Wenn es nach dem Gründer und langjährigen Chef des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber, geht, dann entspräche es einem „fundamentalen Gerechtigkeitsprinzip“, jedem Menschen bis Mitte des Jahrhunderts rund drei Tonnen CO2-Emissionen jährlich zur Verfügung zu stellen. Das ist weniger als ein Drittel dessen, was Deutsche derzeit im Durchschnitt durch ihren Konsum jährlich verursachen, aber deutlich mehr, als beispielsweise Schwarzafrikaner im Durchschnitt freisetzen.
Das durfte der Physiker nicht zum ersten Mal am 12. Januar im ARD-Magazin Panorama publikumswirksam verbreiten. Auf tagesschau.de ist es nachzulesen. Zur Unterfütterung gibt es von Panorama noch einen längeren und eigentlich recht informativen Text darüber, wie viel mehr Treibhausgase die Reichen verursachen als die weniger Begüterten.
Das Weltwirtschaftsforum, wo Schellnhuber auch schon vortragen durfte, hat vor einigen Monaten ebenfalls einen Vorschlag für persönliche CO2-Kontingente veröffentlicht. Und beim Jahrestreffen in Davos diesen Januar hat der Chef des chinesischen Alibaba-Konzerns, der frühere Goldman-Sachs-Banker J. Michael Evans verkündet, sein Konzern, der so etwas wie eine Kombination aus Google, Facebook und Amazon ist, arbeite an einer Technologie, die es Konsumenten erlaube, ihren CO2-Fußabdruck zu messen: „Wohin reisen sie? Wie reisen sie? Was essen sie?, Was konsumieren sie auf der Plattform?“
Am 21. Januar drehte der Bayerische Rundfunk die Sache weiter mit einem Bericht mit dem Titel: „Ein festes CO2-Budget pro Kopf – wie ginge das?“ und der Einführung:
„Beschimpfungen wie „Ökofaschisten“ und „Vulgär-Marximus“ zeigen: Das ARD-Magazin Panorama vom 12. Januar hat Aufmerksamkeit erregt. Im Fokus der Sendung stand der CO2-Fußabdruck der Reichen und Superreichen in Deutschland und damit einhergehend die Frage danach, wie Klimagerechtigkeit hergestellt werden könnte.“
Reiche verursachen die meisten Emissionen
Im Panorama-Text erfahren wir unter Berufung auf das World Inequality Lab (WIL) in Paris, dass der weltweite Durchschnitt bei sechs Tonnen Treibhausgasen liege, in Deutschland liege der Durchschnitt bei elf Tonnen. Die reichsten 10% in Deutschland kämen auf mehr als 30 Tonnen pro Jahr.
Menschen, die ein Vermögen von mindestens einer knappen Million Euro haben, verursachten im Schnitt mehr als 100 Tonnen pro Jahr. Die 800.000 reichsten Menschen der Welt kämen sogar auf mehr als 2.300 Tonnen.
Und dann wird es richtig interessant: Die Emissionen der reichsten Menschen sind in den vergangenen Jahren sogar deutlich gestiegen. Sie haben sich seit 1990 fast verdoppelt. Dagegen gab es in der weltweiten Mittelschicht einen Rückgang. Das ist das Ergebnis einer Studie des WIL. Das dürfte daran liegen, dass die Superreichen noch viel reicher geworden sind.
Individuelle CO2-Zuteilungen als absurde Folgerung
Hier setzt Schellnhuber an mit seinem „fundamentalen Gerechtigkeitsprinzip“. Um das nachzuvollziehen, sollte man einen Unterschied beachten, den Schellnhuber selbst in gespielter oder echter Naivität ignoriert. Sprechen wir (a) von einem moralischen Beurteilungsmaßstab für Zustände oder Maßnahmen, oder sprechen wir (b) von einer Politikempfehlung für die reale Welt?
Als Beurteilungsmaßstab kann man Schellnhubers These akzeptieren, jedem Erdenbürger sollte ein gleicher Anteil der noch für klimaverträglich erachteten menschengemachten Treibhausgasemissionen zustehen, Man könnte auch mit guten Argumenten zu anderen Ergebnissen kommen, aber die These ist zumindest diskussionswürdig.
