3 Leserbriefe | 28. 04. 2024 | Es fällt schwer zu entscheiden, was der schlagendere Beweis dafür ist, dass es mit der demokratischen Kultur in unserem Land steil bergab geht: Die Tatsache, dass der Thüringer CDU-Chef und Spitzenkandidat eine staatliche Lizenz für Äußerungen auf den sozialen Medien einführen will, oder die Tatsache, dass die Mainstream-Medien und praktisch das gesamte linke politische Spektrum diese totalitäre Ungeheuerlichkeit gnädig übergehen und totschweigen. Eine wichtige Rolle dabei spielt die Nachrichtenagentur DPA.
Meine Suchmaschinenabfrage nach „mario voigt landtag lizenzen“ (Brave) brachte am 28. April als Ergebnisse eine Reihe von Youtube-Videos, in denen sich darüber erregt wird, dass Oppositionschef Mario Voigt am 24. April im Thüringer Landtag „verwirkbare Social-Media-Lizenzen für jeden Nutzer“ gefordert hatte, um im Netz „für Anstand zu sorgen“.
Schriftlich fanden sich Beiträge von konservativen Alternativmedien wie Tichys Einblick, Apollo News, Achgut und von der Werte Union. Nichts von den großen Mainstream-Medien.
Eine wichtige Rolle beim Beschweigen des Skandals durch die Mainstream-Medien hat wieder einmal die Nachrichtenagentur DPA, von der die meisten Zeitungen ihre Berichte über solche Ereignisse beziehen. Die Süddeutsche etwa übernahm einen länglichen DPA-Bericht über die Landtagsdebatte, in der das Thema Soziale Medien nicht vorkam. Schwer vorzustellen, dass dem Reporter das Reizwort „Social-Media-Lizenzen“ nicht aufgefallen ist oder er das Thema für uninteressant gehalten hat.
Aber auch die Thüringer Allgemeine, die einen eigenen Korrespondenten berichten lässt, spart das Aufregerthema Lizenz zur Meinungsäußerung, komplett aus. Dadurch hängt der Hinweis darauf, dass die AfD die Meinungsfreiheit in Gefahr sehe, sonderbar in der Luft. Die von der Zeitung zitierte Erwiderung des FDP-Landesgruppenchefs Thomas Kemmerich, es sei vielleicht ungemütlich geworden, seine Meinung zu sagen, „aber in diesem Land kann noch jeder sagen, was er denkt“, bekäme eine noch viel weniger liberale Einfärbung, wenn die Leser der Zeitung erführen, was der CDU-Spitzenkandidat vorher vorgeschlagen hatte.
Mutmaßlich wollte man bei DPA und Thüringer Allgemeine den Rechten keinen Rückenwind geben, indem man das Wahlvolk in Thüringen und die deutsche Öffentlichkeit über den Extremismus aus der Mitte derer informiert, die sich so gern „DIE demokratischen Parteien“ nennen. Wenn dann allein die Rechten sich – zu Recht – gehörig aufgeregt haben, fällt es den Mainstream-Medien und dem linken Spektrum umso schwerer, verspätet in den Chor der Kritik einzustimmen.
Das ist feige. Damit machen sie sich mitschuldig daran, dass Extremisten aus der Mitte das Sagbare immer mehr ins Totalitäre verschieben. Sie machen sich mitschuldig, wenn solche antidemokratischen Ideen umgesetzt werden.
Was Voigt genau sagte
Das Video von Voigts Rede in der Landtagsdebatte zum „Thüringen Monitor“ am 24.4.2024 ist inzwischen auf dem Landtagsserver abrufbar (ab ca. 1h:23min). Er sagte:
„Fake News und alternative Fakten sind schon lange Kreise und Debatten, die Feinde der Demokratie sind und unsere demokratischen Institutionen schwächen. Und deshalb ist es eben auch Zeit, dort für Anstand zu sorgen, weil es zur Demokratiezersetzung führt. Wie aber schützen wir die Demokratie im Bereich von Social Media? Da gibt es sicherlich fünf Hebel:
- Idealerweise sollte man sich über die Frage eines Bot-Verbotes verständigen, damit eben die Nutzung gefälschter Profile eine Straftat ist. .
