Bargeld-Branchenverband ESTA nimmt Stellung zum Bargeld-Urteil des Europäischen Gerichtshofs

5. 02. 2021 | Der europäische Verband der Bargeldbranche, ESTA, hat eine Stellungnahme zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs in meinem Verfahren abgegeben, in dem es um das Recht geht, den Rundfunkbeitrag mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel Euro-Bargeld zu bezahlen. Er stimmt mir zu, dass die Begründung des Gerichts dafür, dass die Verpflichtung zur Annahme des gesetzlichen Zahlungsmittels durch nationale und subnationale Gesetzgeber eingeschränkt werden könne, fehlerhaft ist.

Da die volle Stellungnahme der ESTA zum EuGH-Urteil echt lang ist, beschränke ich mich hier auf die Passagen, die ich für besonders wichtig und interessant halte, in meiner Übersetzung.

Anmerkungen zum Urteil

Es gibt eine Reihe von wichtigen Punkten, die in dem Urteil zu beachten sind.

Die EU hat sich ausdrücklich zu Bedeutung und Reichweite des Begriffs „gesetzliches Zahlungsmittel“ im Sinne einer quasi „absoluten“ Annahmeverpflichtung von Bargeld geäußert

Das Urteil bestätigt in § 51, dass nur der EU-Gesetzgeber die Möglichkeit hat, festzulegen, was der Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels beinhalten soll. Dies schließt jegliche Kompetenz der Mitgliedstaaten aus.

Das Urteil führt in § 55 weiter aus, dass es „für die Verwendung des Euro als einheitliche Währung und insbesondere für die Erhaltung der Wirksamkeit von auf Euro lautendem Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel nicht erforderlich ist, dass der EU-Gesetzgeber die Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Verpflichtung erschöpfend und einheitlich festlegt, sofern gewährleistet ist, dass jeder Schuldner grundsätzlich die Möglichkeit hat, eine Zahlungsverpflichtung in bar zu erfüllen“.

ESTA ist jedoch der Ansicht, dass die EU-Gesetzgeber genau das getan haben, als sie die Empfehlung 2010/191/EU verabschiedeten, sodass die Frage der Auslegung dessen, was die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Ausnahmen vom gesetzlichen Zahlungsmittel tun können oder nicht, bereits beantwortet ist.

Absatz 1(a) der Empfehlung 2010/191/EU besagt, dass „der Gläubiger einer Zahlungsverpflichtung Euro-Banknoten und -Münzen nicht ablehnen kann, es sei denn, die Parteien haben sich auf andere Zahlungsmittel geeinigt“. Tatsächlich definiert diese Bestimmung ausdrücklich den Umfang und die Wirkungen des gesetzlichen Zahlungsmittels Euro-Banknoten und -Münzen. Sie lässt Ausnahmen zu, die jedoch sehr eng gefasst sind.

ESTA stimmt mit § 48 des Urteils überein, wonach gemäß Artikel 288 Absatz 5 AEUV [Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union] gilt: „Empfehlungen sind nicht dazu bestimmt, verbindliche Wirkungen zu erzeugen und können keine Rechte begründen, auf die sich Einzelne vor einem nationalen Gericht berufen können“. Aber, wie das Urteil ebenfalls feststellt, ist eine Empfehlung dennoch sehr relevant für die Auslegung des Gesetzes, insbesondere wenn der Wortlaut so klar ist wie der von Absatz 1(a) oder der Empfehlung.

Zwar kann eine Empfehlung keine Bindungswirkung der Art erzeugen, dass sich Verbraucher vor Gericht darauf berufen können, weil unverbindliche Rechtsakte keine unmittelbare Wirkung entfalten. Dagegen tut dies Artikel 128 des Vertrags, da die EU-Rechtsprechung den Grundsatz der unmittelbaren Wirkung des Primärrechts unter bestimmten Bedingungen festgelegt hat.

