Mit einem neuem Postgesetz heuchelt die Regierung den Willen, die Machenschaften von DHL abzustellen

25. 07. 2024 | Der teilstaatliche Paketversender DHL stellt immer mehr Packstationen auf Appsteuerung um, sodass Empfänger ein Smartphone brauchen, um ihre Pakete dort abzuholen. Das kürzlich in Kraft getretene neue Postgesetz enthält wohlklingende Formulierungen, die so tun, als wollten sie dieser Altersdiskriminierung einen Riegel vorschieben. Doch die Verantwortlichen wissen, dass die Schlupflöcher in den gewählten Formulierungen dafür sorgen, dass DHL kaum etwas ändern muss.

Ich hatte an die Bundesnetzagentur, die für DHL zuständige Regulierungs- und Verbraucherschutzbehörde, geschrieben und gefragt, was sie von der Diskriminierung alter Menschen ohne Smartphone durch DHL hält und ob sie etwas dagegen unternehmen will. Zu meiner Überraschung wurde ich auf ein neues Postgesetz hingewiesen, das vor wenigen Tagen, am 19. Juli in Kraft getreten ist. Die Bundesnetzagentur schrieb mir am 24. Juli:

„Bislang war nicht ausdrücklich geregelt, ob Postunternehmen Sendungen in App-gesteuerte Packstationen ohne Zustimmung des Empfängers einliefern durften. Der Gesetzgeber hat auf das Problem reagiert. Das neue Postgesetz (§ 13 Absatz 3 Satz 3) schreibt nunmehr vor, dass Empfänger der Hinterlegung in App-gesteuerte Stationen im Einzelfall oder dauerhaft widersprechen können. Die Benachrichtigungskarte, die beim Empfänger eingeworfen wird, muss über dieses Widerspruchsrecht informieren und die Kontaktdaten des Unternehmens enthalten. Die Bundesnetzagentur wird die Einhaltung dieser Vorschriften überwachen, damit auch Menschen ohne Smartphone und Internet ihre Pakete erhalten.“

Der Grund für meine Überraschung ist auch der Grund für mein fortbestehendes Misstrauen, dass das Problem mit dem neuen Postgesetz wirklich gelöst ist. Denn mit Datum von 10. Juli hatte die Bundesnetzagentur noch ganz anders und ohne Erwähnung des neuen Postgesetzes auf eine Beschwerde eines Lesers meines Blogs über die DHL-Praxis geantwortet. Darin hatte die Behörde völlig unkritisch Behauptungen von DHL ihr gegenüber wiedergegeben, die zu dem falschen Schluss führten, dass auch Menschen ohne Smartphone und sogar ohne Internet relativ problemlos per Telefon oder gegenüber einem Zusteller erklären könnten, dass sie ihre Sendungen nicht bei einer App-gesteuerten Packstation hinterlegt bekommen möchten.

Ich hatte parallel an die Pressestelle von DHL geschrieben und um Stellungnahme dazu gebeten, ob DHL mit dem Aussperren von alten Leuten ohne Smartphone und Internet nicht Altersdiskriminierung betreibt. Mir wurde alles mögliche aufgezählt, was man tun könne, um auch ohne Smartphone und Internet an seine Sendungen zu kommen. Aber bei genauem Nachfragen blieb es dann doch dabei: Ohne Internet geht ohne Hilfe gar nichts und selbst mit Hilfe kann man die App-gesteuerten Packstationen nur zuverlässig vermeiden, wenn man all seine DHL-Pakete generell – ohne Zustellung zuhause – an eine Poststelle oder eine nicht App-gesteuerte Packstation umleiten lässt.

Durch Nachfragen konnte ich klären, dass das, was DHL der Regulierungsbehörde gegenüber angegeben hatte, in wesentlichen Teilen falsch war. Gegenüber einem Zusteller kann man entgegen den Behauptungen von DHL der Behörde keine Zustellpräferenzen mitteilen. Einen neuen Zustellversuch kann man nur per E-Mail beauftragen, und die Telefonnummer des „Service“ findet man ohnehin nur mit ausreichender Hartnäckigkeit beim Suchen im Internet.

Die Antwort von der DHL-Pressestelle bekam ich am 19. Juli, dem Tag des Inkrafttretens des neuen Postgesetzes. Wenn DHL seine Praxis wegen der Vorschriften dahingehend ändern müsste, wie von der Bundesnetzagentur mir gegenüber nahegelegt, warum sollte sich das so gar nicht in der Antwort der Pressestelle auf eine kritische Anfrage niederschlagen?

Den Hinweis der Bundesnetzagentur auf das neue Postgesetz bekam ich erst, als ich die Agentur darauf hinwies, dass sie von DHL offenbar belogen worden war und sie fragte, ob sie vorhabe aktiv zu werden. Mich beschlich also der leise Verdacht, dass ich von einem teilstaatlichen, aber profitorientierten Unternehmen und seiner Auifsichtsbehörde hinter die Fichte geführt werden könnte und ich schaute mir den angeführten Paragrafen 13 Absatz 3 genauer an. Dort steht:

