Unsere Stellungnahme im Verfahren um Barzahlung des Rundfunkbeitrags beim Europäischen Gerichtshof

Am 27. März hat das Bundesverwaltungsgericht in meinem Verfahren gegen den Hessischen Rundfunk entschieden, zunächst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Entscheidung vorzulegen. Der EuGH soll entscheiden, ob die deutschen Paragraphen zum gesetzlichen Zahlungsmittel inhaltlich identisch mit den europäischen sind, und wenn nicht, was gelten soll. Mein Anwalt Carlos A. Gebauer hat nun die folgende Stellungnahme in Luxemburg vorgelegt.

Vorbemerkung: Die ohne Lektüre des Vorlagebeschlusses unverständlichen Vorbemerkungen (I) habe ich als Anhang ans Ende des hier ansonsten vollständig wiedergegebenen Textes verbannt.

II. Währungspolitik, Geldrecht und Zahlungsmittel

Zutreffend stellt der Vorlagebeschluß des Bundesverwaltungsgerichtes dar, daß der Inhalt des Begriffes „Währungspolitik“, wie er den Artikeln 127 bis 133 AEUV als Kapitelüberschrift vorangestellt ist, bislang nicht rechtsverbindlich definiert ist. Ebenso ist europarechtlich ungeklärt, was die rechtlich maßgeblichen Definitionselemente eines „gesetzlichen Zahlungsmittels“ sind. Feststeht allein, daß die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten „die einzigen Banknoten [sind], die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten“ (Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV). Die Beantwortung der Vorlagefragen erfordert mithin vorgängig grundlegende begriffliche Klärungen.

1.) Historische Herleitung

Das Bewirken einer Leistung Zug um Zug gegen den Erhalt eines Geldbetrages stellt sich in der insoweit weithin als einschlägig betrachteten historischen Entwicklung des Wirtschaftsverkehrs als ein (zum empirisch überwiegenden Regelfall gewordener) Sonderfall des Tauschgeschäftes dar. Der Veräußerer eines Gutes entäußert sich der Nutzung eines Gutes aus seiner Verfügungsmacht nicht direkt „quid pro quo“ gegen Erhalt eines anderen konkreten Gegenstandes, der ihm einen prognostisch wenigstens gleichen Nutzungswert bietet. Stattdessen erklärt er sich bereit, einen anderen, abstrakten Wertmittler als Gegenleistung zu akzeptieren, von dem er annimmt, mit ihm anschließend im weiterführenden Geschäftsverkehr solche Gegenstände erwerben zu können, die seinen eigenen Handlungsabsichten wertmäßig vorteilhafter zu dienen bestimmt sein werden als die von ihm hergegebene Leistung.

Im Vollzug dieser Form des indirekten Tausches, bei dem anstelle des eigentlich benötigten Gutes zunächst ein wertmittelndes anderes Gut als Gegenleistung akzeptiert wird, orientierten sich die historischen Akteure aus naheliegenden Praktikabilitätsgründen an der potentiell besten Marktgängigkeit des nur vorübergehend angenommenen Gegenstandes. Edelmetalle erfüllten diese Voraussetzung der prognostisch besten Weiterveräußerbarkeit in der Praxis faktisch deswegen am besten, weil sie die dazu maßgeblichen sieben geldtechnischen Voraussetzungen erfüllten: Sie wurden von jedermann als wertvoll geschätzt, sie waren in beliebige Teilmengen zerlegbar, leicht zu transportieren, nicht verderblich, zweifelsfrei wägbar, fälschungssicher und knapp.