Aber Schellnhuber und die Journalisten von Panorama und Bayerischem Rundfunk springen von da direkt zu einer komplexen Politikempfehlung, als ob diese zwangsläufig und als einzige daraus resultieren würde. Er schlägt vor, dass jeder auf der Erde ein Kontingent von drei Tonnen im Jahr zugeteilt bekommt und diese persönlichen Emissionsrechte dann handelbar werden. Die Superreichen müssten für ihren hohen Konsum zusätzliche Emissionsrechte kaufen von den Armen, die so ihr Einkommen aufbessern könnten. [Änderungshinweis: Versehentlich stand hier zu Anfang 3000 Tonnen statt drei Tonnen.]
Das klingt sehr schön, jedenfalls wenn man bereit ist, aus Solidarität mit den Armen der Welt seinen Konsum auf weniger als ein Drittel herunterzufahren. Aber es ist so unrealistisch, wie es nur sein kann. Warum sollten die Reicheren dieser Welt und die reicheren Länder dieser Welt plötzlich einer massiven Umverteilung zustimmen, nur weil die vorhandene eklatante Einkommensungleichheit nun zusätzlich auch in CO2-Äquivalenten gemessen wird? Wir sprechen von einer Welt, in der sich die Superreichen von ihren Alliierten in den Regierungen und Parlamenten Ausnahmen vom CO2-Handel ausgerechnet für ihre Mega-Yachten und Privatjets haben gewähren lassen.
Wer will wirklich glauben, dass die Milliardäre, die auf ihren Mega-Yachten durch internationale und nationale Gewässer schippern und sich schon heute selten an irgendwelchen nationalen Gesetze halten, brav CO2-Rechte für ihre millionenteuren Tankfüllungen und ihren frivol-hohen sonstigen Konsum einkaufen werden.
Der Vorschlag wirkt auch sehr unausgegoren und alles andere als alternativlos. Schließlich gibt es bereits einen Handel mit CO2-Emissionsrechten auf der Ebene der Produzenten. Das ist zur Zielerreichung im Prinzip gleichwertig, denn es erhöht den Preis der Konsumgüter und belastet dadurch diejenigen mit hohem Konsum am meisten.
Im Gegensatz zu individuellen CO2-Budgets und Handel mit individuellen Kontingenten ist die sachgerechte Belastung auf der Ebene der Produzenten extrem viel leichter umzusetzen.
Wenn man allerdings in einer Welt mit kostspieligen CO2-Emissionsrechten auf Produzentenebene zusätzlich auf der Konsumentenebene die gleichen Konsumgüter noch einmal belastet, wird die Belastung zu hoch.
Ausgesprochen unschöne Nebenwirkungen
Das eine Umsetzung des gesamten Vorschlags von Schellnhuber absolut unrealistisch ist, sieht man schon daran, dass die Milliardärslobby Weltwirtschaftsforum den Vorschlag promotet. Man sollte sich deshalb fragen, was passiert, wenn man an der Umsetzung der Teile arbeitet, die sich umsetzen lassen, und wem das nützen würde.
Dann wird ganz schnell ein Schuh daraus.
Um individuelle CO2-Budgets ins Auge fassen zu können, muss der gesamte Konsum der Menschen registriert und gespeichert werden. Daran arbeitet nicht nur Alibaba. Eine ganze Reihe Banken und Fintechs haben Apps entwickelt, die den Kunden erlauben, anhand ihrer Käufe mit digitalen Zahlungsmitteln ihren CO2-Fußabdruck zu schätzen.
Bisher ist das eine recht grobe Schätzung, weil den Finanzdienstleistern nur Gütergruppen bekannt werden. Aber das ist ein relativ leicht lösbares Problem. Die Rechenkapazitäten erlauben es jederzeit von Kennnummern für Gütergruppen auf solche für einzelne Waren überzugehen, also nicht mehr nur Unterhaltungselektronik, sondern Fernseher oder Lautsprecher.
Das norwegische Statistikamt hat bereits ein Projekt gestartet, mit dem es die digitalen Kassenzettel der Supermärkte und die Daten der Finanzdienstleister zu den jeweiligen Käufen zusammenführt, um zu erfassen, was genau jeder einzelne Bürger kauft. Was Norwegen kann, können andere auch, zumal wenn es nicht bloß darum geht, die Ernährungsgewohnheiten der Bürger zu erforschen, sondern die Menschheit vor dem Hitzetod zu retten.
