Ulm zeigt die Heuchelei des Politestablishments als Widerstandskämpfer für die Grundrechte

11. 02. 2024 | Die Stadt Ulm wurde bekannt dafür, dass sie Demonstranten gegen die weit überzogenen Grundrechtseinschränkungen während der Corona-Zeit Waffengewalt androhte. Nun hat das dafür verantwortliche Ulmer Politestablishment ein Bündnis „Gemeinsam für Vielfalt und Demokratie“ gegründet und eine Petition gestartet, die sich ausgerechnet auf die Geschwister Scholl beruft. Dabei verfälscht es ein Zitat der Widerstandskämpfer in äußerst vielsagender Weise.

Wir erinnern uns: Im Winter 2021/22 waren Demonstartionen gegen die überzogenen Corona-Maßnahmen fast überall verboten, unter dem Vorwand, die Teilnehmer würden sich absehbar nicht an die sogenannten Hygieneauflagen halten. Regierungsgenehme Demos durften stattfinden. Die Menschen trafen sich daher zu unangemeldeten gemeinsamen „Spaziergängen“. Dagegen erließ die schwäbische Stadt Ulm eine FFP2-Maskenpflicht in der gesamten Innenstadt. Weil diese nicht von jedem Spaziergänger beachtet wurde, „drohte“ die Stadt den potentiellen Spaziergängern in einer Allgemeinverfügung zur Durchsetzung der Maskenpflicht „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch an“. Damit war Ulm im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg kein Einzelfall.

Nachdem mein Bericht darüber einen größeren Entrüstungssturm über die Verantwortlichen hatte hereinbrechen lassen, versicherten Stadt und Polizei in einer denkwürdigen gemeinsamen Presseerklärung, dass man nicht vorhabe, auf maskenlose Spaziergänger zu schießen.

Stadt und Polizeipräsidium Ulm schließen Einsatz der Schusswaffe zur Durchsetzung der FFP2-Maskenpflicht aus
2. 02. 2022 | In einer gemeinsamen Presseerklärung haben Stadt und Polizeipräsidium Ulm am 2.2. die in der Allgemeinverfügung zur Maskenpflicht enthaltene Androhung unmittelbaren Zwangs bis hin zum Waffengebrauch wie folgt „erläutert“: „Der Einsatz der Schusswaffe zur Durchsetzung einer Maskenpflicht ist ausgeschlossen.“

Den Kreis der Verantwortlichen umriss ich seinerzeit so:

„Getrieben wurde der unglückliche Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) unter anderem von der SPD-Fraktion im Stadtrat, SPD-Landräten und Räten der Linken. In einem offenen Brief an Czisch und einem offiziellen Stadtratsantrag hatten sie gefordert, dass die Stadt sofortige Maßnahmen gegen Spaziergänger treffen solle. Sie warfen der Stadt Untätigkeit und Inkonsequenz im Umgang mit den Anti-Corona-Demonstrationen vor.“

So zeigte sich damals also das Grundrechtsverständnis von Bürgermeister, Stadträten und Landräten, als es Demonstrationen gegen staatliche Übergriffigkeit auf Bürger-Grundrechte gab, bzw. es aus Staatssicht solche Demos nicht mehr geben sollte. Das selbstironische schwäbische Motto hätte seinerzeit erweitert werden sollen zu: „Wir können alles außer Hochdeutsch … und Grundrechte.“

Fast genau zwei Jahre später hat exakt dieses Politestablishment in Ulm und um Ulm herum ein Bündnis „Gemeinsam für Vielfalt und Demokratie“ gegründet und eine Petition gestartet mit dem schönen Titel „Gemeinsam für Vielfalt und Demokratie“ um „aktiv für die Verteidigung der Grundrechte (…) einzutreten“.

Laut Südwestdeutschem Rundfunk sind unter den 80 prominenten Erstunterzeichnern „unter anderem Ulms ehemaliger Oberbürgermeister Ivo Gönner, der amtierende Oberbürgermeister Gunter Czisch sowie der künftige Oberbürgermeister Martin Ansbacher, aber auch Persönlichkeiten wie die ehemalige Kulturministerin Annette Schavan, Neu-Ulms Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger sowie die frisch gewählte Landrätin des Landkreises Neu-Ulm, Eva Treu“.

Das ist an Heuchelei nur schwer zu überbieten: Die Leute, die erst vor zwei Jahren Menschen Waffengewalt androhten, die sich weigerten, als Zeichen ihrer Unterwerfung in der Innenstadt auch an der frischen Luft eine FFP2-Maske zu tragen, starten nun eine Petition zur Verteidigung der Grundrechte.

