Wenn Roman Pletter über Europa und das transatlantische Verhältnis schreibt, lohnt sich, genaues Lesen. Denn Pletter kennt die amerikanischen Vorstellungen von einem guten Europa gut und scheint diese auch weitgehend zu teilen. Der frisch gebackene Harvard-Absolvent und stellvertretende Ressortleiter Wirtschaft der Zeit hat mit Mathias Döpfner und Nikolaus Blome gemeinsam, dass er als Richard F. Burns Fellow
ein Journalismusstipendum in den USA bekam. Zusätzlich wählten ihn die Harvard University und die Studienstiftung des Deutschen Volkes für das McCloy-Programm aus – und damit für Höheres: Das Programm ermöglicht „künftigen Führungskräften“ ein zweijähriges Masterstudium an der Harvard Kennedy School.
„Europa ist schöner als der Euro“ heißt Pletters jüngster Essay, veröffentlicht als Aufmacher des Wirtschaftsteils der Zeit. Schon vor ein paar Monaten hatte er an gleicher Stelle zunächst überraschend das amerikanische Genörgel an der deutschen Wirtschaftspolitik zurückgewiesen (Ein Geisterfahrer? Nein Tausend!). um am Ende doch zu dem Programm zu kommen, das maßgebliche Angelsachsen von Deutschland und Europa erwarten: Entmachtung der Nationalstaaten zugunsten Brüssels, Vergemeinschaftung der Schulden, Verkleinerung des Staates, Stärkung des privaten Kapitals usw.“
„Europa ist schöner als der Euro“ ist ähnlich aufgebaut. Erst eine Einleitung, in der die Einmischungen und Empfehlungen des Hedge-Fonds-Managers und Politagitators George Soros kritisch beleuchtet werden. Dann kommt eine langgezogene, wegen der im Ungefähren und Atmosphärischen verharrenden Argumentation schwer erkennbare 180-Grad-Wende, um am Ende genau das zu propagieren, was die Politik- und Finanzelite der USA, einschließlich George Soros, will. Dazwischen geschaltet ist ein längerer Exkurs zur rhetorischen Genialität mit der Abraham Lincoln den USA nach für den Norden gewonnenem Bürgerkrieg einen gemeinsamen Narrativ gegeben habe. So einen neuen Narrativ brauche auch Europe. Der neue europäische Narrativ soll das Kleinklein der Eurorettung hinter sich lassen und „die Idee Europas als Friedensgemeinschaft neu beleben“, denn, wie Pletter ausführt: „in Anbetracht der russischen Aggression im Osten des Kontinents gibt es dafür allen Grund.“ Die Schlussfolgerung: „Mehr Macht und Demokratie auf europäischer Ebene plus gemeinsame Steuern und Haushaltsregeln der Euro-Staaten.“ Soros hätte kaum etwas einzuwenden.
Diese Botschaft zu verbreiten machen sich auch andere einflussreiche Leute derzeit ziemliche Mühe. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien erwähnt, der ehemalige Pflastersteine-Werfer, Außenminister und Princeton-Professor Joschka Fischer und Brendan Simms.
Fischer ist Gründungsmitglied und Vorstand im von Soros großzügig finanzierten European Council on Foreign Relations. Bei einer Veranstaltung am Ifo-Institut in München sprach er sich jüngst in einem auf Video verfügbaren Interview für die Gründung eines Eurozonen-Staates aus, nicht ohne hinzuzufügen, dass das ohne eine weitere Verschärfung der Krise nicht vorangehen werde. Es handele sich gar nicht wirklich um eine Finanzkrise, sondern um eine Souveränitätskrise. Die Griechen hätten den Eindruck, sie entschieden nichts mehr, während die Geberländer nicht ohne Kontrolle Geld geben möchten. „Souveränität steht gegen Souveränität, das lösen Sie nur auf über gemeinsame Souveränität“, so Fischer, ganz im Sinne seines Sponsors.
Brendan Simms hat in München ebenfalls ein Interview gegeben und einen Vortrag gehalten. Er wäre nicht so wichtig, wiese seine Person nicht auf einen neuen Stern am Horizont der transatlantischen Meinungsbeeinflussung. Simms ist Präsident und Mitbegründer des Project for Democratic Union, das 2013 aus der Ludwig-Maximilians Unviersität in München heraus gegründet wurde:
„The Project for Democratic Union (PDU) is a political think-tank which makes the case for a full political union of the Eurozone.“,
heißt es auf der sehr professionellen Website der Organisation. Zu deutsch: ein Institut, das für einen volle politische Union des Euroraums wirbt. Auf Wikipedia lernt man auch noch korrekt dazu, dass es diese nach anglo-amerikanischen Prinzipien verwirklichen will. Am Laufen gehalten „von einer Gruppe engagierter Unterstützer“ aus München und London, hat das junge Institut bereits die Mittel und die Kraft, Repräsentanzen in Lissabon, Budapest, Brüssel, Athen und an weiteren Orten zu gründen. Zu den Schirmherren gehören der erste Hohe Repräsentant der gemeinsamen europäischen Außen -und Sicherheitspolitik, Javier Solana, und Gesine Schwan. Die „Unterstützer“ haben ganz überwiegend einen anglo-amerikanischen Hintergrund oder einen mit der von George Soros-finanzierten, privaten Central European University in Budapest verknüpften Hintergrund.