Nach einer weiteren historischen Epoche, in der die Wirtschaftsteilnehmer dazu übergegangen waren, anstelle der physischen Edelmetalle im Verkehr nur noch Lagerscheine zu tauschen, die einen Herausgebeanspruch auf das Metall gegen einen Dritten (Bankier) verbrieften, übernahmen schließlich die Staaten das (bis zum 15. August 1971 über die Zentralbank der USA auch weltweit noch faktisch goldgedeckte) „Geldmonopol“. Diese Monopolisierung des Geldes schuf zugleich das „gesetzliche Zahlungsmittel“, das nun jedermann zur verbindlich rechtswirksamen Befreiung von einer auf Geld lautenden Zahlungsschuld auf Schuldnerseite nutzen kann und – entscheidend für die Funktionsfähigkeit der Konstruktion insgesamt – auf Gläubigerseite annehmen muß:

„… Die Festlegung einer Währung und eines gesetzlichen Zahlungsmittels … [bedeutet], daß durch die Rechtsordnung vorgeschrieben wird, daß Wertausdrücke in der gesetzlichen Währung anzugeben sind, geldmäßige Verbindlichkeiten in Ermangelung anderweitiger Abreden als in der gesetzlichen Währung eingegangen gelten, und daß sie – wiederum das Fehlen entgegenstehender Abreden unterstellt – in bestimmten Zahlungsmitteln zu begleichen sind. Im Mittelpunkt der Frage nach dem gesetzlichen Zahlungsmittel steht dabei der letzte Aspekt: die Aufdrängbarkeit bestimmter, mit Annahmezwang oder Zwangskurs ausgestatteter Zahlungsmittel als Erfüllung von Geldschulen. … Der historische Ursprung dieses Konzeptes liegt am Anfang der anhaltenden Epoche der Papierwährungen. Funktional ersetzte der gesetzliche Annahmezwang zum Zwangskurs für Zentralbanknoten und Staatspapiergeld deren fortgefallene Unterlegung durch eine Umtauschverpflichtung und später Deckung in Gold. Das Vertrauen des Verkehrs als soziale Institution mußte ersetzt werden durch das Rechtsinstitut des Annahmezwangs. Papiergeld verlor seine Rechtsnatur als Inhaberschuldverschreibung.“

Christoph Herrmann: Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte, Tübingen 2010, S. 315f.

2.) Annahmezwang und Marktgängigkeit

Dieser auf den Gläubiger einer Zahlungsforderung wirkende rechtliche Zwang zur Annahme des gesetzlichen Zahlungsmittels mit schuldtilgender Wirkung ist eine wichtige Voraussetzung für die Richtigkeit der vorgängigen Prognose des Zahlungsschuldners, das von ihm zuvor von dritter Seite entgegengenommene Zahlungsmittel nun selbst effektiv zur Schuldtilgung einsetzen zu können. Er begründet und sichert auch die Prognose des jetzigen Zahlungsgläubigers, mit der Entgegennahme dieses gesetzlichen Zahlungsmittels seinerseits einen Gegenstand zu erlangen, mit dem er sich künftig sicher von anderweitig eigenen Zahlungsverbindlichkeiten rechtswirksam wird befreien können. Der gesetzliche Annahmezwang schafft damit genau diejenige notwendige Marktgängigkeit des Zahlungsmittels, derer es bedarf, um gerade dieses als das gesetzliche Zahlungsmittel innerhalb eines Währungsraumes zu Geld werden zu lassen. Allenfalls der beiderseitige Konsens der Parteien eines auf Geldzahlung lautenden Schuldverhältnisses kann diesen Annahmezwang rechtswirksam beseitigen.

3.) Funktion und Objekt des Zahlungsmittels

Die rechtliche und wirtschaftliche Funktion desjenigen Mittels, dessen sich ein Schuldner zur Befreiung von einer Zahlungsverbindlichkeit bedienen kann, ohne daß sein Gläubiger dies rechtswirksam ablehnen darf, wird somit durch das „gesetzliche Zahlungsmittel“ erfüllt. Das gesetzliche Zahlungsmittel mit seiner Eigenschaft des Annahmezwangs auf Gläubigerseite und der korrespondierenden Aufdrängungsbefugnis auf Schuldnerseite dient dadurch der Herbeiführung derjenigen Marktgängigkeit, die für seine tatsächliche Geldfunktion innerhalb eines Währungsraumes konstitutiv ist.

