Genf / Berlin.(multipolar). Auf globaler Ebene formiert sich unter Federführung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein „Notfallkommando für Globale Gesundheit“ (Global Health Emergency Corps“ (GHEC)). Es handelt sich um ein neues Gremium mit Experten aus Ministerien und Behörden. Ziel sei es, in unterschiedlichen Ländern einheitliche Standards und Mechanismen aufzubauen, um auf künftige „Gesundheitsnotfälle“ zu reagieren, heißt es. In einem Artikel in der Zeitschrift „BMJ Global Health“ und einem von der WHO herausgegebenen und von der Gates-Stiftung finanzierten „Rahmenwerk“ wird das Anliegen ausführlich beschrieben. Es gelte „die nächste Pandemie zu stoppen“, dafür sei eine „verstärkte Zusammenarbeit“ und „grundlegende Umgestaltung hin zu einem koordinierten Reaktionssystem“ nötig. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus, Multimilliardär Bill Gates und andere hätten seit Langem auf die Notwendigkeit derartiger Zusammenarbeit aufmerksam gemacht.
Die Corona-Krise habe „erhebliche Schwächen in den globalen Gesundheitssystemen offenbart“, heißt es in den Ausführungen. Hätte es das „Notfallkommando für Globale Gesundheit“ bereits im Januar 2020 gegeben, „hätte sich der Verlauf der COVID-19-Pandemie möglicherweise anders entwickelt“. Man hätte sich an Ländern mit „SARS-1-Erfahrung“ orientieren und „Maßnahmen zur Eindämmung der Bedrohung“ ergreifen können, wie es „Singapur, Vietnam, Kanada, Thailand, Australien und China“ getan hätten. Weder im BMJ-Artikel noch im WHO-„Rahmenwerk“ werden die Gain-of-Function-Forschung und der mutmaßliche Laborursprung des Coronavirus erwähnt. Auch auf den schwedischen Umgang mit der Corona-Krise wird an keiner Stelle Bezug genommen.
Die aktuellen Bestrebungen zielen nun insbesondere darauf ab, das Personal für „Gesundheitsnotfälle“ in den jeweiligen Ländern in eine einheitliche Pyramiden-Struktur einzuteilen: Das Fundament bilden Beschäftigte im Gesundheitswesen und „Notfallpersonal“, darunter Experten „auf Abruf“ aus „staatlichen Institutionen, Nichtregierungsorganisationen, Universitäten und dem Privatsektor“. Die mittlere Ebene soll personelle Kapazitäten bereithalten, die bei lokalen Überlastungen als Notfallteams schnell eingesetzt werden können, auch über Ländergrenzen hinweg.
Die Pyramidenspitze ist schließlich für Führungskräfte („leaders“) vorgesehen. Sie sollten „durch gemeinsame Reaktionen und Simulationsübungen gut mit vertrauenswürdigen Kollegen auf nationaler, regionaler und globaler Ebene vernetzt sein“. Zudem müssten sie „Respekt genießen und Einfluss auf nationale Entscheidungsträger haben, die zu Beginn einer Pandemie wahrscheinlich die wichtigsten Entscheidungen treffen“. Dazu gehörten unter anderem „Reisebeschränkungen“ oder das „Lancieren von Impfkampagnen“. Zu den „Koordinierungs- und Führungsstrukturen für Gesundheitsnotfälle“ werden unter anderem auch Vertreter des Militärs und Zivilschutzes gezählt.