Von wem das Institut seine offenkundig nicht unwesentlichen Mittel bekommt, verrät es auf seiner Website nicht. Soros, der zur Zeit der Gründung von PDU an seinem Buch „The Tragedy of the European Union“ schrieb hätte jedenfalls kaum etwas an den Zielen des Projekts auszusetzen, wie man auch an einer begeisterten Besprechung dieses Buches ablesen kann, die kurz nach Erscheinen im April 2014 auf der PDU-Website veröffentlicht wurde.
Dieser Brendan Simms also, ein irischer Professor für europäische Geschichte, der in England lehrt und fließend deutsch spricht, lässt uns im Interview wissen, dass kräftige Staatsunionen im Zusammenhang mit einer äußeren Gefahr entstehen, wie die amerikanische Union oder die englisch-schottische. Deren Prinzipen, gemeinsame Staatsschuld, gemeinsame Außenpolitik (Militär) und gemeinsames Parlament, seien auch auf die Eurozone anzuwenden, um deren Uneinigkeit beim Umgang mit außenpolitischen Gefahren wie ISIS oder dem Vorrücken Russlands unter Putin zu überwinden. Was spricht hier anderes, als die alte amerikanische Frustration über ein Europa, das keine einheitliche Telefonnummer hat unter der man anrufen und seine Bündnisanforderungen verbindlich für alle loswerden kann.
Interessant ist, was Pletter dem hinzufügt, und was er daraus für den Konflikt um Griechenland schließt. Griechenland und der Euro, das verursacht zu viel Stress und behindert damit inzwischen mehr den Weg zu einem Soros’schen Europa, als dass es ihn befördert. Deshalb: „Staaten, die nicht Teil einer solchen Lösung sein wollen, müssen die Möglichkeit haben, den Euro zu verlassen, ohne dass damit Europa als politische Gemeinschaft zerbricht.“ Das werde für die betroffenen zwar hohe Kosten bringen, aber weil „die reicheren Staaten ob mit oder ohne Euro, für die Ärmeren zahlen werden“ unter anderem, weil man kein Interesse an destabilisierten Nato-Partnern haben könne, sollten wir den Griechen finanzielle Hilfen für einen Austritt anbieten, meint Pletter.
Das passt zu dem jüngsten Verhalten, das unser Finanzminister, ebenfalls ein glühender Verfechter der „geteilten europäischen Souveränität“, in den Verhandlungen mit Griechenland an den Tag legte, als er es scheinbar auf einen erzwungenen Austritt Griechenlands ankommen lassen wollte. Auch nach der vorläufigen Einigung der Eurogruppe der Finanzminister mit Athen ist die Kuh noch lange nicht vom Eis. Es wird weiter hart an der Grenze des Abgrunds verhandelt.
Man scheint an einem neuen Narrativ zu basteln, der die angestrebte europäische Fiskalunion von der Währungsunion, ihrem bisherigen Durchsetzungsvehikel, entkoppelt. Fiskalunion muss sein, auch und gerade wenn die Währungsunion scheitert, lautet dieser neue Narrativ. Ob hier schon einmal vorsorglich ein narratives Sicherheitsnetz aufgespannt wird, für den Fall, dass es schief geht, oder ob man schon davon ausgeht, dass es schief geht, oder ob man nur den hart verhandelnden Griechen bedeuten will, dass man seine Ziele auch erreichen kann, wenn die Währungsunion verkleinert werden muss, ist an diesem Punkt noch schwer zu sagen. Ich tippe auf etwas zwischen eins und zwei.
P.S.
Peter Ramsauer hat Griechenland am Montag 9.3. in einem Beitrag in der Bild den Austritt aus der Euro-Zone nahegelegt. „Mit einem Ausscheiden des Landes aus dem Euro, wie es Finanzminister Schäuble bereits ins Gespräch gebracht hat, bekäme das Land die Möglichkeit, sich mit neuer Drachme währungspolitisch wieder wettbewerbsfähig zu machen“, schrieb er. Griechenland bekäme „eine großartige Chance.“ Er fügte hinzu: „Und so manchem starken EU-Land, das heute die Eurozone noch meidet, könnte dadurch der Weg in den Euro schmackhaft gemacht werden. Das wäre ein großer Gewinn für den Euro und Europa.“ Der CSU-Politiker ist Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Bundestag.
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