Von dieser Funktion des gesetzlichen Zahlungsmittels zu unterscheiden ist das Objekt des gesetzlichen Zahlungsmittels. Das einzige Objekt, dem diese Funktion zugewiesen ist, sind in den Staaten der Europäischen Union, deren Währung der Euro ist, Euro-Banknoten und Euro-Münzen. Euro-Banknoten und Euro-Münzen sind damit die objekthaften Träger der Funktion des gesetzlichen Zahlungsmittels.

Mit Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV hat der europäische Gesetzgeber somit in Übereinstimmung mit dem seinerzeitigen Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro primärrechtlich an europarechtlich normenhierarchisch oberster Stelle zwei definitorische Festlegungen getroffen: Die Funktion des gesetzlichen Zahlungsmittels erfüllt der Euro; und das Objekt, das diese Funktion trägt, sind Euro-Banknoten und Euro-Münzen. Andere gesetzliche Zahlungsmittel kennt das europäische Primärrecht nicht, weder als Funktion, noch als Objekt. Ein geldrechtlicher Annahmezwang oder eine geldrechtliche Aufdrängungsbefugnis zur anderweitig rechtsverbindlichen Tilgung von Zahlungsverbindlichkeiten jenseits privatautonom konsensualer Einigung der an dem Zahlungsvorgang unmittelbar Beteiligten ist dem Primärrecht daher fremd. Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV schützt hiermit die Marktgängigkeit und Verkehrsfähigkeit des Euro innerhalb seines Währungsraumes. Art. 133 Satz 1 AEUV stellt darüber hinaus sicher, daß abweichende Regelungen über die Verwendung des Euro als einheitliche Währung nur und allenfalls von dem Europäischen Parlament und dem Rat nach Maßgabe des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens getroffen werden könnten.

4.) Die Ankerfunktion der Euro-Banknoten (und der Euro-Münzen)

Das materielle Unionsrecht enthält nach allem ein in geldtechnischer Hinsicht systematisch kohärentes und für die Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Geldverkehrs mit dem Euro als einheitlicher Währung notwendiges, geldrechtlich verbindliches Verbot, die Erfüllung jedweder Geldzahlungspflichten mittels Euro-Banknoten abzulehnen.

Die Begleichung einer Geldschuld „mittels Lastschrift“ oder per Banküberweisung (§ 10 Abs. 2 der Beitragssatzung des Hessischen Rundfunks) stellt sich nämlich weder im funktionalen, noch auch im objekthaften Sinne als eine Schuldtilgung in Gestalt der Nutzung des gesetzlichen Zahlungsmittels dar. Vielmehr gleicht eine solche Giralgeldleistung von einem Schuldner an einen Gläubiger in der Sache der bloßen Abtretung eines Anspruchs auf Herausgabe von Euro-Banknoten: Der Anspruch des Schuldners gegen einen Dritten (eine Bank), ihm ein Geldguthaben in Gestalt des gesetzlichen Zahlungsmittels von Banknoten auszuzahlen, wird rein buchhalterisch – ohne Objektbezug – an Erfüllungs Statt an den Gläubiger übertragen. Der Gläubiger einer Zahlungsforderung erhält zur Tilgung seines Zahlungsanspruches von seinem Schuldner damit aber nicht das von dem Geldmonopolisten für die Geldordnung vorgesehene und vorgehaltene gesetzliche Zahlungsmittel, sondern ihm wird lediglich das immaterielle (schuldrechtliche) Versprechen eines Dritten übertragen, dieses Zahlungsmittel auf Anforderung zu leisten.

Indem das ursprüngliche Zahlungsschuldverhältnis zwischen zwei Personen (Schuldner und Gläubiger) durch diese Gestaltung kategorisch mindestens in ein Dreier-Verhältnis umgewandelt wird (Schuldner, Gläubiger und Dritter [Bank]), träte – bei der rechtlichen Billigung dieser Konstruktion – nicht nur praeter legem ein weiteres (scheinbares) „gesetzliches Zahlungsmittel“ neben das von Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV alleine bestimmte (tatsächliche) gesetzliche Zahlungsmittel.

