Drei Fragen und meine Antworten zum digitalen Euro

30. 07. 2024 | Der Verein Monetative, der sich für eine Geldreform einsetzt, hat Geldexperten drei Fragen zum geplanten digitalen Euro gestellt und die Antworten in Video- oder Textform auf einer Netzseite versammelt. Meine Antwort auf die drei Fragen möchte ich hier zusammen mit einer Ergänzung, wiedergeben, verbunden mit der Empfehlung, sich auf der Netzseite auch Gegenmeinungen anzuschauen.

Die drei Fragen, die Finanzwissenschaftler, Politiker und ein Blogger zu „Geld und mehr“ auf der Monetative-Netzseite beantworten, lauten:

  1. Wie bewerten Sie grundsätzlich die Idee eines digitalen Euros?
  2. Wie stehen Sie zu den aktuellen Entwürfen und Vorschlägen für den digitalen Euro?
  3. Welche Merkmale sollten bei der Ausgestaltung des digitalen Euros Ihrer Meinung nach berücksichtigt werden?

Ich will vorausschicken, dass ich mich daran störte, dass die aus meiner Sicht wichtigste Frage fehlt, nämlich: Wozu brauchen wir (ggf.) einen digitalen Euro? Daran, dass diese Frage nicht zuerst diskutiert wird, krankt der Plan und die ganze Diskussion um den digitalen Euro. Technokraten haben beschlossen, ihn voranzutreiben, haben eine bestimmte Variante konzipiert und bieten parallel einen Strauß Gründe an, warum ein digitaler Euro eine gute Idee sein kann. Jeder darf sich etwas aussuchen, was ihm gefällt, und die Technokraten machen, was sie wollen und dem Finanzsektor gefällt. Einer Demokratie, in der alle Gewalt vom Volke ausgehen sollte, ist das unwürdig. Hier nun meine Antworten:

1. Wie bewerten Sie grundsätzlich die Idee eines digitalen Euros?

Es gibt nicht DEN digitalen Euro. Es gibt sehr unterschiedliche Möglichkeiten, ihn zu gestalten, passend zu dem Ziel, das man damit verfolgt. Die gesellschaftliche Diskussion über das Ziel des Unterfangens müsste am Anfang stehen. Sie findet aber praktisch nicht statt. Stattdessen entwerfen nicht politisch rechenschaftspflichtige Experten bei der Europäischen Zentralbank und Technokraten in der EU-Kommission im Gerangel der Einflussgruppen eine Version des digitalen Euro und schaffen damit politische Fakten. Andere gesellschaftliche Akteure, darunter die Monetative, bewerten einen anderen digitalen Euro in Hinblick auf ihre eigenen Ziele, oft ohne allzu viel Rücksicht darauf, auf welche Ziele hin er tatsächlich ausgestaltet werden wird.

Aus dem Sammelsurium der von der EZB genannten Ziele destilliert Peter Bofinger drei Hauptziele:

  • Schaffung eines monetären Ankers
    Ein einheitliches europäisches Zahlungsinstrument für Endnutzer
    Stärkung der strategischen Autonomie Europas

Das unterstützenswerte Hauptziel der Monetative ist dagegen ein robusteres Zahlungsverkehrssystem in dem die Geldschöpfung allein in öffentlicher Regie stattfindet. Dazu wäre der digitale Euro geeignet, aber das ist dezidiert nicht das Ziel von EU-Kommission und EZB. Im Gegenteil: um das Geldschöpfungsprivileg der Geschäftsbanken zu bewahren, soll die Menge an digitalem Zentralbankgeld, die Private halten dürfen, auf kleine Beträge begrenzt werden.

Die Wertung der erklärten Ziele der EZB will ich in Beantwortung der folgenden Frage vornehmen, auch wenn diese nicht nach dem Ziel sondern nur nach den Merkmalen fragt.

2. Wie stehen Sie zu den aktuellen Entwürfen und Vorschlägen für den digitalen Euro?

In Bezug auf das Ziel der Monetative eines robusteren Zahlungsverkehrssystems durch Entmachtung der Geschäftsbanken und der von diesen dank Geldschöpfungsprivileg gefütterten Schattenbanken bringt die vorgesehene Ausgestaltung allenfalls geringfügigen Fortschritt. Was die Ziele der EZB-anbelangt, so lassen diese sich entweder leichter auf anderem Wege erreichen oder sie sind abzulehnen.

Das nur vage definierte Ziel der strategischen Autonomie ließe sich einfacher und wirksamer erreichen, indem mit den Banken ein Europäisches Zahlungsverkehrssystem ohne Beteiligung der großen US-Finanzdienstleistungskonzerne geschaffen wird; so wie es andere Länder vorgemacht haben. Stattdessen soll mit dem digitalen Euro ein System geschaffen werden, das letztlich die bisherigen Zahlungsverkehrsakteure – einschließlich der amerikanischen – eng einbindet.

