Buchtipp: Sahra Wagenknecht über das, was ihr wichtig ist

Leider hat Sahra Wagenknecht Recht, wenn sie behauptet, dass es außer der Partei DIE LINKE keine linke Partei in Deutschland mehr gibt (jedenfalls nicht mit Chance auf Einzug in den Bundestag). Wähler mit linker Einstellung stehen daher vor der Wahl, die Linke zu wählen oder gar nicht zu wählen oder eine Protestwahl abzugeben. Umso wichtiger zu wissen, wofür die Spitzenkandidatin der Linken steht. Wer das aus einem langen Interview mit Florian Rötzer entstandene Buch „Sahra Wagenknecht: Couragiert gegen den Strom“ liest, der weiß es.

Man kann Sahra Wagenknecht vieles vorwerfen, aber sicher nicht, dass sie nicht sagt, was sie denkt, und dass sie anders handelt, als sie redet. Das zeigt ihre in diesem Buch beschriebene Ost-West-Biografie ebenso, wie ihr konsequentes Abstimmungsverhalten im Bundestag (und das ihrer Partei). Man sieht es auch daran, dass sie Korrektsprech nur ziemlich unvollständig beherrscht und noch Wörter wie „Flüchtlingsströme“ benutzt. Hier also einige zentrale Aussagen zu verschiedenen Themen aus ihrem Buch:

Links

Für mich ist links, die soziale Frage zu stellen, die Verteilungsfrage. … Links ist, Partei für diejenigen zu ergreifen, die nicht zu den Gewinnern der heutigen Wirtschaftsordnung gehören, für die, die keinen großen Kapitalbesitz haben.

Kapitalismus und Post-Kapitalismus

Ein Kapitalist ist für mich jemand, der ein Unternehmen als bloßes Anlageobjekt betrachtet. Ein Unternehmer ist hingegen jemand, von dessen Power ein Unternehmen lebt. Der Kapitalismus ist also eine Wirtschaftsordnung, in der die Unternehmen Mittel zum Zweck der Renditeerzielung ihrer Eigentümer sind. … Das kann man nur überwinden, wenn große Unternehmen kein Privateigentum sind. Es gibt heute schon Unternehmen in Stiftungshand, die keine Eigentümer mehr haben, die sich dadurch bereichern können. Meines Erachtens ist das das Grundprinzip, das man verallgemeinern sollte.

Wettbewerb

Unternehmen müssen miteinander im Wettbewerb stehen, weil es sonst zu wenig Druck gibt, innovativ und produktiv zu sein und sich an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren. … Aber man muss dafür sorgen, dass die Wirtschaftsordnung es nicht einigen wenigen erlaubt, sich zu Lasten aller anderen schamlos zu bereichern. Eine gerechte Ordnung muss jedem die Chance geben, seine Begabung zu entwickeln und sich hochzuarbeiten.

Eigentum

Früher dachte ich, die Alternative ist, dass alles vergesellschaftet wird. Das funktioniert aber auch nicht, weil es dann keine Anreize mehr gibt, Leistung zu erbringen, und der Staat auch zu unbeweglich ist, sich um kommerzielle Unternehmen zu kümmern.

Vermögenssteuer

Die Superreichen haben es durch ihre Kampagne geschafft, eine Forderung, die noch Ende der 1990er Jahre von vielen Parteien unterstützt wurde, in eine politische Pfui-Ecke zu verbannen, wo sich keiner mehr hinwagt. …Es heißt, dass eine Vermögenssteuer kaum etwas einbringt und nur bürokratischen Aufwand erzeugt. Das könnte man mit weit mehr Rechtfertigung über die akribischen Kontrollen von Hartz-IV-Empfängern sagen.

Terror

Wenn wir über Terror reden, dann müssen wir auch über Kriege und Drohnenmorde reden. Als der erste sogenannte Krieg gegen den Terror begann, 2001 in Afghanistan, gab es wenige hundert international gefährliche Terroristen. Heute, nach 16 Jahren ‚Anti-Terror-Krieg‘ sind es hunderttausende…. Wer den Terrorismus wirklich schwächen will, muss aufhören, immer mehr Länder durch Krieg zu destabilisieren.

