Rezension von „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen“

Norbert Haering - Die Abschaffung des Bargelds und die FolgenVon Klaus Karwat, Vorsitzender von Monetative e.V. Norbert Häring ist Wissenschaftsredakteur beim „Handelsblatt“ und hat auch schon mal in der Zentrale der Commerzbank gearbeitet. Er weiß also, von was er spricht, kennt die Personen, die in der Finanzwelt Entscheidungen treffen, kann aber auch packend schreiben: Wie ein spannender Krimi lesen sich seine Recherchen über die wichtigsten Personen, die die

Abschaffung des Bargelds international vorantreiben. Diese „Anti-Bargeld-Connection“ hat verschiedene Treffpunkte: Die „Group of Thirty“, wo aktive und ehemalige Topmanager von internationalen Banken und Zentralbanken miteinander diskutieren. Vorher studierte man schon zusammen in den amerikanischen Eliteuniversitäten MIT und Harvard, plaudert gerne elitär bei den „Bilderberg-Konferenzen“ und arbeitet bevorzugt bei den amerikanischen Bankmultis JP Morgan  und Goldman Sachs. Norbert Häring hält die offizielle Begründung für die Abschaffung von Bargeld, also „Kriminalitätsbekämpfung „ und „Bekämpfung von Steuerflucht“ für vorgeschoben. Man könnte dann gleich den Bock zum Gärtner machen, denn gegen die die Bargeldabschaffung vorantreibenden Banken laufen ja gleichzeitig einige juristische Verfahren zur Begünstigung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

Vielmehr sieht er zwei Hauptgründe für den Vorschlag der Abschaffung des Bargelds: Zum einen wollen die Geschäftsbanken selbst die völlige Kontrolle über die Geldschöpfung erlangen. Bargeld ist derzeit das einzige gesetzliche Zahlungsmittel und darf ausschließlich von den dazu ermächtigen Zentralbanken gedruckt werden. Das elektronische Buch- oder Giralgeld hingegen wird von Geschäftsbanken selbst geschöpft/erzeugt. Bei Finanzkrisen misstrauen die Geldbenutzer immer wieder den Banken und nehmen deswegen ihr Recht in Anspruch, das private Buchgeld der Banken in echtes Bargeld umzutauschen. So wird Buchgeld ja auch derzeit in den Bankbilanzen verbucht: Als sofort fällige Verbindlichkeit der Banken auf Auszahlung von echtem Geld.  Mit ironischem Unterton schildert der Autor seine Erfahrungen „von einem der auszog, 15.000 € abzuheben“. Wohlgemerkt ist die Barabhebung ein Recht, das jedem zusteht, das aber zunehmend ausgehöhlt und so dargestellt wird, als wäre man an illegalen Geldtransaktionen beteiligt.  Er zieht historisch einen Vergleich zur allmählichen Aushöhlung der Golddeckung des Geldes: Auch sie war für die mächtigen Geldschöpfer ein Hemmschuh, der ihnen lästige Limits auferlegte. Auch die Golddeckung wurde erst mit dubiosen Vorwänden erschwert und dann schließlich völlig abgeschafft.  

Bei der Abschaffung des Bargelds droht aber noch eine weitere Gefahr, die gleichzeitig der zweite Hauptgrund für seine geplante Abschaffung ist: Jede Transaktion, die mit elektronischem Geld abwickelt wird, hinterlässt eine Spur, die das gesamte Leben der Menschen transparent macht. An diesen Daten sind nicht nur kommerzielle Unternehmen höchst interessiert, sondern auch staatliche Stellen. Wenn der komplette Zahlungsverkehr eines Menschen technisch überwacht werden kann, erscheint das, was die Stasi gemacht hat, wie eine harmlose Spielwiese. Nicht umsonst spricht man ja manchmal schon von „Überwachungskapitalismus“.

Der Autor bleibt aber nicht nur bei der Beschreibung solcher beängstigenden und sicherlich teilweise schon eingetretenen Szenarien stehen, sondern schildert auch seinen persönlichen Widerstand: Er verweigert die Zahlung seines Rundfunkbeitrags mit elektronischem Giralgeld und bietet stattdessen Barzahlung an. Das wurde, wie zu erwarten, nicht akzeptiert. Der Ausgang des von ihm angestrebten Gerichtsverfahrens beim Verwaltungsgericht Frankfurt darüber darf mit Spannung erwartet werden. Solche Verfahren sind natürlich nicht jedermanns Sache, aber zumindest die möglichst häufige tägliche Zahlung mit Bargeld und das regelmäßige Abheben sollte von uns allen praktiziert werden. Das ist zumindest besser, als sich widerstandslos von der „Anti-Bargeld-Connection“ entmachten und überwachen zu lassen. Noch haben wir das Recht, von Banken geschaffenes Privatgeld in echtes Geld umzutauschen, selbst wenn es uns madig gemacht werden soll. Interessant fände Häring auch, wenn in Euro-Ländern mit Bargeldbeschränkungen wie Spanien oder Italien jemand öffentlich einen Kauf über der erlaubten Grenze in bar abwickelt. Die Behörden müssten in einem solchem Fall einschreiten, was einen weiteren Klageweg eröffnen würde. Da selbst in der Satzung der EZB Bargeld als einziges gesetzliches Zahlungsmittel definiert ist, bestünden vor europäischen Gerichten gute Erfolgschancen, wenn jemand einen genug langen Atem hat.

Neben der Beschreibung von individuellen Strategien des Bargeld-Widerstands vergisst Häring aber nicht, auf den notwendigen Systemwandel des Geldsystems insgesamt hinzuweisen. Er erwähnt zunächst die Rückkehr zur Golddeckung, das Modell freier Währungskonkurrenz ohne Zentralbanken nach Hayek und Kryptowährungen wie Bitcoin und bewertet diese Modelle eher kritisch, aber noch nicht abschließend. Die längste und wohlmeinendste Betrachtung widmet er der Vollgeldreform, über die zum Beispiel bald in der Schweiz abgestimmt wird, für die aber auch in Island schon erste parlamentarische Schritte unternommen werden.  Häring weiß, dass elektronische Bezahlverfahren aus unserer modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken sind. Deswegen sollte auch elektronisches Geld zu gesetzlichem Zahlungsmittel erklärt und nur noch von öffentlichen Stellen emittiert werden. Folglich gäbe es nur noch öffentlich geschöpftes Vollgeld, das sowohl elektronisch als auch in Form von Geldscheinen und Münzen benutzt werden kann. Eine solche Vollgeldreform will er aber unbedingt ergänzt wissen durch eine konsequente Anwendung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das ja bei uns verfassungsrechtlich und durch verschiedene Gesetze eigentlich garantiert ist. Nur dass sich derzeit niemand mehr daran zu halten scheint. In einer „heilen Geldwelt“ müsste dann heute zum Beispiel der Zahlungsverkehr mit den USA gestoppt werden, weil dort kein rechtsstaatlicher Umgang mit den Daten aus unserem Zahlungsverkehr mehr gewährleistet ist. Nur wenn dies der Fall wäre, würde auch Norbert Häring eines Tages auf Bargeld verzichten. „Die Abschaffung des Bargelds und seine Folgen“ ist ein unbedingt lesenswertes Buch, das sowohl unser Geldsystem und seine Gefahren anschaulich und kenntnisreich erklärt, aber auch Mut macht zu vielfältigen Formen des Widerstands gegen die Abschaffung des Bargelds. Worauf warten wir noch? 

 

Norbert Häring: „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen: Der Weg in die totale Kontrolle“ Quadriga, März 2016. 256 S., 18,-

 

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