12. 01. 2021 | Hören | UN-Organisationen sind wichtige Koordinierer für Anti-Corona-Maßnahmen. Nicht immer ist die Schwerpunktsetzung nachvollziehbar, aber fast immer im Sinne großer Pharmakonzerne, IT-Giganten und Finanzunternehmen. Das könnte an deren dominantem Einfluss auf die UN liegen. Deshalb biete ich hier eine gestraffte Zusammenfassung meiner früheren Blogbeiträge zum Ausverkauf der UN und stelle am Ende den Bezug zu den Corona-Maßnahmen her.
Ein Blick in die Studie „The UN Foundation – A foundation for the UN?“ von Barbara Adams und Jens Martens könnte Internationalisten von manchen Illusionen befreien. Internationalisten, die meinen, man müsse nur die Entscheidungen von engstirnigen nationalen Regierungen weg zu einem globalen Gremium verlagern, und schon würde alles besser.
Das Geld und die UN Stiftung des Medien Moguls Ted Turner spielten eine wesentliche Rolle dabei, dass die UN immer mehr sogenannte Partnerschaften eingegangen ist, mit Großkonzernen, mit deren Lobbys wie dem Weltwirtschaftsforum, und mit deren Stiftungen. Diese geben Geld und bekommen dafür Einfluss. Schauen wir in die Historie.
Ted Turner schenkt der UN ein Trojanisches Pferd
Gegen Ende des Jahres 1997 kündigte der Milliardär Ted Turner an, der UN eine Milliarde Dollar in Time-Warner-Aktien zu schenken. Turner war Gründer von CNN und Co-Chairman von Time Warner. Er reagierte damit auf die Weigerung des US-Kongresses die aufgelaufenen Rückstände der US-Regierung aus nicht überwiesenen Beiträgen zu begleichen. Das Geschenk, das letztlich auch noch viel kleiner ausfiel als versprochen, sollte sich als Trojanisches Pferd erweisen, mit dem die amerikanischen Großkonzerne ihre Ziele und Werte in die UN einschleusten.
Da die UN keine gemeinnützige Organisation im steuerlichen Sinne ist, gründete Turner für den Transfer des Geldes die UN Foundation. Die UN ihrerseits gründete zur Entgegennahme des Geldes den United Nations Fund for International Partnerships (UNFIP). Den Grundgedanken hat die bei der UN Foundation untergebrachte Organisation UN Association of the USA so ausgedrückt: Die UN finanziell auszutrocknen könne nicht nur die nationale Sicherheit der USA untergraben, sondern auch „unsere Fähigkeit verringern, die UN für die Unterstützung vitaler US-Interessen einzuspannen“.
Die UN-Stiftung selbst schreibt über Turners Motivation:
„Teds Ziel bei der Gründung der Stiftung war es, den Wert von Investitionen in die UN zu zeigen, neue Partner zu motivieren, mit der UN zu arbeiten, und eine starke Führungsrolle der USA bei der UN zu fördern.“
Am Anfang gingen noch fast alle Ausgaben der UN Foundation an die UN. Im Gegenzug durfte der Vorstand von Turners Stiftung über die Ausgestaltung der damit geförderten UN-Projekte mitbestimmen.
Im Lauf der Jahre wurde der Anteil des Geldes, das an die UN ging stark reduziert. Stattdessen wurden immer mehr Aktivitäten von (überwiegend amerikanischen) Organisationen außerhalb der Regie der UN aber in Partnerschaft mit der UN finanziert. Und es gab noch eine zweite Veränderung: Anstatt der UN nur eigenes Geld zu überweisen, betätigte sich die Stiftung bald vorrangig als Sammelstelle für UN-Unterstützungsgelder. Von den 52 Millionen Dollar, die die Stiftung 2013 an das Kinderhilfswerk UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation WHO überwies, stammten nur noch zwei Millionen aus Turner-Geld, der Rest von externen Geldgebern. 2015 und 2016 kam gar kein Geld mehr von Turner.
Auch das von der Stiftung an die UN überwiesene Geld insgesamt ging immer mehr zurück. Nach zehn Jahren waren von der versprochenen Milliarde erst 650 Millionen Dollar von Turners Geld an die UN geflossen. Die Stiftung entschied, mit Zustimmung der UN (die sich kaum weigern konnte), das restliche Drittel aus dem Milliardenversprechen dafür einzusetzen, die Stiftung dauerhaft zu etablieren, das Geld also nicht der UN zu geben.
Viel von dem extern beigesteuerten Geld wäre sicherlich auch so an die UN-geflossen. Das gilt insbesondere für die 200 Millionen Dollar, die Regierungen bis 2016 über Turners Stiftung an die UN leiteten. Für die Stiftung hatte die Funktion als Durchleitungsstation den schönen Effekt, dass sie ihre Macht über das Gebaren der UN weiter steigerten. Man muss sich das klar machen: Regierungen leiten Geld an die UN über eine private, unternehmensnahe Stiftung, damit diese dafür sorgt, dass die UN sich beim Geldausgeben nach den Vorlieben dieser privaten Stiftung und deren privater Partner richtet. Die Regierungen, die das mitmachten, waren wie die US-Regierung Komplizen bei der Unterwerfung der UN durch die Konzerne.