Im weiteren Verlauf einer solchen Entwicklung müßten sich absehbar auch Kurswertdiskrepanzen zwischen dem primärrechtlich definierten (objekthaften und also physisch begrenzt vorhandenen) Banknoten-Zahlungsmittel und dem nur anscheinend wertgleichen (durch buchhalterische Abtretungen und mangels Objekthaftigkeit der Menge nach mindestens bislang nicht technisch vergleichbar verläßlich eingrenz- und kontrollierbaren) Giralgeld-Zahlungsmittel einstellen. Denn der aktuell tatsächliche Besitz einer aus guten Gründen „fälschungssicher“ gefertigten Banknote hat diesenfalls nicht nur einen geldtechnisch höheren Wert als das bloße Versprechen einer zukünftigen Verschaffung des Besitzes an einer solchen Banknote. Insbesondere die Finanzierung aller Zahlungsdienstleister (in Deutschland z. B. §§ 675c ff. BGB) für eine sichere Handhabung dieser Konstruktion würde auf Dauer faktisch verunmöglichen, das Nominalwertprinzip bei jedweder Schuldtilgung zuschlagsfrei aufrechtzuerhalten. Das primärrechtliche Postulat der Einheitlichkeit des Euro als Währung (Art. 133 Satz 1 AEUV) verlöre folglich durch Bonitätserwägungen hinsichtlich des jeweils Versprechenden ebenso wie durch die zusätzlichen Kosten der unbaren Bezahlvorgänge seinen kategorischen Charakter.

Schließlich ist für den hiesigen Kontext darauf hinzuweisen, daß die Erwägung des vorlegenden Gerichtes, es könne möglicherweise in Betracht kommen, „für bestimmte hoheitlich auferlegte Geldleistungspflichten eine Zahlung mit Euro-Banknoten auszuschließen“, in geldtechnischer Hinsicht die Funktionsweise des gesetzlichen Zahlungsmittels verkennt.

Wie vorstehend ausgeführt, ersetzt der gesetzliche Annahmezwang innerhalb eines Geldmonopols die sonst übliche Prognose der Marktteilnehmer über die mutmaßlich künftige Verkehrsfähigkeit eines akzeptierten Tauschmittels. Würde man staatlichen Einrichtungen das geldrechtliche Privileg einräumen wollen, eigene Forderungen statt in Gestalt des gesetzlichen Zahlungsmittels in anderer Weise einfordern zu können, und damit ein weiteres Zahlungsmittel zu etablieren, so müßte man ihnen konsequent spiegelbildlich auch in ihrer Funktion als Zahlungsschuldner die Befugnis zugestehen, eigenen Gläubigern notfalls gegen deren Willen anstelle des gesetzlichen Zahlungsmittels lediglich einen Anspruch auf Barmittelverschaffung gegen einen Dritten mit schuldbefreiender Wirkung aufdrängen zu dürfen, um den „Umlaufcharakter“ des Geldes nicht zu durchbrechen.

Daß auch hierdurch die Einheitlichkeit des gesetzlichen Zahlungsmittels als fraglos marktgängiges und einheitliches Geld mittelfristig in Verlust geriete, wird keiner weiteren Erläuterung bedürfen. Dies gilt ganz besonders für die sogenannten „Massenverfahren“, für die eine Aufweichung des Begriffs vom gesetzlichen Zahlungsmittel in jüngerer Vergangenheit bisweilen rechtsirrig für möglich gehalten worden war. Denn gerade derjenige, der „massenhaft“ Zahlungen entgegennimmt, muß die hierbei erworbenen Zahlungsmittel anschließend zwangsläufig auch selbst im weiteren Wirtschaftsverkehr in großem Umfange an Dritte weitergeben. Sind diese nicht bereit, auf ihr gesetzliches Recht auf Bartilgung von Schulden zu verzichten, wäre der Geldkreislauf unterbrochen.

