Am 22. August plädierte Karl Lauterbach per Twitter für 3G in Zügen und 2G im Freizeitbereich, weil nämlich die Geimpften mit ihrem mangelhaften Impfschutz sonst von den Nichtgeimpften gefährdet würden:
„Lange Bahnfahrten, z.B. im Abteil, können bei der Delta Variante zur Ansteckung führen. So können ungeimpfte Infizierte sogar Geimpfte gefährden. Daher wäre die 3G Regel hier richtig. Andere Bereiche, wo es um Freizeit geht, sollten zunehmend sogar der 2G-Regel unterliegen. (…) (Denn) diese Studie aus Israel zeigt klar, dass die Impfung mit BionTech im Vergleich zur durchgemachten Infektion sehr viel schneller an Wirkung verliert. Wie lange der Schutz vor schweren Fällen wirkt ist unklar. medrxiv.org/content/10.110″
Auch am 8. September twitterte Karl Lauterbach nochmals eines seiner vielen Plädoyers für 2G mit dem Argument:
„Ungeimpfte haben kein Recht, andere Ungeimpfte und Geimpfte zu gefährden.“
Am 10. September leitete er einen Bericht über neue offizielle Zahlen aus den USA zu Infektionen Geimpfter und der Schwere der Erkrankung weiter und kommentierte:
„Neue Daten @CDCgov machen Sorgen, falls sie sich bestätigen. Geimpfte, wenn Durchbruchinfektion, erkranken hier ähnlich schwer wie Ungeimpfte. Sah man in Israel, aber dort nur 3 Wochen Impfabstand. Jetzt auch US, spricht für Nachlassen des Impfschutzes.“
Trotzdem twitterte er am 11. September, als wenn es nie derartige Erkenntnisse gegeben hätte:
„Im Herbst werden wir entweder Kontaktbeschränkungen für alle oder für Ungeimpfte brauchen. Einschränkungen für Ungeimpfte sind dabei wirksamer und gerechter. Die Pandemie wird zur Pandemie der Ungeimpften. 2G ist Teil der Lösung.“
Nur zwei Tage später, am 13. September, twitterte er in Reaktion auf Nachrichten, dass sich bei einer 2G-Party in Münster 63 der geimpften und genesenen Gäste gegenseitig angesteckt haben:
„Die sehr hoher Zahl Infizierter trotz Impfung zeigt, dass die Rückkehr zur Normalität zur sofortigen Infektion und Erkrankung der Ungeimpften mit Covid führen würde. Daher werden wir erst normal leben können, wenn Ungeimpfte infiziert oder geimpft wurden.“
(Hervorhebung N.H.)
Die Argumentation hat sich damit um 180 Grad gedreht, bei gleichen Ergebnis. Weil die Geimpften sich so leicht anstecken und andere anstecken, müssen die Nichtgeimpften zu ihrem eigenen Schutz zwangsweise durch Aussperrung vom Kontakt mit den gefährlichen Geimpften geschützt werden. So lange, bis sie sich endlich selbst impfen lassen.
Hier redet Lauterbach – wie meist – irreführend so, als ob alle Nichtgeimpften, die mit dem Virus in Kontakt kommen, ernsthaft erkrankten. Tatsächlich trifft das nur auf eine ziemlich kleine, aber natürlich nicht vernachlässigbare Minderheit zu. Die Hospitalisierungs- und die Sterberate sind seit der ersten Welle massiv gesunken. Aber wenn man Furcht säen will, darf man solche Dinge nicht so wissenschaftlich genau nehmen.
Vermutlich in einem Anfall von Rest-Schamempfinden verzichtete Lauterbach allerdings hier darauf ausdrücklich im selben Tweet 2G zu fordern, also kompletten Ausschluss aller Nicht-Geimpften bei Verzicht auf Tests und sonstige Beschränkungen für Geimpfte. Es läuft aber fast auf das Gleiche hinaus. Er belässt es bei der unspezifischen Forderung nach Aufrechterhaltung der Restriktionen. Diese bauen aber fast alle auf der nun widerlegten – Annahme auf, dass Geimpfte keinen nennenswerten Beitrag zum Infektionsgeschehen liefern.
Und nur drei Tage später, am 16.9.nur Minuten, nachdem er die hohe Ansteckungshäufigkeit der Geimpften nochmals bekräftigt hat mit: „Impfstoffe sind derzeit besser darin, Covid zu verhindern als Infektion“ hetzt Lauterbach per Twitter weiter gegen alle Nichtgeimpften:
„“Wir bleiben wegen Ungeimpften in Pandemie. Würden wir lockern wie in Dänemark würden Fallzahlen exponentiell wachsen. Falls Ungeimpfte sich nicht impfen lassen müssen wir leider warten bis sie sich langsam infiziert haben.“
Da ist sie wieder, gegen alle neuen Erkenntnisse, die Pandemie der bösen Nichtgeimpften. Und etwas später am gleichen Tag noch ausdrücklich:
„“Inzwischen sogar 83 Infizierte trotz 2G. Spricht das gegen 2G? Nein, klar dafür. Ohne 2G wären viel mehr Partybesucher schwer erkrankt. Das Beispiel zeigt, dass Normalität erst mit viel höherer Impfquote denkbar ist.“
Das ist ein richtig tumbes Argument. Wenn es einem wirklich darum ginge, Ausbreitung des Virus zu vermeiden, und nicht ausschließlich darum, den Impfdruck zu erhöhen, müsste man bei solchen Veranstaltungen auch den Geimpften einen Test abverlangen, was im Widerspruch zu 2G steht. (Diese Zitate am 16.9. nachgetragen.)
Krasse Volten des Gesundheitsexperten gab es, wie berichtet, schon früher. Es sprach sich entschieden gegen verpflichtende, selbst zu bezahlende Tests für Nichtgeimpfte aus, weil das einer Impfpflicht für Ärmere gleichkäme und unfair wäre. Als das dann beschlossen wurde, verteidigte er den Beschluss ebenso entschieden. Er begründete seine Vorliebe für den kompletten Ausschluss Nichtgeimpfter per 2G erst damit, dass die Tests auf Corona vor allem in der Delta-Variante nicht zuverlässig genug seien. Dann änderte er seine Einschätzung zur Zuverlässigkeit der Tests um 180 Grad, ohne aber mit seinem Werben für 2G nachzulassen
Das wirkt alles weder überzeugend, noch wissenschaftlich, noch ehrenhaft.
Dasselbe gilt für die Corona-Politik der Alternativlosigkeiten, die sich nicht um wissenschaftliche Erkenntnisse schert. Sie ändert sich nicht, wenn sich der Kenntnisstand um 30, 90 oder 180 Grad dreht. Impfung ist die Rettung und nur die Impfung. Diese Vorfestlegung ist über jeden wissenschaftlichen Disput erhaben. Fakten spielen dafür keine Rolle. Was den Impfdruck erhöhen könnte, wird gemacht. Punkt.
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Nachtrag zum Beitrag über Lauterbach vom 11. August | 18.8.