2016 war der mit Abstand größte Geldgeber der UN-Stiftung die Bill & Melinda Gates Stiftung des Microsoft Gründers Gates und seiner Frau.
Im Dunkeln ist gut Munkeln
Die ursprüngliche Vereinbarung zwischen UN und UN-Stiftung ist öffentlich. Eine interne UN-Prüfung für die Jahre 2008 bis 2012 monierte, dass der UN Fonds UNFIP, der das Geld der UN-Stiftung entgegennahm, bei der Auswahl und Prüfung der zu fördernden Programme fast nichts zu sagen hatte, und auch oft über die Geldgeber im Dunkeln blieb. Als Konsequenz wurde die Beziehungsvereinbarung mit dem UN-Fonds revidiert und der Gemeinsame Koordinationsausschuss geschaffen. Die Verhandlungen fanden ohne Aufsicht von UN-Mitgliedsregierungen hinter verschlossenen Türen statt. Das Abkommen wird geheim gehalten. Wer in diesem Ausschuss Mitglied ist, ist ebenso geheim wie die Protokolle des Ausschusses.
Von Anfang an betätigte sich die UN Stiftung als Türöffner für die Privatwirtschaft bei der UN, sei es als Werber für und Finanzierer von gemeinsamen öffentlich-privaten Programmen, sei es durch die Förderung von Lobbyeinrichtungen der Privatwirtschaft bei der UN. Sie ging sogenannte Anker-Partnerschaften mit etwa zwei Dutzend Großkonzernen ein, darunter Exxon, Mobile, Shell, Goldman Sachs und Bank of America. Seit 2010 gibt es einen Business Council for the United Nations (BCUN), einen Rat der Konzerne, bei der Stiftung. Der BCUN wirbt damit, dass er genau über Geschäftsgelegenheiten für Mitgliedsunternehmen bei und mit der UN Bescheid weiß:
„Der Business Council for the United Nations bietet seinen Mitgliedern einzigartige Gelegenheiten direkt mit der UN in Kontakt zu kommen. Unsere Beziehungen zu Schlüssel-Entscheidern und Diplomaten bei der UN, die an globalen Themen von Bedeutung für unsere Mitgliedsunternehmen arbeiten, ermöglichen relevanten und aktuellen Informationsaustausch.“
Allmählich werden diese Umtriebe vielen UN-Mitgliedsländern zu bunt. Im Jahr 2015 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution mit der Forderung, für alle relevante Partnerschaften die Partner, deren Beiträge und die offiziellen Kofinanzierungen offenzulegen. Außerdem müsse die Rechnungslegung und das Risikomanagement gestärkt werden, um die Reputation der UN zu wahren. Wenn eine Instanz wie die UN-Generalversammlung eine solche Resolution verabschiedet, darf man davon ausgehen, dass es bereits an vielen Stellen ziemlich stinkt.
Im Jahr 2016 legte die Entwicklungsländergruppe in der UN, G77, mit einer Erklärung nach. Sie forderte, den Mitgliedstaaten Möglichkeiten zu geben, die Aktivitäten von öffentlich-privaten UN-Partnerschaften zu untersuchen und zu beaufsichtigen. Mit anderen Worten: Wenn die Konzerne in Partnerschaft mit der UN oder in eigener Regie sogenannte UN-Ziele in armen Ländern fördern, geschieht das offenbar oft nach den Prinzipien „Geld regiert“ und „Vogel friss oder stirb“. Mitwirkung oder Kontrolle durch die Regierungen der betroffenen Länder ist nicht vorgesehen – mit einer Ausnahme: Sie sollen einen förderlichen regulatorischen Rahmen schaffen.
Kooperation mit dem Weltwirtschaftsforum
Die Mehrung der Gewinnchancen und des Einflusses der (amerikanischen) Konzerne stand früh auf der Agenda der Stiftung. 2002 und 2003 veranstaltete sie gemeinsam mit der Großkonzernlobby Weltwirtschaftsforum einen Runden Tisch mit Führungspersönlichkeiten aus Privatwirtschaft, Stiftungen und Regierungen über öffentlich-private Partnerschaften. (Die Anzahl der Regierungsvertreter reichte allenfalls für das Prädikat Feigenblatt.) Im Abschlussbericht wird betont, dass Konzerne keine wohltätigen Organisationen sind, sondern nur mitmachen, wenn sie etwas davon haben, etwa in Form von neuen Märkten oder Reputationsgewinn. Partnerschaften mit der UN erlaubten es ihnen, die Erwartungen der Öffentlichkeit zu erfüllen, ohne ihre Mission (also die Gewinnmaximierung) zu beeinträchtigen.