III. Zur Bedeutung der Euro-Banknoten de lege lata

Auf Grundlage dieser systematischen Vorüberlegungen ergibt sich rechtlich dies:

1.) Der Regelungsgehalt des Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV entspricht im Hinblick auf Funktion und Objekt des gesetzlichen Zahlungsmittels dem Regelungsinhalt des § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG. Der Wortlaut beider Gesetze ist gleich; lediglich das in § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG zusätzlich enthaltene Merkmal der „Unbeschränktheit“ findet keine wörtliche Wiederholung in Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV. Im Wege der Auslegung der Norm erweist sich jedoch, daß das Kriterium der Unbeschränktheit im Merkmal der Einzigkeit denknotwendig enthalten ist. Denn dort, wo es nur ein einziges gesetzliches Zahlungsmittel gibt und eine absolute Obergrenze für Bepreisungen nicht existiert, scheidet eine Beschränkung der Nutzung des gesetzlichen Zahlungsmittels zur Schuldtilgung notwendig aus.

Für die Identität des Regelungsgehaltes beider Normen spricht in diesem Zusammenhang nicht zuletzt auch der Umstand, daß Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 die vertragsschließenden Staaten verpflichtete, spätestens zum Zeitpunkt der Errichtung des ESZB sämtliche innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit dem europäischen Primärrecht in Einklang zu bringen. Die Tatsache, daß weder die Organe der Union, noch auch die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland je einen Widerspruch zwischen beiden Normen monierten, indiziert das als rechtens gelebte und inhaltlich zutreffende Verständnis der Beteiligten, von einem Gleichklang der Normbefehle auszugehen.

Es sprechen aus heutiger Sicht sogar gewichtige Gründe dafür, daß der Erwägungsgrund (19) der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro seine ursprüngliche Funktion als Brückennorm zum Erhalt von mitgliedsstaatlichen Stückelungsverhältnisregelungen bei der Schuldtilgung durch Bargeld verloren hat. Nach § 3 MünzG sollte zum Beispiel der Gläubiger einer Zahlungsforderung in Deutschland berechtigt sein, ein Übergewicht an Münzgeld bei der Schuldtilgung ablehnen und seinen Zahlungsschuldner – bargeldintern – auf die Leistung von Banknoten verweisen dürfen. Mit dem späteren Wirksamwerden des Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV dürften derartige Erwägungen des Rates nicht nur normenhierarchisch obsolet geworden sein, sondern – und da es sich bei einer Erwägung nicht einmal um ein „Gesetz“ handelt a forteriori – jedenfalls auch durch Zeitablauf derogiert (lex posterior derogat legi priori).

Wenn überhaupt, so ließen sich Begrenzungen auf Grundlage dieser vormaligen Erwägung des Rates zudem tatbestandlich allenfalls zur Verteidigung der „öffentlichen Ordnung“ denken. Die in diesem Zusammenhang bisweilen genannten Ordnungsstörungen (Geldwäsche, Terrorfinanzierung und Steuerhinterziehung) können aber nicht dadurch erschwert oder verunmöglicht werden, daß es einem Bürger durch die Satzung einer deutschen Behörde untergesetzlich verboten würde, bestimmte Rundfunkangebote mit dem einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel der Union zu bezahlen.

2.) Wollte man sich demnach auf den Standpunkt stellen, daß der Regelungsgehalt des § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG in zuständigkeitsrechtlicher und/oder in Hinsicht auf bereits genutzte europarechtliche Normsetzungskompetenzen gegenstandslos (geworden) wäre, so änderte dies nichts an der für den vorliegenden Streitfall maßgeblichen Rechtslage. Denn angesichts der insoweit gegebenen Deckungsgleichheit der Normbefehle aus § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG und Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV bliebe es bei der von dem Bundesverwaltungsgericht für die interne mitgliedsstaatliche Gesetzeslage zutreffend erkannten rechtlichen Situation.