Bargeld sollte natürlich abgeschafft werden, denn das steht der verlässlichen Erfassung aller Käufe im Wege. Dank der geplanten digitalen Zentralbankwährungen wird sich das bald umsetzen lassen.
Außerdem nötig ist eine genaue und verlässliche Identifizierung jedes Menschen, damit zum Beispiel alle Käufe über verschiedene Kanäle sicher der gleichen Person zugewiesen werden können. Das gibt den vom Weltwirtschaftsforum und den Milliardärsstiftungen vorangetriebenen Projekt global harmonisierter, digital-biometrischer Identitäten für alle Menschen Auftrieb.
Das ist der Teil des Schellnhuber-Vorschlags, der den Mächtigen wunderbar als Vorwand für die offene Verfolgung ihrer größenwahnsinnigen Projekte zur Kontrolle der Weltbevölkerung dienen kann. Sie nehmen das dankbar an.
Die Schwächsten zuerst
Zum Einstieg werden die Menschen mit Öko-Propaganda oder mit kleinen Preisen verlockt, freiwillig bei der Kontrolle des eigenen Konsums mitzumachen. Der nächste Schritt wird dann wahrscheinlich sein, dass die Schwächsten dazu genötigt werden, mitzumachen, indem staatliche oder privat-karitative Leistungen der Stiftungen nur noch in Form von Prämien für CO2-Emissionen unterhalb einer Schwelle ausbezahlt werden.
Das ist eine gut etablierte Technik, neue Überwachungsmethoden durchzusetzen. Biometrische Erkennungs- und Bezahlverfahren wurden in großem Maßstab zuerst in Flüchtlingslagern an Menschen erprobt, die sich nicht dagegen wehren konnten, und medial als großer Fortschritt propagiert. In Australien waren es die Sozialhilfeempfänger, die auf rein digital ausgezahlte Sozialhilfe gesetzt wurden, wobei bestimmte Klassen von Konsum, wie Alkohol, Glücksspiel und Drogen automatisiert blockiert wurden. Später waren es dort die Covid-Positiven, die einer automatisierten Smartphone-Überwachung unterworfen wurden.
Wenn solche Kontrollinstrumente bei den Schwachen ohne Lobby mit propagandistischer Begleitung einmal eingeführt sind, lassen sie sich später ohne allzu großes Aufsehen auch auf breitere Teile der Bevölkerung ausrollen.
Wo es im Sinne der Milliardäre enden soll
Wenn man das Weltwirtschaftsforum und die anderen derzeit Mächtigen machen lässt, wird das Endergebnis der Übung ganz sicher nicht sein, dass die Milliardäre sehr viel weniger konsumieren und CO2 verursachen als bisher. Wir erinnern uns. Wir haben gelernt, dass der CO2-Ausstoß der Superreichen, die jedes Jahr mit ihren Privatjets nach Davos fliegen, um gemeinsam Krokodilstränen über die Ungleichheit und die Erderwärmung zu weinen, in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen ist, während derjenige der Mittelschicht sank.
Nein. Geglückt wird die Aktion aus ihrer Sicht sein, wenn der größte Teil der Welt an einer ausgeklügelten automatisierten Überwachungsmaschinerie hängt und von einem globalen Grundeinkommen auf Subsistenzniveau am Leben und vom Revoluzzern abgehalten wird. Dann ist gewährleistet, dass die knapp werdenden Ressourcen noch lange Zeit für den extravaganten Lebensstil der Reichen und das Militär der Führungsmacht oder -mächte reichen.
Fazit
Lassen wir uns nicht einseifen von Leuten, die uns einreden, es gehe ihnen um den Mega-Konsum der Superreichen, um dann Methoden vorzuschlagen, wie man den Konsum der breiten Massen eindämmen kann. Niemand soll es wagen dürfen, den breiten Massen Verzicht zu predigen, solange die Mega-Yachten der Reichen vom CO2-Handel ausgenommen sind, ja auch nicht, solange diese Yachten in europäischen Gewässern fahren dürfen.
Niemand soll uns aus ökologischen Gründen Verzicht predigen, solange das Militär ungebremst und von allen Kontingenten und jeder Aufsicht ausgenommen, Treibhausgas emittiert und Schadstoffe freisetzt.
Wer sich an die größten Klima- und Umweltschädiger nicht herantraut, meint es entweder nicht ehrlich, oder ist naiv.