Wegen der großen Bedeutung der Tatsache, dass der Staat sich seit Neuestem anmaßt, über die Landesmedienanstalten private Medien einer Zensur zu unterwerfen, will ich den Antwortbrief von Multipolar-Herausgeber Paul Schreyer in Auszügen wiedergeben:
„Sehr geehrter Herr Dr. Schmid,
Ihr Schreiben vom 23. August möchte ich im Namen der Multipolar-Redaktion wie folgt beantworten:
Wir weisen Ihren Versuch, unsere Berichterstattung zu beeinflussen als verfassungswidrig zurück. Wir verweisen auf Artikel 5 des Grundgesetzes sowie die damit begründeten Ausführungen des Medienrechtlers Christoph Fiedler: Die journalistische Sorgfaltspflicht ist weder für sich genommen rechtlich sanktionierbar, noch darf sie durch eine ordnungsbehördliche Aufsicht über die Redaktionen überwacht werden. (Gersdorf/Paal: Medien- und Informationsrecht“, Beck, 2021, S. 799ff). Vor einer entsprechenden Änderung des Medienstaatsvertrages im November 2020 – auf den Sie sich berufen – gab es in der Bundesrepublik Deutschland eine solche behördliche Aufsicht – selbstverständlich – auch zu keinem Zeitpunkt. Die Pressezensur wurde in Deutschland 1874 gesetzlich abgeschafft. Der Medienstaatsvertrag in aktuell gültiger Form und Ihre Berufung auf diesen sind ein Rückfall hinter diese Zeit. Das Vorgehen der Landesmedienanstalt ist ein Angriff auf die Pressefreiheit.
Wir weisen Ihre Vorwürfe zurück. Die journalistische Sorgfaltspflicht wurde in den beanstandeten Beiträgen nicht verletzt. Unsere unten folgende Argumentation dazu ist nicht als Rechtfertigung zu verstehen, da wir die von Ihnen angemaßte „Aufsicht“ wie geschildert als verfassungswidrig zurückweisen. Die Argumentation dient vielmehr der Information der Öffentlichkeit, da dieser Brief veröffentlicht wird.
(…)
Das Portal Übermedien zitiert Sie, Herr Schmid, am 7. September 2024 mit den Worten, „der Vorgang bei ‚Multipolar‘“ – damit ist der Inhalt Ihres Mahnschreibens an mich gemeint – sei „relativ unspektakulär“. Angesichts der Aufmerksamkeit, die der Fall nun öffentlich geweckt habe – erwähnt werden „viele wütende Protestschreiben“, die Sie erreicht hätten – würden Sie sich nun „selbstkritisch die Frage stellen müssen“, ob Ihr Mahnschreiben „womöglich auch etwas Kontraproduktives erreicht“. Sie erklären weiter: „Ist der Fall gut genug und stabil genug, um dem Medium eine solche Bühne zu geben?“
Durch Ihre Aussagen entsteht in unserer Redaktion der Eindruck, das Schreiben der Landesmedienanstalt an Multipolar war ein undurchdachter Schnellschuss und nicht mit der Leitung des Hauses abgestimmt. Trifft das zu? Abschließend: Ihr Schreiben ist nicht namentlich unterzeichnet und nennt keinen Ansprechpartner, was wir für unseriös halten.
Mit freundlichen Grüßen,
Paul Schreyer“
Es lohnt sich, im kompletten Antwortbrief nachzulesen, welche Beiträge die Landesmedienanstalt mit welchen windigen Argumenten in der Manier eines Wahrheitsministeriums bemängelt hat, und was Multipolar dazu zu sagen hat. Danach dürften kaum noch Zweifel bleiben, dass es sich hierbei um einen Zensur- und Einschüchterungsversuch handelt. Multipolar hat sich bei den Regierenden unbeliebt gemacht, indem es die Veröffentlichung der Protokolle des RKI-Expertenrats erklagt hat, und klagt derzeit auf weitgehende Entschwärzung dieser Protokolle. Es wurden zwar ungeschwärzte Protokollversionen geleakt und veröffentlicht. Diese haben aber einen anderen rechtlichen Status als offiziell veröffentlichte Protokolle.
Schlussfolgerung
Jede Landesregierung, die etwas auf sich, die Meinungsfreiheit und die Demokratie hält, sollte umgehend den Medienstaatsvertrag kündigen und diese Kündigung nur wieder zurücknehmen, wenn in einer geänderten Fassung klargestellt wird, dass sich Landesmedienanstalten nicht als Zensurbehörden betätigen dürfen. Multipolar ist schließlich bei weitem nicht der erste Fall dieser Art.