„Der Fluch des Bargelds“ von Ken Rogoff ist ein auf ironische Weise sehr lehrreiches Buch

Mit „The Curse of Cash“ hat der Harvard-Professor und ehemalige Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds, Ken Rogoff, ein Buch voller Falschdarstellungen und Auslassungen vorgelegt. Deren Zusammenschau macht überdeutlich, wessen Interessen Rogoff vertritt. Sein Buch ist dadurch auf eine unbeabsichtigte Weise sehr informativ.

Rogoff machte zuletzt Furore mit der einflussreichen These, wonach ab einer Staatsschuldenquote von 90 Prozent der Wirtschaftsleistung das Wachstum (zunehmend) leide. Als ein Doktorand nachrechnete, stellte sich heraus, dass die Daten, die Rogoff verwendet hatte, das gar nicht hergaben. Die Rechenfehler kann man als Versehen einordnen, aber auch Rogoffs Auswahl der Länder und der Jahre war ungewöhnlich, dem gewünschten Ergebnis aber sehr zuträglich. Nicht schön, aber leider sehr üblich im Wissenschaftsbetrieb, kann man zu solchen Praktiken sagen. Man liest, dies wissend, allerdings das Buch mit einem gewissen Grundmisstrauen. Das wird weiter genährt dadurch, dass Rogoffs Mitstreiter aus Harvard, Larry Summers, bei seinen Vorstößen gegen das Bargeld das eigene finanzielle Interesse verschwiegen und sich auf eine selbst in Auftrag gegebene (windige) Studie berufen hat, ohne das offenzulegen.

In der Einführung von Rogoffs Buch erfährt man, dass er bereits 1998 in einem akademischen Papier die Abschaffung großer Banknoten gefordert habe. Obwohl der Aufsatz in einer obskuren Fachzeitschrift erschienen sei, habe der damalige Finanzminister Robert Rubin davon gehört und die Idee mit seinem Stab diskutiert. Rogoff dazu:

„Zu meinem Leidwesen erfuhr ich später, dass sich Rubin nicht etwa auf mein Argument fokussierte, man solle alle großen Banknoten abschaffen (z.B. 50-Dollar und darüber). Vielmehr fokussierte er auf meine Vermutung, dass die geplante neue 500-Euro-Note die Dominanz der 100-Dollar-Scheins der USA in der globalen Untergrundwirtschaft gefährden könnte.“

Fast alles an dieser Darstellung ist falsch oder zumindest massiv verzerrt.

Es ging in dem Beitrag nicht um die Abschaffung aller großen Noten, schon gar nicht ab 50 Dollar, sondern – sogar schon im Titel – ganz dezidiert um die 500-Euro-Note, die im Zuge der Euro-Einführung geplant war. Rogoff ordnete das ganz explizit als Versuch ein, dem US-Dollar Marktanteile abzunehmen und kritisierte das. Nur an zwei Stellen deutet Rogoff ganz kurz und verschämt an, dass manche der vorgebrachten Argumente vielleicht auch für die 100-Dollar-Note gelten könnten. Rubin hat also den Aufsatz ganz genau so rezipiert wie er geschrieben war. Von einem „Leidwesen“ Rogoffs über die selektive Wahrnehmung Rubins kann keine Rede sein.

Die Zeitschrift war auch nicht obskur, in der der Aufsatz erschien. Es war das durchaus respektierte Econmic Policy. Außerdem wurde der Aufsatz ausführlich in einer Konferenz von renommierter internationaler Ökonomen diskutiert. Deren Stellungnahmen sind in Economic Policy mit abgedruckt.

Hätte Rogoff die Stoßrichtung seines damaligen Aufsatzes und die beträchtliche Elite-Publizität, die er bekam, korrekt dargestellt, käme vielleicht der ein oder andere Leser auf den Gedanken, dass Rogoff damals aus dem Umfeld von Rubin selbst, einem früheren Goldman-Sachs-Chef, die Anregung bekommen haben könnte, er möge die einträgliche Vorherrschaft des Dollars als Weltleitwährung argumentativ gegen die Bedrohung durch den Euro verteidigen. Sie ist eminent wichtig, denn die USA hätten ohne das Privileg, ihre weltweiten Einkäufe mit selbstgeschaffenen Dollar zu bezahlen, schon lange Probleme, ihren riesigen Importüberschuss zu finanzieren.