3.) Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, daß der verschiedentlich in diesen Kontexten argumentativ erwähnte (und auch in dem Vorlagebeschluß herangezogene) § 224 Abs. 4 Satz 1 AO die Tilgung von Steuerschulden mittels Bargeldes gerade nicht (!) ausschließt. Nach § 224 Abs. 4 Satz 2 AO hat ein Finanzamt, das seine hausinterne Kasse schließt und Bargeld somit nicht mehr am Tage eines objekthaften Zahlungsmitteleinganges buchhalterisch schuldtilgend erfassen kann, eine am Ort der Finanzkasse ansässige Filiale der Bundesbank, hilfsweise ein anderes dort ansässiges Kreditinstitut, zu ermächtigen, diese Zahlung gegen Quittung entgegennehmen zu können. Selbst § 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz eröffnet eine Alternative zu dem dort geregelten Bankeinzugsverfahren, was nach allem hier Gesagten bei europarechtskonformer Auslegung der Norm die Bargeldzahlung zur Kraftfahrzeugsteuertilgung ebenfalls nicht aus-
schließen läßt.

4.) Welche rechtsdogmatische Bedeutung den Empfehlungen der Euro Legal Tender Expert Group ELTEG zum Erlass von „soft law“ auch immer zukommen mag: Das Primärrecht des Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV ist nach dem Vorgesagten für den vorliegend streitentscheidenden Zusammenhang hinreichend aussagekräftig.

IV. Zur Bedeutung der Euro-Banknoten de lege ferenda

Euro-Banknoten sind der in Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV in inhalt-
licher Übereinstimmung mit § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG primärrechtlich definierte und festgelegte Anker der Euro-Geldordnung. Sie sind, wie dargelegt, die objekthaften Träger der Funktion des Euro als einheitliches gesetzliches Zahlungsmittel. Das Unionsrecht läßt in seiner derzeitigen Fassung keinen Raum für mitgliedstaatliche Modifikationen dieser Rechtslage. Einzig der Primärgesetzgeber selbst könnte in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren neue Regelungen erlassen, mit denen er sich oder den Mitgliedstaaten die Einführung eines weiteren gesetzlichen Zahlungsmittels und oder die Ausgabe anderweitiger Trägerobjekte für das gesetzliche Zahlungsmittel gestattet.

Eine Abwendung von dem Prinzip eines physischen Bargeldankers als Regelfall des gesetzlichen Zahlungsmittels mitsamt dem seine Marktgängigkeit und Verkehrsfähigkeit einheitlich sicherstellenden Annahmezwang, namentlich die zusätzliche Einführung eines (dann wie auch immer konkret rechtsstaatlich und verläßlich fälschungssicher bestimmten) Giralgeldes als weiterem „gesetzlichen Zahlungsmittel“, wäre jedenfalls aus den vorstehend beschriebenen, systematisch zwangsläufigen Gründen der jeweiligen Einbeziehung mindestens einer dritten Partei in jeden Bezahlvorgang mit einem potentiellen Auseinanderfallen der Werthaltigkeit unterschiedlicher Leistungszusagen von Dritten mit differierenden Bonitäten verbunden.

Ebenso, wie das Papiergeld nach dem 15. August 1971 durch die „Schließung des Goldfensters“ seine Eigenschaft als Inhaberschuldverschreibung verloren hatte, würden die Euro-Banknoten in diesem Falle ihre durch stets zuschlagsfrei sichergestellte Rücktauschbarkeit aller Giralgeldguthaben gewährleistete Ankerfunktion für die Umlauffähigkeit der Währung insgesamt verlieren. Es wäre damit kein Geld mehr, das im herkömmlichen Sinne die vorstehend beschriebenen, grundlegenden sieben Voraussetzungen für funktionsfähiges Geld erfüllte.