- Es geht auch um die Frage nach Klarnamenpflicht, weil Meinungsfreiheit nicht hinter Pseudonymen versteckt werden soll.
- Es geht auch um die Frage, dass wir verwirkbare Social-Media-Lizenzen für jeden Nutzer schaffen sollten, damit eben auch Gefährder im Netz nichts verloren haben.
- Es wird uns beschäftigen müssen, wie wir Algorithmen einhegen, damit wir die Meinungsvielfalt auch in sozialen Netzen beleben.
- Und es geht um eine stärkere Medienkompetenz.
All das führt dazu, dass Blasen platzen und Echokammern sich wieder öffnen, und das schützt unsere Demokratie.“
Voigt will also falsche Nutzerprofile nicht nur verbieten, sondern gleich zur Straftat machen. Das würde bedeuten, dass alle, die sich gegen die vorherrschende Meinung stellen möchten, dies um den Preis tun müssen, dass eine intolerante Meute billig-und-gerecht Denkender sie so lange öffentlich mit Dreck bewirft und denunziert, bis sie den Job verlieren, oder ihre Möglichkeiten, öffentlich aufzutreten. Wer meint, das sei kein großes Risiko, möge einen Blick in mein Cancel-Culture-Tagebuch werfen.
Außerdem sollen Behörden entscheiden dürfen, wer sich im Internet öffentlich äußern darf, denn „Gefährdern“ soll die Erlaubnis hierzu entzogen werden können. „Gefährder“ ist ein von Behörden eingeführter und genutzter Begriff, den allein sie mit Inhalt füllen. Wenn sie Voigts Verständnis anlegen, was die Demokratie gefährdet, dann bekommt so ziemlich jeder, der mehr als zahme Kritik an der Regierung übt, Äußerungsverbot.
Und damit das Internet nicht einseitig von übermäßig kritischer, sogenannter Desinformation überschwemmt wird, will er auch noch an die Algorithmen der Plattformen ran, um dafür zu sorgen, dass die echten Nachrichten über das segensreiche Wirken des politischen Establishments aus den Mainstream-Medien ausreichend zur Geltung kommen.
Voigt ist kein Einzelfall
Wie weit das öffentlich Sagbare bereits ins Totalitäre verschoben wurde, zeigen ein paar Beispiele nur aus den letzten Tagen:
- Die parteilose Justizsenatorin des schwarz-roten Berliner Senats fordert, „das Einbringen von Desinformationen“ unter Strafe zu stellen. Einen EU-Vorschlag dafür gebe es schon.
- Die FDP-Spitzenkandidatin Strack-Zimmermann für die Europawahl fragt einen kritischen Zuhörer, der mit ihr „über Demokratie reden“ will, ob sein Arbeitgeber wisse, was er hier tue und anschließend mehrfach nachdrücklich, wer sein Arbeitgeber sei.
- In Berlin schließt ein Bezirksstadtrat von der CDU zwei Jugendeinrichtungen mit der Begründung, dass das Personal auf pro-palästinensischen Demonstrationen gesichtet worden sei und eine Verantwortliche bei einem Palästina-Kongress habe sprechen wollen.
- Weil der Trendstudie „Jugend in Deutschland“ zufolge 22% der jungen Leute AfD wählen würden, fordert der grüne Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses eine Überarbeitung aller Lehrpläne.
Schlussfolgerung
Die ganz große Koalition der extremen Mitte sieht sich belagert von Realitäten und einer immer kritischeren Öffentlichkeit. Der Vertrauensverlust ist bereits so groß, die Entfernung des politischen Handelns von den Wünschen und Bedürfnissen der Bevölkerungsmehrheit so groß, dass sie sich nicht mehr trauen, die Kritik anzunehmen. Vielmehr suchen sie inzwischen ganz offen ihr Heil darin, Kritik zu unterdrücken und sogar zu verbieten. Dass das nicht klappen kann, liegt auf der Hand, aber es ist offenkundig sehr schwer, umzusteuern.
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24. 03. 2024 | Intersubjektiv hat ein neues Aufklärungsvideo erstellt. Viel Spaß beim anschauen. Gern weiterverbreiten.|