ARD-Faktenchecker Siggelkow reitet gegen die Übersterblichkeit

21. 06. 2023 | Ein Faktenchecker der ARD, dessen Aufgabe es ist, als Kettenhund der Regierung diejenigen zu beißen, die das regierungsamtliche Narrativ in Frage stellen, darf nichts ungewöhnlich daran finden, wenn diese Regierung die Gründe für die hohe Übersterblichkeit seit Beginn der Impfkampagne nicht wissen und nicht herausfinden will. Aber wenn jemand die Aufgabe übernimmt, danach zu forschen, dann hat er in Aktion zu treten und mit allen faulen Tricks, die er kennt, am Ergebnis herumzumäkeln.

Es geht um die mehrfach gutachtergeprüfte und in einer Fachzeitschrift veröffentlichte Studie zur Übersterblichkeit von Christof Kuhbandner und Matthias Reitzner. Deren unbequemes Ergebnis ist, dass die Übersterblichkeit im ersten Pandemiejahr ohne Impfung minimal war und seit Frühjahr 2021 bis ins Jahr 2022 deutlich zugenommen hat und hoch blieb.

Der „Faktenchecker“ Pascal Siggelkow ist bekannt geworden durch seine Widerlegung der von niemandem behaupteten Sprengung der Nordstream-Pipelines mit „Sprengstoff in Pflanzenform“. Jedem kann mal ein peinlicher Fehler passieren. Ist mir auch schon passiert. Aber anstatt sich etwas zurückzuhalten, mit unseriösen „Widerlegungen“ politisch sensibler Aussagen, geht Siggelkow weiter als Kettenhund der Regierenden in die Vollen. Er bietet all die üblichen faulen Tricks auf, um an unbequemen Erkenntnissen herumzumäkeln und sie in ungünstiges Licht zu tauchen.

Es fängt an mit negativer Rahmung. Bevor man irgend etwas über die Studie hört, erfährt man, was ein Onlineportal, das „bei der Querdenker-Bewegung beliebt“ sei, darüber berichtet hat. Wer so arbeitet, verliert das Recht, sich Journalist und erst recht Faktenchecker zu nennen. Hätte Siggelkow eine Nazi-Postille gefunden, die die Studie erwähnt, hätte er die Studie wahrscheinlich darüber eingeflogen. Weiter geht es damit, dass „einzelne Passagen und Grafiken der Studie in diversen Verschwörungskanälen auf Telegram“ geteilt würden.

Dann stellt er fest, dass die Erkenntnis der nach dem ersten Pandemiejahr gestiegenen Übersterblichkeit nicht neu sei. „Gehen sie weiter, es gibt nichts zu sehen“, soll das heißen. Dann wirft er einige nur am Rande relevante Zahlen ein, die wohl für Verwirrung sorgen sollen.

Danach erst wird dargestellt, wie die beiden Autoren ihre Studie aufgezogen haben, und zugegeben, dass dagegen grundsätzlich nichts einzuwenden ist.

Anschließend werden jedoch andere Wissenschaftler zitiert, die sagen, hier und da würden sie im Detail etwas anders vorgehen. Das hat nichts mit Faktencheck zu tun. Das ist normale wissenschaftliche Debatte unter Fachleuten.

Wie tendenziös und einseitig Siggelkows Artikel ist, zeigt ein Vergleich mit Torsten Harmsens  Beitrag „Führten Corona-Impfungen zur Übersterblichkeit? Eine wissenschaftliche Debatte“ in der Berliner Zeitung vom 15.6.23. Darin enthalten sind Erwiderungen von Studienautor Kuhbandner auf Einwände der von Siggelkow zitierten Experten Kauermann und De Nicola. Diese hat Siggelkow auch fünf Tage später noch nicht zur Kenntnis genommen oder für nicht erwähnenswert gehalten.

Dafür behauptet er, dass „Geimpfte Studien zufolge ein bis zu 80 Prozent geringeres Sterberisiko im Alter bis 70 Jahre im Vergleich zu Ungeimpften“ hätten. In der verlinkten, schon älteren Studie konnte ich die genannte Prozentangabe allerdings nicht finden. Sollte jemand mehr Erfolg haben, trage ich das gerne nach.

Siggelkow zitiert einen Wissenschaftlichen Mitarbeiter namens Jonas Schöley länglich mit einer ziemlich wirren Gegenmeinung. Die Betonung des zeitlichen Zusammenfallens von Impfkampagne und Übersterblichkeit sei irreführend. Denn wichtig sei, dass es 2021 und 2022 mehr Corona-Infektionen gegeben habe als 2020. Bei der Übersterblichkeit geht es aber nicht um die Infektionen, sondern um die Sterbefälle, die mit Corona in Zusammenhang gebracht werden. Und diese waren 2021 und 2022 weniger als 2020. Auch die Belastung der Intensivstationen, als weiterer Indikator für schwere Verläufe, wenn man die Daten zu den Corona-Sterbefällen anzweifelt, war deutlich geringer. Das Argument ist, so wie es vorgetragen wird, unsinnig.

Ein weiterer Wissenschaftler wird mit Aussagen zur Infektionshäufigkeit zitiert, um dieses Argument scheinbar zu stützen, aber er stellt keinen Zusammenhang zur Übersterblichkeit her.

Nachdem der Wissenschaftliche Mitarbeiter Schöley sagen darf, dass ihm ein Zusammenhang zwischen Impfung und Übersterblichkeit nicht plausibel ist, wird ein weiterer Experte zitiert, der über ein paar einzelne Monate redet und ohne nähere Belege „neben der Corona-Pandmie“ eine Grippewelle aus dem Hut zaubert, die „zu den prägenden Faktoren“ für die seit zwei Jahren anhaltende hohe Übersterblichkeit gehören soll.

Fazit

Hauptsächlich auf Basis der wenig überzeugenden Einwände eines einfachen Wissenschaftlichen Mitarbeiters belegt Pascal Siggelkow die Analyse zweier Professoren in einer gutachtergeprüften Fachzeitschrift mit dem Urteil „irreführend“. Das ist eine Schande für den Journalismus und die ARD, die wir mit unseren Beiträgen zwangsfinanzieren müssen.

Fast unnötig zu sagen, dass Siggelkow und Kollegen natürlich nicht die vielen Falschbehauptungen von Immernochgesundheitsminister Lauterbach überprüft haben, wie etwa die jüngste gegenüber dem Bundestag, wonach die Regierung keine Nachforschungen zur Ursache der Übersterblichkeit in Deutschland anzustellen brauche, weil das an in- und ausländischen Universitäten bereits erforscht werde. Das musste ich schon selbst als Falschbehauptung entlarven. Im ganzen Faktencheck von Siggelkow gibt es keinen Hinweis darauf, wie ungewöhnlich es ist, dass die Regierung und ihre Gesundheitsbehörden so wenig Interesse an der hartnäckig hohen Übersterblichkeit der Bevölkerung zeigen.

Nachtrag (23.6.) Zunehmende Zuversicht

Im Oktober hatte Siggelkow schon einmal einen Faktencheck zum gleichen Thema veröffentlicht, mit weitgehend gleichen Experten. Damals waren diese noch am rätseln über die Ursache der Übersterblichkeit abseits der Wintermonate. Diese Unsicherheit scheint auf geheimnisvolle Weise verschwunden.

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