Wenn man Rogoffs erstes Einsteigen in dieses Thema mit dieser Intention verknüpfen würde, könnte man auf die Idee kommen, dass das immer noch das letzendliche Ziel seiner fortgesetzten Kampagne gegen das Bargeld ist. Das würde seiner Glaubwürdigkeit doch beträchtlich schaden. Also hat er sich lieber darauf verlassen, dass keiner Fußnoten und die dort genannten Quellen tatsächlich liest, und hat sich einfach eine passende Intention seines ersten Artikels zusammengelogen.

Bretton-Woods wird ganz klein gefahren

Der Gedanke, dass Rogoff vermeiden will, als Interessenvertreter der USA und der dortigen Finanzbranche eingestuft zu werden, findet Bestätigung, wenn man das nachfolgende Kapitel zur Währungsgeschichte liest. Es ist länglich und überwiegend von bescheidener Relevanz für seine Thesen. Das wäre anders beim Thema Währungssystem von Bretton Woods und dessen Aufkündigung durch die USA 1971. Die Parallelen der Aufkündigung der Dollareinlösung in Gold mit der Bargeldabschaffung würden nämlich das Interesse der Wall Street an Letzterer sehr deutlich machen. (Weil das Ganze ein bisschen komplizierter ist, habe ich es in einen Annex am Ende verbannt.) Rogoff widmet Bretton Woods und seinem Ende in 15 Seiten zur Währungsgeschichte ganze 12 nichtssagende Zeilen.

Bargeld als insolvenzsicheres Zahlungsmittel: Kein Thema!

Im Interview mit dem Handelsblatt hatte Rogoff 2015 auf den Einwand hin, die Bürger hätten kein ausfallsicheres Zahlungsmittel mehr, wenn man Bargeld weitgehend abschaffte, erwidert, selbstverständlich müsse man den Bürgern einen Ersatz bieten. Das könne ein Jedermannkonto bei der Notenbank sein, oder ein Konto bei einer staatlich garantierten Bank – nach dem Vorbild der früheren Postsparkasse. Davon ist in seinem Buch nun keine Rede mehr. Darin geht es nur noch darum, dass jedem ein, notfalls subventioniertes Konto bei einer Geschäftsbank offenstehen müsse. Ein subventioniertes (Geschäfts-)Bankkonto für Arme ist etwas ganz anderes als die Möglichkeit für Alle, ein sicheres Konto bei einer staatlichen oder staatlich garantierten Bank zu führen. In einem aktuellen Streitgespräch auf BBC hielt ihm Fran Boait von Positive Money ebenfalls entgegen, dass die Menschen kein vor Bankinsolvenzen sicheres Geld mehr hätten, wenn Bargeld abgeschafft würde. Rogoff wich aus. Auch als die Moderatorin nachfragte, kam nichts zum Thema.

Für die Geschäftsbanken wäre es von großem Schaden, wenn Bürgern ein staatlich garantiertes Alternativangebot offen stünde. Es würde ihre Möglichkeiten zur Geldschöpfung reduzieren und sie einer stärkeren Disziplinierung aussetzen, weil Geld abfließen würde, wenn sie das Vertrauen der Kunden verspielen. Statt in Bargeld würden die Menschen dann in staatliche garantierte Konten flüchten.

Rogoff nennt und akzeptiert Misstrauen gegenüber den Banken nicht als Grund, lieber mit Bargeld zu hantieren als mit Buchgeld der Banken. Im Abschnitt „Universal Financial Inclusion“ diskreditiert er verständnisvoll diejenigen, die keine Kriminellen sind und trotzdem die Banken meiden wollen als „Individuen am Rande der Gesellschaft“, denen auch im Rogoff-Plan noch das „Sicherheitsventil“ kleine Scheine, Edelmetall u.ä. offenstünden.

Für die Pflicht zur Kontenbereitstellung an Arme sollen die Banken übrigens entschädigt werden, aus den putativen Mehrerlösen des Staates aus geringerer Steuerhinterziehung. Dass der Geldschöpfungsgewinn der Banken zu Lasten des Staates steigt, wird unterschlagen. Dass die Banken – auch dank ihres Geldschöpfungsprivilegs – Übergewinne erzielen könnten, schließt Rogoff implizit aus, indem er davon ausgeht, dass die Kunden auf jeden Fall zahlen müssten, wenn man den Banken irgendwelche Kosten oder Ertragsminderungen auferlegen würde. Dass die Gehälter vergleichbarer Qualifikationen im Bankgewerbe doppelt so hoch sind, wie im Rest der Wirtschaft, und dass die Banken bis zur Finanzkrise absurd hohe Eigenkapitalrenditen von bis zu 25 Prozent als Norm ausgegeben haben, kommt in dieser Erzählung nicht einmal zwischen den Zeilen vor.

