Am Sonntag um 20:35 Uhr twitterte der SPD-Gesundheitsexperte:
„Lange Bahnfahrten, zB im Abteil, können bei der Delta Variante zur Ansteckung führen. So können ungeimpfte Infizierte sogar Geimpfte gefährden. Daher wäre die 3 G Regel hier richtig. Andere Bereiche, wo es um Freizeit geht, sollten zunehmend sogar der 2G-Regel unterliegen.“
Die Geimpften müssen jetzt also vor den Ungeimpften geschützt werden. Warum, das erklärte er im nächsten Tweet, noch in der gleichen Minute:
„Diese Studie aus Israel zeigt klar, dass die Impfung mit BionTech im Vergleich zur durchgemachten Infektion sehr viel schneller an Wirkung verliert. Wie lange der Schutz vor schweren Fällen wirkt ist unklar. medrxiv.org/content/10.110″
- Wir lernen also von Karl Lauterbach: Impfungen schützen nicht lange vor dem Infiziert-werden und vor dem Andere-Infizieren, wie kurz oder lang ist unklar.
- Wir lernen, dass deshalb die Geimpften vor den Ungeimpften geschützt werden müssen.
- Weil die Impfung so schlecht, sprich nur so kurz wirkt, müssen die Ungeimpften noch stärker durch alltägliche Diskriminierung und Aussperren zum Impfen genötigt werden.
- Karl Lauterbach will die 2G-Regel, also Zugang nur für Geimpfte und Genesene, ohne jeden Test.
- Das bedeutet: Ungetestete Geimpfte, deren Impfschutz laut Lauterbach schon verblasst sein könnte, dürfen alles und dabei anstecken, wen sie wollen und so viele sie wollen. Negativ-getestete Ungeimpfte dürfen nichts. (Dabei sind laut Lauterbach sogar die Schnelltests sehr zuverlässig.)
Diese Argumentation ist so verworren und zirkulär, dass man gar nicht weiß, wo mit dem Entwirren anfangen. Ich will es trotzdem versuchen.
- Wenn Geimpfte wenig geschützt sind und andere anstecken können, ist das ein Argument dagegen, sich auf Durchimpfen der Bevölkerung als gangbaren oder gar alleinigen Weg zur Erlösung von Corona zu versteifen, nicht dafür.
- Es ist ein Argument dagegen, derart strikt zwischen Geimpften und Ungeimpften zu unterscheiden, wie Kanzlerin und Ministerpräsidenten und -innen das beschlossen haben, und wie Lauterbach das noch verschärfen will, nicht dafür.
- Wenn man Tests für wirksam und nötig hält, ist es ein sehr starkes Argument dafür, auch Geimpften Testpflichten aufzuerlegen.
- Um Lauterbachs Empfehlungen zu rechtfertigen, müsste plausibel gemacht werden, dass ein negativ getesteter Ungeimpfter deutlich eher infiziert und ansteckend ist als ein ungetesteter Geimpfter. Zu dieser Behauptung hat sich meines Wissens noch nicht einmal Karl Lauterbach verstiegen.
Als seine frei erfundene Schreckenszahl des Tages servierte Karl Lauterbach als Zugabe 100.000 Long-Covid-Fälle, wenn man seinen Empfehlungen nicht folgt:
„“(2) Wir müssen jetzt handeln weil Inzidenz zu stark steigt. Das bedeutet: 2 G wo möglich. Die Idee, wir lassen das laufen und wer sich infiziert hätte sich ja impfen lassen können, gefährdet zu viele Menschen, besonders Kinder. Wir hätten bald mehr als 100.000 #LongCovid Fälle.“
(Wenn diese Prophezeiung nicht eintritt, wird es wieder daran liegen, dass er so dramatisch gewarnt hat und deshalb die Leute vorsichtig wurden.)
Karl Lauterbach ist so selbstgewiss, dass er keinerlei Angst davor hat, sich zum Narren zu machen. So twitterte er am Samstag mit Foto an seine halbe Million Follower, wie er bei einem Spiel von Bayer Leverkusen mit einem Impfteam vor Ort war und kaum Impfwillige fand.
Lauterbachs Team hatte nicht berücksichtigt, dass der Verein gemäß Lauterbachs 2G-Regel auf schäbige Weise all seine ungeimpften Fans ausgeschlossen hatte. Und die Geimpften waren wenig überraschend nicht sehr geneigt, sich spontan noch einmal impfen zu lassen.
Solange ein derart getriebener und verwirrter Geist von einer Regierungspartei bei einem so wichtigen Thema als ihr „Experte“ herumgereicht wird, ist er gemeingefährlich und diese Partei aus meiner Sicht nicht wählbar.
Nachtrag (23.8)
Karl Lauterbach ist nicht nur gemeingefährlich, sondern auch hinterhältig. In einem aktuellen Interview räumt er ein, dass die von ihm pausenlos beworbene 2G-Regel, also der komplette Ausschluss aller Ungeimpften von entsprechenden Orten und Veranstaltungen ein großer Eingriff in deren Rechte ist. Seine Lösung:
„“Vielleicht können wir sie staatlicherseits auch gar nicht vorgeben. Aber dass wir da an die Unternehmen, an die Restaurantbesitzerinnen, an die Fitnessclubs appellieren, von der 3G-Regel Abstand zu nehmen und so viel wie möglich die 2G-Regel zu praktizieren“
Der Mensch tritt also dafür ein, dass der Staat Grundrechtsentzug hinten herum durch Druck auf private Veranstalter stattfinden lässt, sodass sich die Diskriminierten nicht oder nur sehr schwer gerichtlich dagegen wehren können. Das Rechtsstaatsverständnis dieses Menschen bewegt sich nach meinem Verständnis nicht mehr im Rahmen unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung.
Genau das, was Lauterbach offen propagiert, passiert offenbar vielerorts bereits. Veranstalter scheinen es mit 2G leichter zu haben, ihre Hygienekonzepte genehmigt zu bekommen. So bleibt der Staat vornehm im Hintergrund und lässt die Fußballvereine und Festivalveranstalter und alle möglichen anderen Privaten die schmutzige Diskriminierungsarbeit erledigen.
Offen, systematisch und auf Landesebene hat der rot-grüne Hamburger Senat diesen hinterhältigen Grundrechtsentzug auf dem Umweg über die Regulierung Privater eingeführt. (Link am 24.8. auf einen aktuelleren Beitrag geändert und Text angepasst.)
Nachtrag (24.8.)
Auf Twitter machte Lauterbach heute um 11:56 Uhr die Einräumung, dass sein 2G-Konzept des Ausperrens Ungeimpfter vor allem Schikane zur Impfnötigung darstellt:
„Die Entscheidung, es laufen zu lassen, weil es „nur“ Ungeimpfte sind, oder mit möglichst viel 2G dagegen zu halten und so die Impfquote zu erhöhen.“
Fortsetzung: Bürgermeister Tschentscher beleidigt die Intelligenz der Hamburger