodukte

 

 Mit freundlichen Grüßen

  Bernhard Weber

Häring: Ihre Verachtung für Politiker teile ich nicht, Herr Weber. Zunächst einmal hat die Finanzbranche die Finanzkrise verursacht, nicht die Politik. Zum anderen gibt es Staaten mit viel schlechteren Regierungen. Warum soll man also die Hoffnung aufgeben, dass unsere Regierung etwas besser machen könnte als bisher. So kompliziert ist das mit zertifizierten Finanzprodukten nicht. Jeder hat ein Interesse an moderaten Kosten der Verwaltung. Jeder hat ein Interesse daran, nicht mit versteckten Kosten hintergangen zu werden. Jeder hat ein Interesse daran, nicht mit Risiken konfrontiert zu werden, die er nicht vorher kennt oder durchschauen kann, etwa wenn ein Fonds in gefährliche Derivate investiert. Ein Fonds ist ein xy-Fonds, wenn er nicht mehr als 0,x Prozent Verwaltungsgebühren hat, nicht öfter als x-mal im Jahr umschichtet und in nichts anderes investiert als maximal x Prozent deutsche oder internationale Aktien und y Prozent Anleihen einer maximalen Risikoklasse bis z. Mir würde das helfen, wenn der Staat eine solche Klasse schüfe und so den Anbietern einen Anreiz böte (keinen Zwang), entsprechende Produkte anzubieten. Derzeit tun sie das nämlich kaum.

  Sehr geehrter Herr Häring, Sie scheinen ein großer Anhänger des paternalistischen Staates zu sein. Warum schlagen Sie nicht noch vor, daß der  Staat die LV-Rendite subventionieren soll? Das würde Ihre Argumentation doch wunderbar abrunden.

  Das Leben ist nun einmal voller Risiken. Und so wie erwachsene Menschen ihre Rechte einfordern, müssen sie auch ihren Pflichten nachkommen, d.h. sich über die angebotenen Produkte informieren. Viele meiner Freunde, durchaus intellektuell fähige Menschen, verwenden auf den Kauf eines Toastern, aber auf jeden Fall auf den eines Autos mehr Zeit und Energie als auf den Kauf von Finanzprodukten, auch wenn der Wert letzterer den ersterer bei weitem übersteigt.

  Auch kann ich nicht nachvollziehen, was an dem Kauf von Finanzprodukten so kompliziert sein soll, wenn man die einfache Regel beherzigt, daß mit der Rendite das Risiko steigt.  Außerdem würde ich z.B. ein technisches Gerät, das ich nicht verstehe, auch nicht kaufen. Dasselbe gilt für Finanzprodukte, s. den gern zitierten Herrn Buffet.

  Mit freundlichen Grüßen

 Udo Hartmann

  21444 Einemhof

Häring: Lieber Herr Hartmann. Man weiß zwar, wenn man schlau ist, dass man höhere Renditen nicht ohne höheres Risiko bekommt. Nichts sorgt jedoch dafür, dass man nicht trotz hohem Risiko eine niedrige Renditechance oder bei mäßigem Risiko eine extrem geringe Renditechance bekommt, zum Beispiel weil die offenen und verdeckten Kosten zu hoch sind.

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