Totale Harmonie mit den Interessen der Finanzbranche

Ich habe bei der Auswahl und Gewichtung der von Rogoff behandelten Argumente im ganzen Buch nichts gefunden, was gegen die Interessen der Geschäftsbanken ginge, aber jede Menge, was klar in ihrem Interesse ist. Dabei hat Rogoff schon auf der zweiten Seite seines Buches versprochen:

„Obwohl dieses Thema auf so viele Arten aufgebauscht und politisiert werden kann, werde ich versuchen, durchgehend einen ausgewogenen Ton anzuschlagen und sowohl die Vorteile als auch die Risiken darzustellen.“

Schon der Titel straft diese Behauptung Lügen. „Der Fluch des Bargelds“ ist nicht gerade ein ausgewogener Ton. Dieser Ton zieht sich durch das ganze Buch. Um nur einige Beispiele zu nennen: Denen, die fürchten, dass es einen Blackout geben könnte, der den Zahlungsverkehr völlig zusammenbrechen lässt, bescheinigt er „Angst“, ein Germanismus, der im Amerikanischen für diffuse, irrationale Sorgen verwendet wird. Das fällt umso mehr unangenehm auf, als er dann im Folgenden kein vernünftiges Argument bietet, warum man sich nicht sorgen sollte. Man würde ja künftig eh mit Smartphones bezahlen, schreibt er, als ob diese Netze nicht zusammenbrechen oder sabotiert werden könnten, und erwähnt, dass er ja auch aus solchen Gründen kleine Scheine weiter zulassen wolle. Alle, die Gegenargumente anführen, werden mit dem Satz als Hyperventilierer lächerlich gemacht: „So wie manche glauben, das Auslaufen lassen von Bargeld bringe unerhört Böses über die Welt, gibt es jene, die denken, dass Negativzinsen die Zivilisation unterminierten.“

Und von wegen Vorteile und Risiken ausgewogen darstellen. Die Nachteile von Bargeld und damit die Vorteile seiner Abschaffung stellt Rogoff auf den ersten 85 Seiten in drastischen Worten dar. Dann kommt sein Plan, Bargeld bis auf kleine Banknoten oder Münzen abzuschaffen. Und dann erst, nachdem er die Umsetzung dieses Plans als gegeben unterstellt hat, erwähnt Rogoff im Kontext der dann noch möglichen Abhilfen das ein oder andere Risiko. Die Risiken sind damit von vorne herein als zweitrangig klassifiziert. Sie können per definitionem allenfalls kleine Zugeständnisse rechtfertigen, wie zum Beispiel das dauerhafte Fortbestehen von Münzen oder kleinen Scheinen.

Ich habe ein Buch gegen die Abschaffung des Bargelds geschrieben (Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen: Der Weg zur totalen Kontrolle). Nie wäre es mir in den Sinn gekommen, zu behaupten, ich stelle ausgewogen das Für und Wider dar. Das wäre mir heuchlerisch vorgekommen. Dass auch Rogoff in seiner Kampfschrift selbstverständlich nicht neutral und ausgewogen ist, wäre nicht weiter der Rede wert, wenn hier nicht jemand aktiv wissenschaftliche Neutralität  und seinen Ruf als Wissenschaftler ins Feld führen würde und seine Nähe zu den Interessen der Finanzbranche auch noch durch Falschdarstellungen und Auslassungen verbergen würde.

In meinem Buch vertrete und begründe ich ausführlich die These, dass die Banken die Hauptnutznießer einer Bargeldabschaffung wären und die treibende Kraft hinter den entsprechenden Bemühungen sind. Vielleicht hätte ich noch stärker herausarbeiten sollen, warum diese Interessenlage für die US-Banken doppelt gilt, weil sie mit Guthaben in US-Dollar nicht Guthaben in irgendeiner Währung schaffen können, sondern in der Weltleitwährung.

Rogoff bestätigt diese These aus meiner Sicht eindrucksvoll, in dem er in seinem Buch alles weglässt, was den Leser auf derartige Ideen bringen könnte oder müsste, und alles, was gegen die Interessen der Banken gehen könnte. Hier eine kurze Übersicht:

1. Es gibt ein ausführliches Kapitel zum Geldschöpfungsgewinn des Staates aus der Banknotenausgabe. Der um ein Vielfaches höhere Geldschöpfungsgewinn der privaten Banken aus der Buchgeldvermehrung  wird nicht einmal erwähnt. Entsprechend wird verborgen, dass der Geldschöpfungsgewinn der Geschäftsbanken steigt, wenn derjenige des Staates durch Bargeldabschaffung sinkt.

