Unter dem heuchlerischen Vorwand, der von Pandemiemaßnahmen gebeutelten Kulturszene zu helfen, lobten Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Kulturstaatsministerin Claudia Roth, wie berichtet, 2023 einen digitalen Kulturgutschein von 200 Euro für alle aus, die in jenem Jahr 18 wurden. Bedingung: Sie mussten dafür die Online-Ausweisfunktion eID nutzen, die von den Bürgern nicht angenommen wird.
Das IT-Unternehmen SAP bekam 5,6 Mio. Euro für die Programmierung, eine Stiftung Digitale Chancen bekam für die Umsetzung des Programms ca. 1,3 Mio. Euro. Es wäre für Anbieter, Jugendliche und Staat viel einfacher und billiger gegangen. Die Kulturförderung war leicht erkennbar nur ein Vorwand. Zu den Angeboten der Buchhändler und wohl auch anderer gehörten und gehören auch Gutscheine, mit denen man sich im Laden Bücher aussuchen kann. Auch ins Kino kann man mit dem Geld gehen. Das meiste Steuergeld, das für das Projekt ausgegeben würde, dürfte lediglich Ausgaben für Kultur finanziert haben, die auch ohne die Förderung stattgefunden hätten, der sogenannte Mitnahmeeffekt. Dafür mussten die Nutzer sich zeitaufwendig registrieren und die Anbieter ebenso zeitaufwendig ihre Angebote in die App einstellen.
Dieses schon damals gefällte Urteil, wird durch einen Bericht von NDR-Kultur von Januar 2024 über die bisherigen „Erfolge“ des Programms eindrucksvoll bestätigt. „Ich ziehe wirklich für den KulturPass eine sehr, sehr, sehr positive Bilanz“, wird Roth zitiert. Das ist nichts als sehr lautes Pfeifen im Walde. Der „Erfolg“ bestand darin, dass nur ein Drittel der 750.000 möglichen Begünstigten das Angebot nutzten, und zwar vor allem für Bücher, von denen sie eine halbe Million kauften, also im Durchschnitt zwei pro Nutzer. Die zweithäufigste Nutzung bestand darin, sich im Kino Hollywood-Streifen anzuschauen. „Spiderman“, „Indiana Jones“ und „No Hard Feelings“ waren nach einem Bericht aus der Anfangszeit des KulturPass die mit dem Gutschein meistgesehenen Filme, gezeigt in der Regel in den großen Kinos. In Programmkinos habe man nicht so viel vom KulturPass gespürt. Rund eine Viertelmillion Kinokarten wurden mit dem Gutschein 2023 erworben.
Schwer vorstellbar, dass viele Jugendliche, die normalerweise weder Bücher kaufen, noch ins Kino gehen, sich die sehr erhebliche Mühe gemacht haben, sich mit der geforderten eID für das Kulturalmosen der Digitalisierer freizuschalten. Die Mitnahmequote dürfte nahe bei 100% liegen. Bei den Konzerttickets, von denen etwa 100.000 verkauft wurden, könnte sie ein bisschen niedriger gelegen haben, aber vermutlich nicht viel. Gut jeder dritte Jugendliche, der sich die Mühe der Freischaltung machte, wäre wahrscheinlich auch ohne den Gutschein einmal im Jahr auf ein Konzert gegangen.
Stolze 100 Mio. Euro Steuergeld verplanten Claudia Roth und die Ampel-Mehrheit im Bundestag, um Anreize zu schaffen, trotz hohen und unnötigen Zeitaufwandes ein digitales Angebot zu nutzen. Und das nur, um eine digitale Identifizierungsmöglichkeit voranzutreiben, die die Bürger nicht freiwillig nutzen wollen. Eine Kulturförderung wäre analog viel einfacher umzusetzbar. Zum Glück der Steuerzahler wurden 2023 nur 22 Mio. Euro Gutscheingeld abgerufen. Legt man die Kosten für die App-Programmierung und die wie auch immer gearteten Leistungen der Stiftung Digitale Chancen auf die 250.000 Nutzer im Jahr 2023 um, kommt man auf absurd anmutende Kosten von 37 Cent pro abgerufenem Kulturfördereuro. Versand von Papiergutscheinen mit der Post über die Meldeämter wäre ungleich billiger gekommen, hätte man tatsächlich die Kultur fördern wollen.
Roth und Lindner weiteten das gefloppte Angebot 2024 auf die in diesem Jahr volljährig werdenden Jugendlichen aus, allerdings reduziert auf 100 Euro. Man hat praktisch nichts mehr vom KulturPass gehört und darf annehmen, dass er auf dem reduzierten Niveau noch viel mehr gefloppt ist, als im Vorjahr. Mit diesem teuren Fehlschlag wollte Roth wohl nicht in die Bundestagswahl nächstes Jahr gehen. Und so kam zur Jahresmitte jemand auf die Idee, die digitale Zugangshürde zu senken und die Sparkassen für das Angebot werben zu lassen. Ab August wurde in einem Pilotprojekt mit einer Sparkasse erprobt, das Identifizierungsverfahren der Sparkassen für das Online-Banking als Alternative zur eID anzuerkennen, um an den Gutschein zu kommen. Das Projekt war erfolgreich. Seit Oktober bekommt man die 100 Euro als Online-Banking-Kunde der Sparkasse im richtigen Alter.
Die Sparkassen werben nun gleichzeitig für den KulturPass und ihr Online-Banking. Das bisherige Hauptziel, die BundID aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken, hat man aufgegeben für das Ziel, einen peinlichen und teuren Flop weniger sichtbar zu machen. Vielleicht hat ja jemand in Berlin Lust, bei Roths Kulturbehörde zu nachzufragen, wie viel die Umprogrammierung der KulturPass-App gekostet hat.
In einem Team, das sich mit solch genialen Ideen hervortut und sich dann so bemüht, deren Misserfolg nicht an der Chefin hängen zu lassen, gibt es naturgemäß viele Getreue, die belohnt und befördert werden müssen. Und so will Claudia Roth vor dem Ende ihrer nur noch kommissarischen Amtszeit, laut einem Bericht der Welt, schnell noch acht Referatsleiter in den Rang oder mindestens in die Gehaltsstufe eines Abteilungsleiters befördern.