Die angestrebte Vernetzung und Koordinierung über nationale Grenzen hinweg basiert auf einem „Ökosystem“, das die unterschiedlichen Ebenen, Strukturen und nationalen „Notfall-Institutionen“ miteinander verbindet. Ein wichtiger Knotenpunkt ist die WHO mit einer „kleinen Gruppe von Experten“, die mit weiteren „globalen“ und „etablierten“ Netzwerken in Verbindung steht. Sie sollen den Einsatz von Notfallteams und Experten koordinieren und sicherstellen, dass die „Reaktionen auf Gesundheitsnotfälle“ international „kompatibel“ sind. „Vorsorge-Aktivitäten“ in Zeiten zwischen Epidemien sollen zudem die Vernetzung stärken und Vertrauen aufbauen. Die Zusammenarbeit sei zuletzt bei der Übung „Polaris“ im April 2025 geprobt worden: Verschiedene Netzwerke, die WHO und teilnehmende Länder hätten geübt, „eine Pandemie durch ein fiktives Orthopoxvirus wirksam zu bekämpfen“. Zuvor sei das „Notfallkommando“ im Oktober 2024 erstmals wegen „Mpox-Klade 1b“-Ausbrüchen aktiviert worden.
In Deutschland ist Johanna Hanefeld federführend zuständig für das „Notfallkommando“. Sie ist seit 2012 Professorin an der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM), seit 2020 Direktorin des Zentrums für Internationalen Gesundheitsschutz am Robert Koch-Institut (RKI) und seit 2023 kommissarische RKI-Vizepräsidentin. Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung führt sie zudem als „Koordinatorin“ für das „Brückenthema ‚Globale Gesundheit und Klimawandel‘“. Hanefeld ist Co-Autorin des erwähnten aktuellen Artikels im „BMJ Global Health“ und war außerdem Teil einer Experten-Gruppe, die das WHO-„Rahmenwerk“ für das „Notfallkommando“ entwickelte. Der Journalist Norbert Häring kritisierte bereits 2023 mögliche „Loyalitätskonflikte“ von Hanefeld und ihre Nähe zu Bill Gates und dessen Stiftung.
Das „Notfallkommando für Globale Gesundheit“ wurde 2023 auf der Weltgesundheitsversammlung ins Leben gerufen und fügt sich in die bestehenden Internationalen Gesundheitsvorschriften und ein weiteres WHO-Rahmenwerk zu „Gesundheitsnotfällen“. Alle Länder sollen eine nationale Gesundheitsbehörde benennen oder haben dies bereits getan, die für die Umsetzung der Internationalen Gesundheitsvorschriften zuständig ist. Auf dieser Ebene sollen sich die Verantwortlichen regelmäßig mit ihren Kollegen in anderen Ländern vernetzen. Das „Nofallkommando“ korrespondiert zudem mit dem Pandemieabkommen. Es diene als dessen „operativer Arm“ und setze die Verpflichtungen des Abkommens in die Tat um.
Die Ausführungen zur Struktur des „Notfallkommandos“ betonen, dass die „nationale Souveränität“ respektiert werde. Gleichzeitig solle die „internationale Solidarität“ gefördert werden. In der Praxis werde jedes Land „ermutigt“, den Rahmen des „Notfallkommandos“ zu übernehmen und „an seine spezifischen Institutionen, Gesetze, Vorschriften und Praktiken auf nationaler und subnationaler Ebene anzupassen“. Dazu gehöre insbesondere der Aufbau und die Finanzierung der vorgesehenen „Personalpyramide“. Die Einrichtung eines „Pandemiefonds“, der unter anderem von der Weltbank verwaltet werde, verdeutliche, dass eine multinationale Kooperationsstruktur ein „globales öffentliches Gut“ sei.
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Johanna Hanefeld und die Gates-Stiftung: Mögliche Loyalitätskonflikte an einer Schaltstelle der deutschen Pandemiepolitik
5. 05. 2023 | Die Leiterin des Zentrums für Internationalen Gesundheitsschutz des Robert-Koch-Instituts (RKI) nahm, wie berichtet, an der von der Gates-Stiftung veranstalteten Pandemieübung „Catastrophic Contagion“ teil. Die Reisekosten bezahlte die Gates Stiftung. Doch damit hören die Verbindungen zur weltweit reichsten und einflussreichsten Sitftung der Microsoft-Gründers und Multimilliardärs Bill Gates keinesfalls auf.
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