Hilft Widerstand doch nicht? Berlin schafft Barzahlung in Bussen wieder ab

5. 08. 2024 | Widerstand hilft, hatte ich geschrieben, als die BVG in Berlin aufgrund der Proteste der Bevölkerung die 2020 abgeschaffte Barzahlung in Bussen wieder einführte. Jetzt beseitigt sie die Barzahlungsmöglichkeit im Bus erneut. Aber diesmal werden offenbar bessere Möglichkeiten geschaffen, mit Bargeld Fahrten zu bezahlen. Besser, aber nicht gut genug.

Noch unter der rot-rot-grünen Regierungskoalition, die die anstehenden Wahlen fürchtete, beschloss der Berliner Senat Anfang 2023, dass die BVG wieder Bargeld in den Bussen akzeptieren sollte. Nun wird das unter der neuen schwarz-roten Regierung ab September wieder zurückgedreht – allerdings mit einigen Vorkehrungen. Es soll eine wiederaufladbare BVG-Guthabenkarte geben, die in den BVG-Kundenzentren und 900 Lotto-Annahmestellen angeboten werden soll. Geplant sei zudem ein Vertriebsnetz mit neuen Kooperationspartnern wie Spätis, Einzelhändlern und Tankstellen.

Wenn so etwas gut geplant wird und in gutem Glauben geschieht, ist es vernünftig und benachteiligt niemanden überrmäßig. Es trifft ja leider zu, dass Barzahlung ein Problem sein kann, wenn viele Leute warten müssen und der Fahrplan nicht mehr eingehalten werden kann, weil es manchmal zu lange dauert. Aber leider hakt es beim guten Glauben und der Vorbereitung. Warum muss so etwas mit nur einem Monat Vorlaufzeit angekündigt werden? Warum ist das Vertriebsnetz nicht beim Start fertig, wenn es am meisten gebraucht wird?`Wenn wirklich nur noch so wenige Menschen bar im Bus bezahlen wollen, ziehen die Argumente gegen das Barzahlen auch nicht mehr so sehr. Denn der Aufwand ist in vieler Hinsicht abhängig von der Häufigkeit des Barzahlens. Außerdem wurde die Anzahl der Barzahler von der BVG selbst gedrückt, weil sie über zwei Jahre lang die Barzahlungsmöglichkeit abgeschafft hatte. Auch Sprüche, wie es werde für die Kunden leichter zu bezahlen, wenn man ihnen eine Option wegnimmt, sollte man sich tunlichst schenken. Kein Wunder, dass die Leute misstrauisch und rebellisch werden, wenn man so mit ihnen redet und umspringt.

Man kann die Bezahlkartenlösung in Ordnung finden (man muss nicht), wenn mindestens folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • die Vorbereitungszeit ist lang genug,
  • es passiert nicht wie in Hamburg, dass die Karten notorisch ausverkauft und schwer zu bekommen sind,
  • das Vertriebsnetz ist fertig, groß und haltestellennah, wenn es losgeht,
  • an den Haltestellen steht, wo die nächsten Verkaufsstellen sind, wenn es keinen Automaten an der Haltestelle gibt,
  • die Karten können überall anonym gekauft werden,
  • Auswärtige können an den großen Bahnhöfen und am Flughafen an leicht zu findenden Verkaufsstellen Bezahlkarten bekommen.

Wer routinemäßig digital im Bus bezahlt, sollte sich klar machen, dass damit sein Bankkonto zu einem detaillierten Bewegungsprofil wird, das noch über Jahrzehnte abgerufen werden kann. Auch muss man davon ausgehen, dass unter den beteiligten Zahlungsdienstleistern welche sind, die die Bewegungsprofile an Daten-Aggregatoren verkaufen. Von diesen kann sie wiederum jeder bekommen, der dafür bezahlt. Wer Barzahler im öffentlichen oder im Individualverkehr diskriminiert, der arbeitet daran, ein detailliertes Bewegungsprofil der ganzen Bevölkerung zu erstellen. Das ist grundgesetzwidrig.

Fazit

Widerstand und Protest helfen. Diesmal sind die Möglichkeiten, bar für Fahrkarten zu bezahlen, wohl deutlich besser als beim ersten Mal. Aber die obigen Bedingungen dürften kaum erfüllt werden. Widerstand und Protest sind daher weiter nötig.

Print Friendly, PDF & Email