Giralgeld mag leicht zu ‚transportieren‘ sein; doch durch seinen schwankenden Wert und die Unsicherheiten im Hinblick auf die Bonität der hier stets in die Zahlungsvorgänge einbezogenen dritten Intermediäre wird es gleichsam in seinem Wert ‚verderblich‘; es ist darüber hinaus nicht mehr zweifelsfrei wägbar und nicht mehr zuschlagsfrei in beliebige Teilmengen zerlegbar; zudem ist es als Wertmittler, dem jeder Objektcharakter abschließend genommen ist, nicht mehr fälschungssicher und im Hinblick insbesondere auf das mindestens stetige Potential grenzenloser digitaler Reproduzierbarkeit auch nicht mehr verläßlich rechtssicher knapp.

Der Bestand des Euro als gemeinsame Währung setzt nach allem die Existenz des Bargeldes mit seinem Annahmezwang geldrechtlich und geldtechnisch voraus.

V. Fazit zu den Vorlagefragen

Für die von dem vorlegenden Gericht formulierten Fragen ergibt sich aus dem vorstehend Ausgeführten dies:

1.) Mit dem Inkrafttreten des Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV hat die Union ungeachtet der Frage nach dem Umfang ihrer währungspolitischen Kompetenzen zur Ordnung der Währung nach außen in geldrechtlicher Hinsicht die von der Europäischen Zentralbank zur Ausgabe genehmigten Euro-Banknoten innerhalb des Euro-Währungsraumes primärrechtlich zum einzigen objekthaften Träger des einzigen gesetzlichen Zahlungsmittels erklärt. Rechtsakte von Mitgliedstaaten, die diese Funktion des gesetzlichen Zahlungsmittels einzuschränken bestimmt sind, verstoßen somit gegen höherrangiges europäisches Recht.

2.) Das Unionsrecht läßt weder den nationalstaatlichen Gesetzgebern, noch auch ihren nachgeordneten Behörden normative Spielräume, die Bezahlung von Geldschulden aller Art mittels Euro-Banknoten abzulehnen oder auszuschließen.

3.) Jedenfalls solche geldrechtliche Rechtsakte von Mitgliedstaaten und ihren nachgeordneten Behörden, die mit diesen Normbefehlen des europäischen Primärrechtes inhaltlich in Einklang stehen, sind bis zum Erlass entgegenstehenden Primärrechtes anwendbar.

Anmerkungen (N.H.)

Ein Verhandlungstermin ist noch nicht festgesetzt

Den bisherigen Gang des Verfahrens können sie unter GEZ-Bargeldprozess nachlesen

Wer sich für den Erhalt des Bargelds engagieren möchte, ist herzlich eingeladen, sich an der #BargeldChallenge zu beteiligen.

 

ANHANG

I. Vorbemerkung zum Inhalt der Vorlagefragen

Das vorlegende Gericht hat die von ihm formulierten Fragen in seinem Beschluß vom 27. März 2019 dreigeteilt. Die dritte dortige Frage solle demnach nur für den Fall gestellt sein, „daß Frage 1 bejaht und Frage 2 verneint“ werde.

Die hierbei von dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegte „Frage 2“ zielt jedoch nach ihrer grammatikalischen und auch logischen Struktur darauf, die eine oder die andere von zwei dort ausformulierten Varianten („oder“) für europarechtskonform zu erklären. Eine derartige
„Oder“-Frage läßt sich ersichtlich nicht mit „ja“ oder „nein“ beantworten.

Es wird demgemäß diesseits davon ausgegangen, daß die „Frage 3“ des vorlegenden Gerichtes auch ohne diese dort einleitende Einschränkung Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist, zumal „Frage 3“ namentlich auch dann von entscheidungserheblicher Bedeutung ist, wenn der Gerichtshof die vorgelegte „Frage 1“ verneinen sollte. Denn die dann abstrakt verneinte ausschließliche währungspolitische Zuständigkeit der Union stünde den Rechtsfolgen des in den Ausgangsverfahren konkret mitgliedstaatlich interessierenden § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG jedenfalls dann nicht entgegen, wenn dessen Regelungsgehalt bereits inhaltsgleich durch den normenhierarchisch vorrangigen Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV geldrechtlich bekräftigt wäre.

[11.9.2019]

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