2. Der rechtliche Status von Bargeld als einzigem gesetzlichen Zahlungsmittel und von Buchgeld der Banken als lediglich ein Anspruch auf die Auszahlung von Bargeld, bleibt ebenfalls unerwähnt. Es ist bekannter Maßen günstig für Banken, wenn Einleger möglichst wenig von diesem Auszahlungsrecht in echtem Geld Gebrauch machen. Wenn sie aus rechtlichen Gründen praktisch keinen Gebrauch mehr davon machen können, dann ist das natürlich am allerbesten für die Banken.

3. Das Konkursrisiko von Bankengeld wird nur hier und da im Vorbeigehen und verklausuliert erwähnt. Gar nicht erwähnt wird, dass im Zuge der sogenannten Gläubigerbeteiligung bei der Bankensanierung die Einleger, die künftig mangels Bargeld ihr Geld nicht mehr aus dem Bankensystem abziehen können, teilenteignet werden müssen, bevor der Staat den Banken hilft.

(Dass Rogoff all diese Aspekte geläufig sind, wird an unerwarteten Stellen deutlich, etwa am Ende des Kapitels „Digital Currencies and Gold“, wo er erwähnt, dass eine staatlich gemanagte digitale Währung einem Zugang der Bürger zu Konten bei der Notenbank gleichwertig wäre, was u.a. den Geldschöpfungsgewinn der Banken – er nennt es Fähigkeit zur Fristentransformation – stark einschränken würde.)

4. Das Thema Datenschutz und die Möglichkeit zur Totalüberwachung, wenn es fast kein Bargeld mehr gibt, wird äußerst stiefmütterlich behandelt. Das fast schon possierliche Hauptargument Rogoffs ist hier, dass er aus solchen Gründen Münzen oder ganz kleine Scheine fortbestehen lassen würde. Außerdem sei die Überwachung ohnehin schon fast vollkommen, lässt sich ein weiteres Argument aus der etwas wirren Darlegung in den zweieinhalb Seiten erahnen, die Rogoff für dieses Thema übrig hat. Das totalitäre Gedankengut hinter derlei Argumenten, haben Rogoffs Harvard-Kollegen Summers und Sands in einer Pseudo-Studie gegen das Bargeld unfreiwillig entlarvt. Es lautet etwa: Wenn wir es schon okay finden, diejenigen zu überwachen, die freiwillig den elektronischen Zahlungsverkehr nutzen, dann sollte das doppelt der Fall sein, bei den zwielichtigen Gestalten, die sich dieser Überwachung entziehen wollen, indem sie Bargeld nutzen.

5. Dass viele der größten Banken in Geldwäscheskandale im Milliardenbereich verwickelt sind, die oft nichts mit Bargeld zu tun haben, wird ignoriert.

6. Die durch Bargeldabschaffung verbesserten Möglichkeiten, die Einleger durch deutlich negative Zinsen teilzuenteignen, zum Kredit-Aufnehmen und zum Geld-Ausgeben zu bringen, stellt Rogoff als effektive und weitgehend alternativlose Möglichkeit dar, die Wirtschaft anzukurbeln, wenn die Zinsen schon bei Null sind und die Rezession hartnäckig ist. Die äußerst ungünstigen Verteilungswirkungen dieser Politik erwähnt er nicht, anders als zum Beispiel Vertreter der Bank von England. Niedrige Zinsen treiben nämlich die Preise von Vermögenswerten nach oben, die wie der Name schon sagt, ganz überwiegend von den Vermögenden und daneben von der Finanzbranche gehalten werden. Nur bei Leuten mit bescheidenen und mittleren Vermögen machen die Geldvermögen, die entwertet werden, einen größeren Teil ihrer Vermögen aus. Alternativen, wie etwa das immer mehr diskutierte, bei der Finanzbranche aber nicht gerade beliebte Helikoptergeld, werden nicht einmal erwähnt. Helikoptergeld bedeutet in seiner einfachsten und plakativsten Form, dass alle Bürger von der Zentralbank einen Scheck geschickt bekommen, anstatt dass das zusätzliche Geld erst einmal den Banken geschenkt wird, oder dass durch Wertpapierkäufe den Vermögenden etwas Gutes getan wird.