Flüchtlingsströme

Auch ein Großteil der weltweiten Flüchtlingsströme ist das Ergebnis von Kriegen. Wenn Frau Merkel ihr ständiges Reden über die Bekämpfung der Fluchtursachen ernst nehmen würde, müsste sie sofort alle Rüstungsexporte in die Golfregion unterbinden.

Einwanderungspolitik

Wer wirklich verfolgt wird, muss Anspruch auf Asyl haben. Aber der Wirtschaft über ein Einwanderungsgesetz billige Arbeitskräfte zu organsieren und ärmeren Ländern ihre qualifizierten Fachkräfte abzuwerben, ist das Letzte, was Deutschland tun sollte. Das ist unverantwortlich.

Europäische Union

Verlagert man immer mehr Kompetenzen auf eine Ebene, wo die Großunternehmen viel einflussreicher sind als alle anderen Interessengruppen, wird die Demokratie noch mehr ausgehöhlt, die Profitinteressen dominieren noch unverschämter. Es ist eine völlige Illusion zu glauben, dass eine europäische Regierung den Konzernen besser Paroli bieten könnte als die Regierungen der einzelnen Staaten.

Linke Wirtschaftspolitik ist unter Einhaltung der aktuellen EU-Verträge im Grunde nicht mehr machbar.

Russland

Wenn man der Meinung ist, dass Frieden und Sicherheit in Europa nur mit Russland und nicht gegen Russland gewährleistet werden können, muss man den russischen Oligarchen-Kapitalismus und den Regierungsstil von Putin deshalb noch lange nicht gut finden.

Roboter und Digitalisierung

Eigentlich ist es doch ein Fortschritt, wenn mit weniger menschlicher Arbeit der gleiche Wohlstand geschaffen werden kann. … Die Arbeit wird weniger, das ist richtig. Das spricht dafür, das genaue Gegenteil dessen zu tun, was die Politik derzeit macht, also nicht die individuelle (tägliche, Jahres- und Lebens-)Arbeitszeit zu verlängern, sondern sie zu verkürzen.

Bedingungsloses Grundeinkommen

Damit verabschiedet sich die Gesellschaft von ihrer Verantwortung, jedem Menschen die Chance zu geben, sich mit eigener Arbeit ein anständiges Einkommen zu verdienen. … Die Idee kommt aus dem Silicon Valley. Sie wollen die Gewinne der Digitalisierung für sich vereinnahmen, aber sie können die aus der Bahn geworfenen und ihrer Arbeit Beraubten auch nicht verhungern lassen. Sie müssen es ja auch nicht bezahlen, sondern der Staat. Das finde ich zutiefst zynisch.

Maschinensteuer

Wir haben doch kein Interesse daran, den technischen Fortschritt zu verlangsamen. Aber man muss natürlich über die Wirtschaftsordnung reden, die dazu führt, dass die Wohlstandssteigerungen nur noch von einigen wenigen vereinnahmt werden.

Steuerflucht

Gegen die Gewinnverschiebung großer Konzerne in Steueroasen ist ein (einzelnes) Land nicht machtlos. Wenn ein Staat entscheidet, dass von dem zu versteuernden Gewinn die Zinsen ebenso wie die Lizenz- und Patentgebühren, die an Konzernteile in Niedrigsteuergebieten fließen, nicht mehr absetzbar sind, dann würde den gängigen Steuer-Sparmodellen die Grundlage entzogen.

Das Buch „Sahra Wagenknecht: Couragiert gegen den Strom – Über Goethe, die Macht und die Zukunft“ ist im September im Westend-Verlag erschienen, hat 224 Seiten und kostet 18 Euro.

Vom Verlag gibt es ein 12-minütiges Interview über ihre Politik, die SPD, Lobbyismus, Politikverdrossenheit und Goethe als einen der ersten Kapitalismuskritiker.

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[12.9.2017]

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