Das in diesem Artikel vorgesehene gesetzliche Gebot wurde vom EU-Gesetzgeber im Wesentlichen in einer Weise definiert, die nach der Rechtsprechung des EUGH die Voraussetzungen für die unmittelbare Wirkung des Primärrechts erfüllt, da es nun präzise, klar und unbedingt ist (mit Ausnahme der Freiheit der Parteien, etwas anderes zu vereinbaren). Außerdem haben die Mitgliedstaaten, wie das Urteil betont, keinen Spielraum in dieser Angelegenheit, da es sich um eine ausschließliche Zuständigkeit der EU handelt.

Während Artikel 128 AEUV zunächst nur eine allgemeine Verpflichtung zur Annahme von Bargeld vorsieht, ohne näher zu definieren, was darunter zu verstehen ist, ist die Definition des Begriffs „gesetzliches Zahlungsmittel“ in der Empfehlung sehr klar und spezifisch und sehr zwingend in Bezug auf ihre Auslegung.

Dies gilt insbesondere deshalb, weil der allererste Erwägungsgrund der Empfehlung 2010/191/EU ausdrücklich auf Art 128 AEUV verweist. Die Empfehlung leitet sich also unmittelbar aus Art 128 ab, der „die Einheitlichkeit des Euro untermauert und eine Voraussetzung für die wirksame Durchführung der Währungspolitik der Europäischen Union ist“ (§ 43).

Wir sehen in dem Urteil keine nachvollziehbare Begründung, warum in Ermangelung einer gegenteiligen Regelung im EU-Recht der in Art 128 AEUV festgelegte Umfang des gesetzlichen Zahlungsmittels im Hinblick auf die Annahmepflicht von Bargeld als nicht präzise definiert gelten soll.

Darüber hinaus ist im Urteil nicht begründet, warum die im EU-Recht definierte Annahmepflicht nur als „grundsätzlich“ angesehen werden sollte.

ESTA ist daher der Ansicht, dass der EU-Gesetzgeber eine Regelung getroffen hat, die daher als strikte Verpflichtung zur Annahme von Bargeld geregelt ist, außer in ganz bestimmten Fällen, deren Umfang sehr eng zu verstehen ist.

Die Verpflichtung zur Annahme von Bargeld als zentrales Element der Geldpolitik der Eurozone

Das Urteil erkennt, dass jeder Mitgliedstaat, der „eine nationale Regelung erlässt, die die Abschaffung des Bargelds rechtlich oder tatsächlich bezweckt oder bewirkt“, wegen der ausschließlichen Zuständigkeit der EU in diesem Bereich gegen EU-Recht verstoßen würde (§ 62).

Maßnahmen, die de jure oder de facto zur Abschaffung des Bargelds in einem Mitgliedstaat der Eurozone führen oder den Bargeldumlauf so reduzieren würden, dass der Bargeldkreislauf nicht mehr aufrechtzuerhalten ist, würden daher als unvereinbar mit der ausschließlichen Zuständigkeit der EU angesehen, da das Verschwinden des physischen Euro faktisch jegliches gesetzliche Zahlungsmittel zum Euro in diesem Land vernichten würde – genau das, was die Mitgliedstaaten laut Gerichtshof nicht tun dürfen (siehe u.a. § 51, 58, 78).

Eine Reihe von Ländern außerhalb der Eurozone – DK, NO, SE und UK – haben bereits Gesetze zum Schutz von Bargeld verabschiedet oder ziehen diese in Erwägung, insbesondere durch spezifische Bargeldverpflichtungen für den Bankensektor. Damit wird anerkannt, dass Bargeld schneller als erwartet verschwinden könnte, wenn nicht etwas für den Schutz von Bargeld getan wird, und die COVID-Krise trägt erheblich dazu bei.