Was die Schaffung eines monetären Ankers und eines einheitlichen europäischen Zahlungsinstruments angeht, so ist beides mit Euro-Bargeld schon vorhanden. Erklärtermaßen geht es um die Zeit, wenn Bargeld weitgehend verschwunden ist. Damit nähren Kommission und EZB den starken Verdacht, dass sie mit dem digitalen Euro vor allem die Beseitigung von Bargeld erleichtern wollen. Dieser wird weiter genährt durch die geplante Ausgestaltung des digitalen Euro als Bargeldersatz auch im Präsenzhandel und durch die Absicht, eine allgemeine Annahmepflicht zwar für den digitalen Euro einzuführen, nicht aber für Bargeld.

Sich besser um die Bewahrung des Bargelds zu kümmern, würde die Unabhängigkeit des Zahlungsverkehrs von ausländischen Finanzkonzernen fördern. Die mindestens De-facto-Begünstigung der Bargeldverdrängung durch den digitalen Euro läuft somit dem erklärten Ziel zuwider.

3. Welche Merkmale sollten bei der Ausgestaltung des digitalen Euros Ihrer Meinung nach berücksichtigt werden?

Zunächst müsste gesellschaftliche Übereinstimmung über das Ziel erzielt und dieses verbindlich festgeschrieben werden. Solange das Ziel im Ungefähren bleibt, können die Merkmale jederzeit im Sinne eines gesellschaftlich nicht vereinbarten Ziels geändert werden.

Das betrifft etwa die begrenzte Anonymität, die es für kleine Zahlungen mit dem digitalen Euro geben soll, mutmaßlich um ihn als Bargeld-Ersatz akzeptabel zu machen. Diese kann jederzeit später reduziert oder aufgehoben werden. Dasselbe gilt für die Obergrenzen für das Halten von digitalen Euro oder für einzelne Zahlungen. Diese Grenzen soll nach dem Richtlinienvorschlag der Kommission die EZB nach eigenem Gutdünken festlegen und ändern dürfen.

Unter der von mir befürworteten Zielsetzung, die Bürger entscheiden zu lassen, wer für welche Aktivitäten Kredit bekommt und damit auf gesellschaftliche Ressourcen zugreifen darf, gäbe es keine Obergrenzen für das Halten und die Nutzung des digitalen Euro. Neu in Umlauf gebrachtes Geld würde zu gleichen Teilen den Bürgern in Form digitaler Euro gutgeschrieben. Banken könnten nur noch als Kreditvermittler fungieren und nur, wenn die Bürger das wollen. Sie könnten nicht mehr mit selbst geschaffenem Geld eine bestimmte Wirtschaftsform (die kapitalistische) finanzieren und mögliche Alternativen finanziell austrocknen.

Ergänzung

Hier hören meine Antworten aufgrund der vorgegebenen Maximallänge auf. Deshalb will ich die letzte Antwort noch etwas ausführen

Im derzeitigen Geldsystem bestimmen die Banken und die mit ihnen eng verbandelten Schattenbanken (Investmentfonds etc.) wer das von ihnen und der Zentralbank gemeinsam geschaffene neue Geld bekommt. Dieses neue Geld stellt das Recht für die Empfänger dar, auf die gesellschaftlichen Ressourcen zugreifen zu dürfen. Der Finanzsektor bestimmt also, nach dem Kriterium der Maximierung der eigenen Gewinne, welche Aktivitäten, die Kredit brauchen, stattfinden können und welche nicht. Eine der wichtigsten Folgen ist, dass praktisch alle Unternehmen das Ziel verfolgen müssen, externen Kapitaleignern, die nichts zur Produktion beitragen, eine hohe Rendite zu bringen. Unternehmen, die keine Rendite nach außen ausschütten (wollen), sondern möglichst vielen Kunden möglichst gute Produkte liefern und den Arbeitnehmern einen guten Arbeitsplatz bieten, haben in diesem System von vorne herein fast keine Chance.

Im System, das mir vorschwebt, bekommen die Bürger das neue Geld auf Kredit. Sie können es nutzen, um – auf Kredit – etwas zu kaufen. Sie können es gegen Vergütung an die Banken weiterreichen, damit diese als Kreditvermittler professionell Kredit vergeben. Oder sie können es poolen, indem sie es zum Beispiel in eine Genossenschaft einbringen, in der sie Mitglied sind. Diese kann damit ihre Aktivitäten finanzieren, anstatt auf Banken angewiesen zu sein.

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Meine Analysen zum digitalen Euro finden Sie versammelt, wenn Sie unten auf das Stichwort „EZB, digitaler Euro“ klicken.

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