20. 03. 2016 | Wenn uns interessierte Kreise über die Medien die Vorzüge einer bargeldlosen Gesellschaft nahebringen wollen, ist Schweden nicht weit. Dort gibt es in vielen Bankfilialen kein Bargeld mehr und vielerorts werden auch Kleinstbeträge bargeldlos bezahlt. Doch ausgerechnet die Schwedische Reichsbank bricht nun eine Lanze für das Bargeld. Die bargeldlose Welt hat nämlich auch aus ihrer Sicht Schattenseiten.
Um Missverständnisse zu vermeiden, sei gesagt. Die Schwedische Reichsbank, die Zentralbank des Landes, ist ein Hort marktfundamentalistischen Gedankenguts, Interessenvertreterin der Banken und eine Triebkraft hinter dem Übergang zu bargeldlosen Gesellschaft. Aber das Tempo in dem die Geschäftsbanken dabei sind, dem Bargeld den Garaus zu machen, geht der Notenbank denn doch zu weit. Denn bei aller Unterstützung für die Bemühungen, den Zahlungsverkehr effizienter zu gestalten, sieht die Reichsbank ein Problem darin, dass Menschen, die auf Bargeld angewiesen sind, bereits jetzt Schwierigkeiten haben, welches zu bekommen und wen sie welches haben, damit zu bezahlen.
In einer Stellungnahme zu Regierungsplänen für die Umsetzung einer Richtlinie der EU zum allgemeinen Zugang zu Bankkonten mit Basisfunktionen, fordert die Notenbank die Aufnahme einer Vorschrift in das Gesetz, die Banken zwingt für die Deckung des Bedarfs der Bevölkerung an Bargeld zu sorgen. In der von Notenbankpräsident Stefan Ingves unterschriebenen Stellungnahme für das Finanzministerium heißt es, die Banken hätten ihre Bargelddienstleistungen zu schnell heruntergefahren, was allgemein, vor allem aber in gering bevölkerten Gebieten zu Problemen geführt habe.
Berichten zufolge ist in der Mehrheit der Filialen schwedischer Banken kein Bargeld mehr zu bekommen. In einer abgelegenen Region kann man ohne weiteres mit Bargeld seine Einkäufe erledigen. Wenn es allerdings kein Mobilfunknetz oder keinen Anschluss der lokalen Einzelhändler an die bargeldlosen Bezahlsysteme gibt, dann ist eine unzureichende Bargeldversorgung ein Problem für die Bevölkerung und die lokale Wirtschaft.
Die Nachfrage nach Bargeld werde nicht befriedigt, und die Mangelerscheinungen würden noch zunehmen, wenn man die Banken nach eigenem Gusto weitermachen ließe, diagnostiziert die Riksbank. Deshalb möchte die sie entgegen den bisherigen Planungen erreichen, dass im Gesetz klargestellt wird, dass die Bargeldversorgung eine grundlegende Zahlungsverkehrsleistung er Banken ist, die diese vor Ort sicherstellen müssen. Auch in Norwegen sei Anfang des Jahres ein Gesetz in Kraft getreten, das Finanzinstitute verpflichtet, die Bargeldversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
Das die zunehmend bargeldlose Welt nicht für alle Schweden die schöne neue Welt ist, als die sie bei uns immer dargestellt wird, kann man auch daran erahnen, dass es eine Bürgerinitiative namens Kontantupproret (Bargeld-Aufstand) gibt.
Etwas geheimnisvoll mutet die Feststellung der Sveriges Riksbank an, dass auch der Status des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel, das jeder akzeptieren müsse, das zu schnelle Verschwinden des Bargelds nicht aufhalten könne, denn in den meisten Kontexten sei die Verpflichtung nicht bindend. Hier vermute ich, dass es lediglich an der Bereitschaft der Durchsetzung fehlt, weil Staat und Zentralbank zu denen gehören, die das Bargeld zurückgedrängt sehen wollen.
Am Ende macht Ingves klar, dass es ihm nur darum geht die Transformationen zur bargeldlosen Gesellschaft möglichst schmerzfrei hinzubekommen, nicht sie zu verhindern (meine Übersetzung):
„Die Reichsbank möchte betonen, dass sie nicht gegen die Transformation des Zahlungsverkehrsmarktes ist, sondern dessen Fortentwicklung und Innovationen begrüßt. Aber verschiedene Gruppen werden den Strkturwandel als problematisch erfahren. Deshalb muss er in einem Tempo vor sich gehen, der es unwahrscheinlich macht, dass sie vom Zahlungsverkehr ausgeschlossen werden. Aufgrund der zentralen Rolle des Zahlungsverkehrs in der Gesellschaft, müssen die Gruppen berücksichtigt werden, die mehr Zeit brauchen, sich an neue Zahlungsmethoden anzupassen.“
Die Reichsbank hat die Zurückdrängung des Bargelds seit etwa 2004 dadurch befördert, dass sie sich mit ihrer eigenen Bargeldbereitstellung für die Banken aus der Fläche zurückgezogen hat. Sie hat die Verantwortung für das Bargeldhandling immer stärker auf die privaten Banken verlagert und diesen zum Ausgleich Zinsvergünstigungen gewährt (Siehe hier, hier und hier) Für Banken ist Bargeld jedoch vor allem ein lästiger Konkurrent für das Giralgeld, dass sie selbst schaffen können, und an dem sie viel mehr verdienen. Von daher ist es kein Wunder, dass die privaten Banken die Gelegenheit, die die Zentralbank ihnen bot, genutzt haben, um Barzahlungen relativ zu unbaren Zahlungen umständlicher und teurer zu machen. Die Regierung hat unter anderem dazu beigetragen, indem sie hunderte Bargeld-Auszahlungsstellen in Post-Filialen schloss, mi der Begründung, dass die geringe Nachfrage die Kosten nicht rechtfertige.
Eine englische Zusammenfassung der Stellungnahme der Zentralbank ist hier. Die vollständige Stellungnahme (in Schwedisch) hier.