Die verpflichtende Annahme von Bargeld – oder deren Kehrseite, das Recht auf Barzahlung – ist eine der notwendigen Maßnahmen, um einen nachhaltigen Bargeldkreislauf zu sichern. Betrachtet man die Umstände des Bargeldkreislaufs, so wird die verpflichtende Annahme von Bargeld zu einem selbstverständlichen Teil der Geldpolitik, denn ihr Fehlen führt zum Verschwinden des Bargelds. Andernfalls würde die Einheitlichkeit der Geldpolitik untergraben, wie es der Fall wäre, wenn die Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Auslegungen des gesetzlichen Zahlungsmittels als Verpflichtung zur Annahme von Zahlungen berechtigt wären. (…)

Erwägungsgrund 19 der Verordnung Nr. 974/98

Die Schlussanträge [des EU-Generalanwalts] sowie das Urteil stützen sich auf Erwägungsgrund 19 der Verordnung Nr. 974/98 als weitere Begründung für ihre Auslegung, dass die Verpflichtung, den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel zu akzeptieren, nur „grundsätzlich“ bestünde. ESTA ist der Ansicht, dass dieser Teil der Verordnung in keiner Weise die Schlussfolgerung stützen kann, dass die Annahme von Bargeld nur eine grundsätzliche Verpflichtung ist. ESTA würde sogar das Gegenteil behaupten.

Die Verordnung 974/98 befasst sich mit der „Einführung“ des Euro. Ihr Erwägungsgrund 19 lautet: „(19) Auf die nationalen Währungseinheiten lautende Banknoten und Münzen verlieren spätestens sechs Monate nach Ablauf der Übergangszeit ihre Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel. Von den Mitgliedstaaten aus öffentlichen Gründen festgelegte Beschränkungen für Zahlungen in Banknoten und Münzen sind nicht unvereinbar mit der Eigenschaft der Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel, sofern andere rechtmäßige Mittel zur Begleichung von Geldschulden zur Verfügung stehen (…).“

Erwägungsgrund 19 bezieht sich wohl nur auf die Übergangszeit zum Euro, in der zwei Währungen, die beide gesetzliches Zahlungsmittel sind, in einem Land koexistieren können, bis der Euro die auslaufende Landeswährung ersetzt. Dies bezieht sich auf eine sehr spezifische, zeitlich begrenzte Situation, die nun längst vorbei ist.

Ein Recht auf Barzahlung?

Das Urteil fordert auch, die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung im Hinblick darauf zu prüfen, dass alternative legale Zahlungsmittel nicht allen Steuerpflichtigen ohne weiteres zur Verfügung stehen und dass für diese Personen weiterhin eine Möglichkeit zur Barzahlung gewährleistet sein muss (§ 77).

Mit anderen Worten: Es kann eine Verpflichtung bestehen, Bargeld von bestimmten Personen anzunehmen, von anderen aber nicht. Oder, um es anders zu sagen, es kann ein Recht auf Barzahlung für Menschen geben, die keine Wahl haben. Es wird also in jedem einzelnen Fall zu entscheiden sein, wer zur Barzahlung berechtigt ist und wer nicht, und auf der Grundlage welcher Kriterien. Das wird Schwierigkeiten bei der Umsetzung mit sich bringen.

Schlussfolgerungen

Aus dem Urteil ergibt sich, dass die Verpflichtung zur Annahme von Bargeld eine recht starke ist. Das Urteil stellt fest, dass es keine „absolute“ Verpflichtung gibt. Genauso wie die Grundrechte der EU-Bürger in der Charta nicht „absolut“ sind und Einschränkungen unterworfen werden können, bleiben die Rechte bzw. die Verpflichtung recht stark und können nur auf der Grundlage sehr strenger und enger Umstände eingeschränkt werden.

Daher hat nach EU-Recht die Art und Weise, wie das in Artikel 128 AEUV verankerte gesetzliche Zahlungsmittel anschließend vom EU-Gesetzgeber in einer klaren und präzisen Sprache definiert wurde, eine unmittelbare Wirkung. Die Verpflichtung, Bargeld als Zahlungsmittel zu akzeptieren, ist zweifelsohne eine sehr starke.

Da Geld auf Vertrauen basiert und ein hohes Maß an Vertrauen für das Funktionieren einer Währung erforderlich ist, muss das Konzept des gesetzlichen Zahlungsmittels ein hohes Maß an Verpflichtung zur Annahme beinhalten, um seinen Nutzern genügend Rechtssicherheit zu bieten.

Übersetzt unter Nutzung von DeepL.com

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