7. Schon bei positiven Leitzinsen nahe Null haben die Banken ein Problem, weil sie die übliche Zinsspanne gegenüber den Kunden nicht mehr durchsetzen können. Deshalb jammern ja u.a. die deutschen Banken bereits so sehr und plädieren für Bargeldabschaffung. Man kann die Negativzinsgeschichte also auch so einordnen, dass die Gewinnspannen der Banken gewahrt werden sollen. Natürlich tut Rogoff das nicht.

Das alles heißt nicht, dass ich das Buch nicht mit Gewinn gelesen hätte. Nicht nur durch Rogoffs Auslassungen und Verzerrungen erfährt man viel. Man lernt auch, wie intensiv und wie lange schon das Thema beim IWF und in Notenbankkreisen diskutiert wird, und in den Lobby-Club G30, in dem sich hochrangige Notenbanker auf äußerst fragwürdige Weise mit hochrangigen Bankmanagern und Kapitalanlegern großer internationaler Häuser hinter geschlossenen Türen abstimmen. Ich halte die G30 für ein Fokuspunkt aus dem heraus Leute wie Larry Summers die Kampagne gegen das Bargeld vorantreiben. Ein Bereichsleiter der Bundesbank hat diese Kampagne jüngst bei einer Parlamentsanhörung „Krieg der Finanzbranche gegen das Bargeld“ genannt. Im Juni 2015 habe man auf den G30 das Thema Bargeldabschaffung diskutiert, schreibt Rogoff in den Danksagungen. Außerdem bedankt er sich für Einladungen und Kommentare der Federal Reserve, der Bank von England, der Schweizerischen Nationalbank und den Notenbanken von Russland, Singapur, Schweden, Israel und Chile, beziehungsweise deren Mitarbeitern.

Es gibt aus meiner Sicht keinen begründeten Zweifel, dass Rogoffs schriftstellerisches Engagement Teil des „Kriegs der Finanzbranche gegen das Bargeld“ ist, und das auch die wichtigsten  Notenbanken an seiner Seite eifrig mitmachen. Nur die Bundesbank und wenige andere sind etwas rebellisch.

Annex: Was die Aufkündigung der Dollar-Goldbindung mit der Bargeldabschaffung gemein hat

Das Festkurssystem von Bretton Woods nach dem zweiten Weltkrieg beruhte darauf, dass die USA die Weltleitwährung bereitstellte, aber dabei dadurch diszipliniert wurde, dass sie versprachen auf Wunsch anderen Zentralbanken für Dollar zu einem festen Kurs Gold auszuhändigen. Da die USA zu viele Dollars weltweit in Umlauf brachten, um diese Verpflichtung noch erfüllen zu können und zu wollen, brachen sie ihr Einlösungsversprechen und kündigten es dauerhaft auf.

Seither ist die Fähigkeit der USA und der Wall-Street-Banken, weltweit mit selbstgeschaffenen Dollarguthaben Wertpapiere und Güter einzukaufen, nur noch dadurch begrenzt, dass der Dollar seinen Status als Leitwährung behält. Das wurde unter anderem dadurch unterstützt, dass der IWF 1978 allen Mitgliedsländern verbot, ihre Währungen mit einem Versprechen der Einlösung in Gold zu versehen und dadurch möglicherweise attraktiver als den Dollar zu machen. Momentan sind wir ein einer Phase, in der das Vertrauen in das Bankensystem, das mit seinem Buchgeld den allergrößten Teil des Geldumlaufs bestreitet, massiv angeschlagen ist. Bargeld ist nun einer der wichtigsten Möglichkeiten für Geldnutzer, sich der Gefahr von Bankenpleiten zu entziehen. Das Pendant zum versprochenen Eintausch von Dollars in Gold, dem sich die USA damals durch Aufkündigung entzogen, stellt heute die Aufkündigung der jederzeitigen Einlösbarkeit des Buchgelds der Banken in das gesetzliche Zahlungsmittel Bargeld dar. Würden die USA diese Möglichkeit einseitig begrenzen und die Dollar-Bargeldnutzung erschweren, ohne dass wichtige Konkurrenten um den Status der Leitwährung, wie der Euro, mitmachten, könnte dies den Status des Dollar gefährden, mit dramatischen Konsequenzen für die USA im allgemeinen und die Wall Street im Besonderen. So wie damals allen Ländern verboten wurde, ihre Währung an Gold zu koppeln, nachdem die USA damit aufgehört hatten, soll heute allen Ländern verboten werden, das Buchgeld in ihrer Währung an ein staatlich garantiertes gesetzliches Zahlungsmittel zu koppeln, und so wertmäßig zu verankern.

[13.9.2016]

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