Stimmt es wirklich, Durchlaucht Mario, König von Europa,

…dass die Entwicklung der irischen Wirtschaft die Erpressung der  Regierung rechtfertigt? Seine Durchlaucht Mario, König von Europa antwortete auf die Frage ob es angemessen war, dass sein Vorgänger Trichet die irische Regierung zu einem Notstandsprogramm zwang: „Die nachfolgenden Ereignisse, insbesondere die außerordentliche Performance Irlands … scheinen zu zeigen, dass die Entscheidung nicht so dumm war.“

Zuvor hatte die EZB nach vier Jahren Geheimhaltung die damaligen Briefe Trichets an den irischen Finanzminister veröffentlicht.

War es tatsächlich das EU-IWF-Hilfsprogramm, das dazu führte, dass die irische Wirtschaft sich weniger schlecht entwickelte als die der anderen Krisenländer? War es tatsächlich dieses Hilfsprogramm, das in die Rettung der bei kontinentaleuropäischen Banken hoch verschuldeten irischen Mega-Banken floss und den irischen Bürgen eine riesige Staatsschuld aufbürdete? War es das zugehörige Sparprogramm, mit Massenentlassungen im Staatssektor, Rentenkürzungen, Lohnkürzungen, Streichung von Sozialleistungen? Zweifel sind angebracht. All das gab es auch in den anderen Krisenländern, wo die darauf folgende Wirtschaftsentwicklung katastrophal war.

 Aber es gab etwas in Irland, was es in den anderen Krisenländern nicht gab. Etwas was es nach den europäischen Verträgen und den Statuten der EZB nicht geben dürfte. Etwas worüber König Mario deshalb sehr, sehr ungern redet. Es gab eine 30 Mrd. Euro schwere Finanzierung des irischen Staatshaushalts mit der Notenpresse der irischen Zentralbank. Diese bildet zusammen mit der EZB und den anderen nationalen Notenbanken des Euroraums das Eurosystem.

Über ein kompliziertes Dreiecksgeschäft bekam die Regierung das Geld für die Bankenrettung von der Zentralbank, allerdings im Prinzip nur kurzfristig. Als der Zentralbankkredit jedoch  auslief und zurückgezahlt werden sollte, vereinbarten Regierung und Notenbank kurzerhand eine Verlängerung bis 2038. Wer glaubt, dass die irische Regierung der Zentralbank in 24 Jahren 30 Mrd. Euro samt Zinsen zurückzahlen wird, ist naiv. Wozu sollte man, wenn man den Kredit doch auch einfach verlängern kann? Was einmal geht, geht auch zweimal, und geschädigt ist ja niemand. Und wenn es den Euro 2038 nicht mehr geben sollte, hat sich das eh erledigt.

König Mario ist das zu Recht sehr peinlich, weshalb er darauf beharrt, der EZB-Rat habe das Geschäft der irischen Notenbank mit der Regierung nur „zur Kenntnis genommen“, nicht genehmigt. Das ist lächerlich, denn der EZB-Rat kann und muss solche illegalen Geschäfte unterbinden. Wenn stimmt, was Bundesbankpräsident Jens Weidmann sagt, dann hat der EZB-Rat das Geschäft auch untersucht, und nicht untersagt. Auch der überaus tugendhafte Bundespräsident Jens Weidmann hat sich dabei nicht mit Ruhm bekleckert. Mitte Februar 2013 murmelte er einmal kurz was von „gefährlich nahe an monetärer Staatsfinanzierung in Sachen Irland. Man schuldet den Iren eben etwas, dafür, dass sie damals (auf Druck Trichets) nicht wie die Isländer die ausländischen Banken mit ihren Forderungen einfach leer ausgehen ließen. Und wenigstens ein angebliches Erfolgsbeispiel für die gescheiterte Gesundsparstrategie muss man ja präsentieren können, gerade auch, wenn man Bundesbank-Präsident ist und alles andere als Sparen ablehnt.

