Rasterfahndung mit unseren Bankdaten

Wenn ich diesen Artikel etwas früher gelesen hätte, wäre „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen“ noch etwas alarmistischer ausgefallen. Was mit unseren Bankdaten schon heute passiert oder bald passieren soll, lässt einen eine Welt ohne Bargeld nochmals mit ganz neuen Augen sehen.

Der ein oder andere von Ihnen hat vielleicht schon einen Anruf von seiner Bank oder Kreditkartenfirma erhalten, nachdem er eine Auslandsreise tat oder ungewöhnliche Zahlungen erledigte, mit der besorgten Frage, ob man noch alle seine Karten bei sich habe, ob alles in Ordnung sei. Es seien ungewöhnliche Zahlungsströme aufgefallen. So etwas passiert, weil unsere Zahlungsbewegungen in Echtzeit automatisch mit bestimmten, uns Kunden unbekannten, Computer-Algorithmen  durchforscht und auf ungewöhnliche  Vorkommnisse hin überprüft werden.

Das ist sehr nützlich, werden damit doch Betrügereien mit kopierten oder gestohlenen Karten idealer Weise sehr schnell festgestellt und abgestellt, bevor der Schaden zu groß wird. Die Sache ist nur die: Niemand von uns weiß, welche eigenen oder fremden Algorithmen die Banken noch über unsere Zahlungsinformationen laufen lassen. Neben denen, die dazu dienen, uns vor Kriminellen zu warnen, gibt es auf jeden Fall auch diejenigen, die dazu dienen, die staatlichen Behörden auf uns hinzuweisen, weil wir potentielle Geldwäscher, Steuerhinterzieher oder Terroristen sind.

Im Gegensatz zu den Daten aus der Telekommunikation, die von den Dienstleistern nur gespeichert werden müssen, für den Fall, dass die Behörden einmal darauf zugreifen wollen, müssen die Banken die Daten aktiv nach verdächtigen Mustern untersuchen und gegebenenfalls ihre Kunden anzeigen. Zunehmend werden die Behörden dabei auf europäischer Ebene vernetzt, sodass jeder auf alle zugreifen kann. Soweit nationale Datenschutzbestimmungen im Weg sind, arbeitet die EU aktiv daran, diese durch maßgeschneiderte Abkommen zu Datenaustausch zu unterlaufen

Das Zauberwort der neuen Strategie heißt „proaktiv“. Es geht um nach vorne verlagerte Verbrechensbekämpfung. Verbrechen sollen verhindert werden, bevor sie geschehen, indem kriminelle Netzwerke aufgedeckt werden. Es geht nicht einfach darum, ein schwarzes Schaf zu ermitteln und aus dem Verkehr zu ziehen, indem man etwa feststellt, dass es mit viel mehr Geld disponiert, als es vernünftiger Weise zur Verfügung haben dürfte. Nein. Es geht vor allem darum, kriminelle Netzwerke zu ermitteln, indem die finanziellen Verbindungen Verdächtiger ebenso analysiert werden, wie die Verbindungen derer, mit denen sie in Verbindung stehen.

Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, wie man als unbescholtener Bürger in das Schleppnetz einer solchen Untersuchung hineingeraten kann. Es gehört auch nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, wie ein autoritärer Überwachungsstaat diese Möglichkeiten nutzen kann, um jegliche Opposition im Keim zu ersticken, indem jeder, der mit in Ungnade Gefallenen in finanziellen Beziehungen steht, selbst zum Verdächtigen oder schlimmeren wird.

Wenn es kein Bargeld mehr gibt, dann ist diese Form der Totalüberwachung in Echtzeit komplett.

Dann lässt sich daraus auch ein äußerst umfassendes Bewegungs- und Tätigkeitsprofil erstellen, denn es gibt nicht allzu viel, was man tun kann, ohne gelegentlich eine Bezahlvorgang zu tätigen. Wir sind schon extrem nah an diesem Horrorszenario. Wenn wir zulassen, dass das Bargeld weiter zurückgedrängt wird, sind wir drin.

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