Absehbar enthält schon der erste Satz der Petition eine Falschbehauptung:

„Schockiert von Meldungen über geplante Massendeportationen aus Deutschland …“

Das regierungsnahe „Recherchekollektiv“ Correctiv, das mit beträchtlicher Verzögerung und mutmaßlich mit Geheimdienstunterstützung die Teilnehmer und eine Beschreibung der Vorgänge bei einem Treffen rechter Politiker im November veröffentlicht hat, hat sich schon lange von der Behauptung distanziert, dort habe jemand „Massendeportationen“ vorgeschlagen. In ihren Fragen und Antworten zu den „Geheimplan Recherchen“ schreibt Correctiv „Bis heute hat keiner der AfD-Teilnehmenden an dem Treffen bestritten, dort über Pläne, Menschen aus Deutschland zu drängen, beraten zu haben.“ Das ist schlimm genug, aber recht weit von Massendeportationen entfernt.

Doch das nur am Rande. Verräterischer und vielsagender ist eine Verfälschung eines Aufrufs der im Widerstand gegen die Nazi-Regierung aktiven Geschwister Scholl, den die regierungsamtlichen Petitenten zitieren.

Im 5. Flugblatt der Geschwister, die in Ulm lebten, heißt es im Original (meine Fettung):

„Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten, das sind die Grundlagen des neuen Europa.“

Die regionale Politprominenz, die die Bürger zum demonstrieren für die Regierenden und gegen die rechte Opposition aufruft, macht daraus:

„Im 5. Flugblatt der Weißen Rose heißt es: ‚Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewalttaten, das sind die Grundlagen des neuen Europas.'“

Nun weiß man nicht definitiv, ob das absichtliche Manipulation ist, oder ob hier jemand mit der Maus ausgerutscht ist, oder die Rechtschreibprüfung unbemerkt eingeschritten ist und keiner der 80 Erstunterzeichner das gemerkt hat. Klar ist jedoch, dass sich die Petitenten kaum auf die Geschwister Scholl berufen könnten, wenn sie das Zitat korrekt wiedergeben würden.

Das würde die Absurdität noch deutlicher machen, dass hier Träger der staatlichen Gewalt für sich ein Widerstandsrecht zur Verteidigung der Grundrechte proklamieren:

„Jetzt ist es Zeit, für unsere Demokratie Gesicht zu zeigen! Denn: Ein Angriff auf einen Teil von uns ist ein Angriff auf uns alle. Deshalb sehen wir das in Artikel 20 des Grundgesetzes garantierte Recht auf Widerstand gegen Feinde der Demokratie als unsere Pflicht an.“

Und das erstunterzeichnet von Leuten, die nur zwei Jahre vorher Demonstranten gegen staatliche Grundrechtseingriffe staatliche Waffengewalt androhten!

Dass hier das noble Empfinden der Menschen, gegen Menschenfeindlichkeit einzutreten, für parteipolitische Zwecke missbraucht wird, zeigt sich an den Organisatoren des Bündnisses und an Sätzen in der Petition wie:

„Wahlen wie die Europawahl im Juni 2024 dürfen nicht zu Protestwahlen werden.“

Mit anderen Worten: So sehr Euch auch die abgehobene, militaristische, konzernfreundliche und bürgerfeindliche Politik der Regierung und der loyalen Opposition missfällt, wählt sie trotzdem, der Demokratie zuliebe!

Außerdem sollen die Menschen nach dem Willen der regionalen Politprominenz bei den Demos mitmachen, die überwiegend von Parteien und staatsnahen Organisationen organisiert werden. Wie etwa die vom Ring politischer Jugend organisierte große Demonstration gegen Rechtsextremismus in Ulm am 20. Januar. Ring politischer Jugend bezeichnet die Zusammenschlüsse der Jugendorganisationen von Union, SPD, Grünen und (meist) Linken. Auf regionaler Ebene kommen zum Teil noch weitere Parteien wie Bayernpartei oder Freie Wähler hinzu.

Das Bündnis der Ulmer Petitenten plant gemeinsam mit dem Ring politischer Jugend auch Veranstaltungen in Schulen, heißt es im Rundfunkbericht.

Allzuviele Anzeichen, dass die Wählermobilisierungskampagne der Mainstream-Parteien ihnen zu mehr Stimmen verhilft, gibt es bisher aber nicht. Und auch die Petition zieht bisher nicht so richtig. Um 20 Uhr am 11. Februar, dem Tag nach Erscheinen der Medienberichte über das Bündnis und die Petition haben noch keine 600 Menschen diese unterschrieben.

Langfristig werden die Aktionen gegen Rechts nichts ausrichten – weder zur Eindämmung der AfD, noch beim Stimmenfang für die etablierten Parteien – solange letztere nicht zu einer Politik finden, bei der die Interessen der Bürger im Zentrum stehen. Das zeigt auch die Erfahrung der Zeit vor Hitlers Machtergreifung, auf die sich die Kämpfer gegen Rechts mit dem Slogan „Nie wieder ist jetzt!“ beziehen. Dazu demnächst mehr.

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