In ihrem Newsletter vom 23. Mai berichtet die Lobby der internationalen Großkonzerne, dass sie ihre „Convening Power“, also die Anziehungskraft des großen Geldes, eingesetzt hat, um am 20. und 21. Mai am Rande der Weltgesundheitsversammlung in Genf Vertreter von Regierungen, privaten Unternehmen und sogenannten Nichtregierungsorganisationen zum ersten jährlichen Health Roundtable zusammenzubringen. Dabei propagierte das Weltwirtschaftsforum nach eigener Aussage vor allem „innovative Finanzierungsmodelle für robustere Gesundheitssysteme“.
Shyam Bishen, Leiter des Zentrums für Gesundheit und Gesundheitsversorgung und Vorstandsmitglied des Forums beschreibt in einem Artikel, wofür die Konzernlobby die Regierungsvertreter begeistern will – wenn man den Pandemievertrag liest, offenbar bereits mit einigem Erfolg. Bevor er zum Forum kam, war Bishan bei der Bill und Melinda Gates Foundation für Partnerschaften in Sachen Gesundheit zuständig. Diese Stiftung steht im Ruf, als Großspenderin der Weltgesundheitsorganisation sehr großen Einfluss auf diese auszuüben.
In der Gesundheitspolitik seien neue Finanzierungsmodelle und größere Risikobereitschaft nötig, schreibt Bishen. Er nutzt den Rückzug der Trump-Regierung aus der WHO und die weitgehende Einstellung der sogenannten Entwicklungshilfe der USA im Rahmen der Organisation USAID als Argument dafür, die privaten Konzerne fest in die Finanzierung und Ausführung der staatlichen und überstaatlichen Gesundheitspolitik einzubinden. Dabei sollen die Privaten das Geld geben und die Richtung bestimmen und der Staat das Verlustrisiko übernehmen. Im O-Ton:
„Innovation muss jetzt weit über neue Medikamente oder medizinische Geräte hinausgehen und nicht nur die Art und Weise umfassen, wie wir finanzieren, sondern vor allem, wie wir Gesundheitssysteme bereitstellen und steuern. Wir müssen uns von der Abhängigkeit von Ad-hoc-Zusagen der Geber zur Finanzierung von Gesundheitskrisen lösen. Stattdessen brauchen wir Innovationen bei der Finanzierung, insbesondere eine Verlagerung auf gemischte Finanzierungsmodelle, die das Risiko von Investitionen verringern und weitaus größere Finanzierungspools anziehen. (…) Angesichts des Rückgangs der Auslandshilfe und der Zusammenarbeit werden die Gesundheitsdienste eher auf lokaler Ebene angesiedelt sein. Damit werden sich Aufgaben (oder Vorgaben / engl. „mandates“) der Geldgeber und ihre Möglichkeiten zur Einflussnahme ändern.“
Die nationalen Regierungen sollen also dadurch umgangen werden, dass die Konzerne, konzernnahen Stiftungen und internationale Organisationen Gesundheitsprogramme auf regionaler Ebene finanzieren und – aufgrund des Machtgefälles – die Bedingungen diktieren.
Das Ganze erinnert daran, wie US-Regierung und US-Konzerne um die Jahrtausendwende die UN und insbesondere die Weltgesundheitsorganisation unter private Kuratel stellten. Die USA stellten ihre Finanzierung ein. Eine private US-Stiftung versprach dafür in die Bresche zu springen und sammelt seither dafür Geld von Konzernen und Regierungen ein, das sie an die UN weiterleitet. Dafür bekamen die Geldgeber weitgehende Aufsichts- und Mitsprachebefugnisse zugestanden.
Der am 20. Mai verabschiedete WHO-Pandemievertrag enthält Verpflichtungen der Regierungen in der Gesundheitspolitik öffentlch-private Partnerschaften einzugehen, unter anderem beim „Ausbau von Produktionsanlagen oder -kapazitäten für pandemiebezogene Gesundheitsprodukte“. Die Interessen der privaten Konzerne werden in dem Vertragswerk sehr weitgehend gewahrt und geschützt.