Im Juni 2019 schlossen die Vereinten Nationen mit dem Weltwirtschaftsforum weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ein Abkommen zur Vertiefung der Zusammenarbeit. Über 200 internationale Initiativen, Organisationen und Gruppen taten sich danach zusammen, um mit einem offenen Brief an UN-Generalsekretär Guiterres gegen die Unterordnung der UN-Arbeit unter die Interessen der Konzerne zu protestieren.
In dem offenen Brief wird der Sorge Ausdruck verliehen, dass die UN mit diesem Abkommen delegitimiert wird, einem Abkommen, das der UN-Charta diametral widerspreche. Im O-Ton:
„Dieses strategische Partnerschaftsabkommen sorgt dafür, dass Konzernlenker zu Einflüsterern der UN-Abteilungen werden. Sie werden ihren privilegierten Zugang nutzen, um für marktbasierte, gewinnträchtige ‘Lösungen’ globaler Probleme zu werben, während sie gleichzeitig wirkliche Lösungen untergraben, die im öffentlichen Interesse wären und transparenten demokratischen Verfahren folgen.“
Die Geldnot der UN, die sie in die Arme der finanzkräftigen Konzerne getrieben hat, erkennen die Briefschreiber nicht als legitimen Grund für ein solches Abkommen an. Sie schreiben:
„Herr Generalsekretär: zu versuchen, das UN-System vor Gegnern des Multilateralismus und der Geldnot zu retten, indem Sie eine Allianz mit multinationalen Konzernen eingehen, wird das System der Vereinten Nationen zerstören, nicht retten.“
Die Einschätzung, dass eine solche privilegierte Rolle für private Unternehmen der UN-Charta widerspricht, scheint auch das Weltwirtschaftsforum zu teilen. jedenfalls heißt es im Readers’ Guide zu der Studie “Everybody’s Business”, in der das Weltwirtschaftsforum seine Vorstellung über die Rolle der UN und die eigene Rolle darlegte:
„Die Vereinten Nationen haben eine Rolle – wenn auch eine, die nicht in der UN-Charta vorgesehen ist – in der Umgestaltung der globalen Governance im Sinne des Weltwirtschaftsforums.“
Aber die UN-Charta muss zurückstehen hinter dem Machtanspruch des Kapitals, denn
„Im Fall der Multinationalen Konzerne hat ihre effektive Reichweite als de-facto Institutionen der globalen Governance schon lange die Tätigkeit des UN-Systems überflügelt. (…) Multinationale Konzerne und zivilgesellschaftliche Organisationen müssen als vollwertige Akteure im globalen Governance System anerkannt werden, nicht nur als Lobbyisten.“
Und wie sieht diese global Governance im Sinne des Forums aus, die die UN organisieren soll? Ein Zitat aus der gleichen Quelle macht das deutlich:
„Die Vorteile des Zusammeführens des informellen, marktbasierten Systems mit dem offiziellen, staatenzentrierten System wären, dass Multis als gleiche oder gar mehr als gleiche Partner in ein transformiertes UN-System eintreten würden.”
Ausführlicher hier:
Bezug zur Corona-Politik
Das Budget der Weltgesundheitsorganisation wird zu 80% von privaten Geldgebern, also global tätigen Konzernen und mit diesen verbundenen Stiftungen gestellt. Diese haben entsprechend großen Einfluss auf die WHO. Wenn die großen Pharmakonzerne mehr Interesse an Impfstoffen haben als an Heilmitteln für Covid, könnte das dazu führen, dass die WHO und die globale Gesundheits-Community übermäßig viel mehr Gewicht auf Impfprogramme legen und die Suche nach effektiven Behandlungsmethoden vernachlässigen, die ja die Gewinne der Impfstoffhersteller bedrohen könnten.
Dasselbe gilt, wenn Organisationen wie die Gates Stiftung, die Rockefeller Stiftung und das Weltwirtschaftsforum ihren Einfluss auf die WHO geltend machen. Denn diese arbeiten an der globalen Durchsetzung einer einheitlichen digitalen Identität, ein Programm, das sich mit Impfausweisen hervorragend befördern lässt, nicht dagegen durch Covid-Heilmittel.
Anfang Januar fast ein Jahr nach Beginn der Pandemie hat Bundesforschungsministerin Anja Karliczek ein Förderprogramm zur Entwicklung von Arzneimitteln gegen COVID-19 vorgestellt, dotiert mit schlanken 50 Mio. Euro. Zum Vergleich: Die EU und verschiedene europäische Regierungen, zuvorderst die Bundesregierung, haben schon Anfang Mai also vor acht Monaten eine Covid-19-Geberkonferenz abgehalten und 7,4 Milliarden Euro Steuergeld zur Förderung der Impfstoffentwicklung zugesagt.
Auch Ausgestaltungen von Lockdowns und Entschädigungsprogrammen, die stark zu Lasten der kleinen Betriebe und Geschäfte gehen, und große Konzerne eher schonen, oder ihnen sogar helfen – was man an den gestiegenen Aktienkursen ablesen kann – könnten eine Ursache darin haben, dass die Multis einen so großen Einfluss auf die UN haben – und auf die anderen Gremien zur internationalen Politikkoordination.