Das ganze Ausmaß der Bigotterie wird deutlich, wenn man sich daraufhin nochmal die Briefe Trichets an den irischen Finanzminister durchliest. Die von Trichet immer wieder wiederholte Rechtfertigung für die erpresserische Drohung, die irischen Banken in den Bankrott zu schicken, war die Feststellung, dass das Eurosystem ein hohes Engagement gegenüber den irischen Banken aufgebaut hatte. Die irische Regierung bürgte zwar dafür, aber weil die irische Regierung nur noch begrenzt kreditwürdig sei, käme das illegaler Staatsfinanzierung durch die Notenpresse gleich. Nachdem nun zwischenzeitlich die Regierung das nötige Geld extrem langfristig, um nicht zu sagen auf Ewigkeit von der Zentralbank bekommen hat, mit Genehmigung durch die EZB, wird deutlich, dass diese Begründung von vorne bis hinten verlogen war.

Genauso selbstgerecht  und irreführend ist die Rechtfertigung der EZB gegenüber den Iren, die sie zu den skandalösen Briefen auf ihre Website gestellt hat. Dort heißt es als Antwort auf die zweite Frage (meine Übersetzung):

“Auch wenn es sehr verständlich ist, dass die irischen Bürger wütend sind über das Erbe der Krise, so waren es doch die heimischen Wirtschaftspolitiker, die für die mangelhafte Politik in Sachen Bankaufsicht, öffentliche Finanzen und den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit verantwortlich waren. Insbesondere gab es einen Mangel an angemessenen heimischen makroprudentiellen Politiken. Diese versäumten es, das übermäßige Kreditwachstum und den folgenden Immobilienboom abzuschwächen. Zweifellos gab es auch externe Faktoren, die zu der Krise in Irland beitrugen. Dazu gehört die Tatsache, dass der Rahmen für die Krisenprävention im Euroraum weder komplett noch hinreichend effektiv war.“

Ich weiß, dass man nicht mit Schaum vor dem Mund  sprechen oder schreiben sollte, aber mir geht bei einer solchen scheinheiligen, selbstgerechten Verhöhnung eines geschundenen Volkes die Hutschnur hoch. Hier behauptet eine Institution mit absolutistischer Macht, die nichts dabei findet, einer gewählten Regierung zu drohen, allen Banken den Saft abzudrehen. Sie sei nicht in der Lage gewesen eben diesen Banken, die vom Eurosystem beaufsichtigt wurden, ihre unverantwortliche Kreditvergabe an einen völlig überhitzten Immobiliensektor auszutreiben. Es war die irische Zentralbank, Teil des Eurosystems, die für die Bankaufsicht in Irland mit zuständig war.

 Der Kredit- und Immobilienboom in Irland war zudem alles andere als ein nationales Phänomen und damit etwas worum die EZB sich hätte kümmern müssen. Er trat auch in Spanien, Griechenland, Zypern und moderater in weiteren Ländern auf. Die Folge war, dass das Kredit- und Geldmengenwachstum im Euroraum die von der EZB gesetzte Zielmarke massiv übertraf. Und was tat die EZB? Sie entschied sich, nicht mehr auf die Geldmenge zu schauen. Weil alles andere bedeutet hätte, den europäischen Banken in die Parade zu fahren und sie am noch mehr Geld-Verdienen zu hindern. Das ist das Gegenteil von dem was Notenbanker gerne tun, wie gerade erst wieder Bundesbanker Andreas Dombret demonstriert hat.

Die Notenbanker sind außerdem die Hauptakteure bei der Aufstellung und Umsetzung der völlig untauglichen Aufsichtsregeln für die Banken in Europa (und international). Sie waren es also ganz zuvorderst, die die Krise verschuldet haben, und nicht die gewählten irischen Politiker, die übrigens vor der Krise einen Haushalt mit einem Überschuss hatten.

Aber, wie König Mario so schön betont hat: die EZB ist nationalen Parlamenten keine Rechenschaft schuldig. Papier und Internetseiten sind geduldig, da kann man behaupten, was man will.

Print Friendly, PDF & Email