Richtig ist: Die Worte „Ich fordere eine Impfpflicht“ kamen wohl nicht öffentlich aus dem Mund von Christian Drosten. Aber damit hat es sich auch schon mit der Wahrheit des Statements aus dem T-Online-Interview, das andere Medien in ihrer Folgeberichterstattung in die Überschrift nahmen (siehe dazu auch Nachtrag).
In der Online-Ausgabe des Münchner Merkur erschien im Herbst 2021 ein Beitrag mit dem Titel: „Drosten zerreißt Corona-Ansage der Ampel-Parteien: „Wer das noch nicht kapiert hat …“ Die Corona-Ansage, die Drosten zerriss, war eine Absage an eine Impfpflicht. Folgendes stand dort zu lesen:
„Das Nachbarland Österreich greift in der Not nun zur allgemeinen Impfpflicht. „Die wird‘s nicht geben“, gab sich Außenminister Heiko Maas (SPD) kategorisch, was die Einführung einer Corona-Impfpflicht hierzulande angeht. „Weil wir es nicht für notwendig halten, weil wir es auch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten für schwierig halten.“ Deutlich ermutigender sind die Infektionszahlen in Deutschland in der Pandemie aber keineswegs. Die Positionierung der Ampel-Parteien in der Impfpflicht-Frage brachte daher den Virologen Christian Drosten dazu, umgehend in einem Tweet zu warnen. „Ein fast vollständiges Schließen der Impflücken ist durch nichts zu ersetzen“, betonte der Institutsdirektor an der Berliner Charité. „Wer das noch nicht kapiert hat, hat es noch nicht kapiert.“ Dazu verlinkte er einen Zeitungsartikel über Maas‘ Statement. „Boostern“ könne die Inzidenz im Winter zwar beruhigen, aber mit der aktuellen Lücke käme Deutschland nicht in die endemische Situation, schrieb Christian Drosten außerdem.““
Hat man eine Impfpflicht gefordert, wenn man als Virologe einen Regierungspolitiker, der sich gegen eine Impfpflicht ausspricht, deswegen auf seinem Social-Media-Account mit fast einer Million Follower als jemand kritisiert, der nichts von Virologie versteht?
Drosten forderte zudem am 27.11.2021 als einer der Autoren einer „Ad-hoc-Stellungnahme“ der Wissenschaftlervereinigung Leopoldina die „Einführung einer stufenweisen Impfpflicht“. Dieser zufolge sollte die bestehende berufsbezogene Impfpflicht auf weitere Berufsgruppen ausgedehnt und die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht vorbereitet werden. (Mein Dank für diesen Hinweis geht an @mz_storymakers)
Fazit
Drosten lügt sich – wieder einmal – die Vergangenheit zurecht, um der öffentlichen Kritik an seiner großen und wenig ruhmreichen Rolle während der Pandemiemaßnahmen zu entgehen. Dabei ist es ihm gelungen, das Magazin T-Online, das sich während der Pandemiemaßnahmen als besonders staatstragendes und aggressives Hetzmedium hervorgetan hat, mit zu beschämen.
Nachtrag: T-Online ändert Überschrift und fügt kritische Nachfrage ein
Es waren nicht (nur) andere Medien, die Drostens Falschbehauptung in die Überschrift nahmen, sonder auch T-Online selbst. T-Online hat die Überschrift (ohne Hinweis) geändert. Mit Hinweis hat die Redaktion später eine Nachfrage mit Drostens Antwort und folgenden Hinweis eingefügt:
„Anmerkung der Redaktion: Nachdem uns Leser auf das von Christian Drosten unterschriebene Leopoldina-Papier hingewiesen haben, in dem eine berufsbezogene Impfpflicht empfohlen wird, hat t-online nachgefragt und seine Antwort an dieser Stelle am 10. Oktober im Interview ergänzt.“
Die eingefügte Nachfrage des beim unkritischen Hofieren eines Lügners erwischten Mediums und die Antwort des beim Lügen erwischten Drosten lauten:
„Allerdings haben auch Sie mit anderen Wissenschaftlern Ende November 2021 die 10. Ad-Hoc-Stellungnahme der Leopoldina unterzeichnet, in der unter anderem eine „rasche Einführung einer berufsbezogenen Impfpflicht“ sowie „die Vorbereitung zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht unter Berücksichtigung der dafür erforderlichen rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen“ empfohlen werden.*
„Drosten: Wir haben heute vergessen, wie ernst die Situation damals war. Es verbreitete sich die besonders tödliche Delta-Variante. Die Politik hatte sich gegen Kontrollmaßnahmen festgelegt, aber exakt in den Bundesländern mit schlechter Impfquote überfüllten sich jetzt die Intensivstationen. Es war eindeutig belegt, dass die Impfung damals wirksam gegen die Übertragung schützte. Als Mediziner mussten wir daher eine berufsbezogene Impfpflicht unterstützen, es kann ja nicht angehen, dass ungeimpftes ärztliches und pflegerisches Personal das Virus verbreitet. Hinsichtlich der allgemeinen Impfpflicht mahnte das Papier zu Vorbereitungen angesichts einer damals sehr realen Gefahr für die gesamte Gesellschaft. Glücklicherweise kam dann die Omikron-Variante mit reduzierter Sterblichkeit. Meine Unterschrift damals war eine Gewissensentscheidung, nicht mehr und nicht weniger. So ist leider manchmal die Realität unseres Berufs.“