„Kann ein Paket nicht nach Absatz 1 oder 2 zugestellt oder zur Abholung bereitgestellt werden und erfolgt kein weiterer Zustellversuch, hat der Anbieter den Empfänger über den erfolglosen Zustellversuch zu unterrichten und zur Abholung des Pakets am nächstgelegenen Hinterlegungsort aufzufordern. (…) Der Anbieter muss dem Empfänger dabei die Möglichkeit einräumen, der Hinterlegung in eine automatisierte Station, die nur mit eigenen technischen Geräten des Empfängers genutzt werden kann, für diesen Einzelfall oder dauerhaft zu widersprechen; die Unterrichtung nach Satz 1 muss über das Widerspruchsrecht informieren und die Kontaktdaten des Anbieters zu dessen Ausübung enthalten „

Diese Formulierungen sind uneindeutig.. Was bedeutet Kontaktdaten? Reicht eine Mailadresse wie sie bisher schon angegeben wird, oder muss eine Telefonnummer dabei sein? Genügt es, wenn wie bisher die Möglichkeit besteht, im Internet zu beauftragen, dass Sendungen direkt an einen selbst zu wählenden Hinterlegungsort zugestellt werden, auch wenn dann gar kein Zustellversuch zuhause mehr erfolgt? Ich fragte nach, wie diese Vorgaben zu verstehen seien und ob die Bundesnetzagentur akzeptieren würde, wenn DHL sie so auslegen würde, dass die bisherige altersdiskriminierende Praxis beibehalten werden könne.

Die Antwort der Bundesnetzagentur, die als verantwortliche Regulierungs- und Verbraucherschutzbehörde sicherlich in die Neufassung des Gesetzes eingebunden war, ist verräterisch. Die erste Frage beantwortete sie folgendermaßen:

„Das Gesetz ist in dieser Frage nicht eindeutig. Es ist wörtlich nur von „Kontaktdaten des Anbieters“ die Rede. Die Regelung ist erst am 19. Juli 2024 in Kraft getreten. Bislang gibt es noch keine Auslegungspraxis zu der Vorschrift. Die Bundesnetzagentur ist sich aber der Interessen der Empfänger ohne Internetanschluss bewusst und wird diese soweit möglich berücksichtigen.“

„Soweit möglich berücksichtigen“?! Was soll es unmöglich machen, dass Menschen ohne Internetanschluss einen Paketdienst kontaktieren können. Es genügt die Telefonnummer auf der Benachrichtigung und die Pflicht, wichtige Anweisungen auch telefonisch entgegenzunehmen. Ausschließlich Gewinninteresse oder Hang zur Zwangsdigitalisierung können dem im Weg stehen.

Um die Beantwortung der zweiten Frage drückte sich die Sprecherin der Behörde (wortreich) gleich ganz herum.

DHL kann danach erst einmal weiter Zustellwünsche von der Nutzung des Internets und der Eröffnung eines DHL-Accounts abhängig machen. Auch kann das Unternehmen offenbar weiterhin Paketempfängern, welche die Hinterlegung an App-gesteuerte Packstationen ausschließen wollen, dadurch bestrafen, dass sie keine Heimzustellung mehr bekommen,

Das sind noch nicht alle Schlupflöcher. DHL ist nicht gehindert, immer weitere Packstationen auf App-Steuerung umzustellen. Das würde dazu führen, dass die Wege für diejenigen, die keine Hinterlegung in diesen wünschen, immer weiter werden. Außerdem ist unklar, wie es gehen soll, der Hinterlegung in einer App-gesteuerten Packstation für den aktuellen Einzelfall zu widersprechen. Bis der Empfänger die Nachricht liest, ist diese ja in der Regel schon in der Packstation.

Sinn und Verantwortliche der Publikumstäuschung

Die Bundesnetzagentur gehört zum Geschäftsbereich des grün geleiteten Wirtschaftsministeriums, das wohl auch federführend beim neuen Postgesetz war. Robert Habecks Mann an der Spitze der Bundesnetzagentur ist der ehemalige Grünenpolitiker Klaus Müller. Für die Ausübung des Stimmrechts bei DHL, wo der Bund größter Anteilseigner ist, ist das FDP-geführte Finanzministerium zuständig. Im Hang der FDP zur Zwangsdigitalisierung dürfte also der Hauptgrund, für die entsprechenden Machenschaften des teilstaatlichen Unternehmens DHL liegen. Die Grünen sind – nicht zum ersten und einzigen Mal – die Mittäter.

Das führt zu der Frage: warum erlässt eine Regierung neue gesetzliche Regeln für automatisierte Packstationen, die noch dazu voller Schlupflöcher sind, wenn sie auch über den Aufsichtsrat und die Regulierungsbehörde dafür sorgen kann, dass das teilstaatliche Unternehmen, von dem diese Machenschaften ausgehen, sich sozialverträglicher benimmt.

Meine etwas spekulative Antwort: Es gibt Druck, zum Beispiel von der Verbraucherschützerin der SPD, die es mit dem Schutz von Senioren und anderen gegen Digitalisierungszwang und Ausgrenzung ernst zu meinen scheint, deren Parteiobere aber leider an Rückgradlosigkeit gegenüber der FDP leiden und sich nicht für solche Dinge interessieren, Wenn man eine gut klingende gesetzliche Regelung mit versteckten Schlupflöchern erlässt, kann man sehr wirkungsvoll Kritik von Koalitionspartner und Öffentlichkeit den Wind aus den Segeln nehmen und scheinbar guten Willen demonstrieren,

Was tun?

Die wirksamste Maßnahme direkt gegen DHL dürfte es sein, wenn sie Waren auf Rechnung bestellen und sie zurückgehen zu lassen, falls sie in einer App-gesteuerten Packstation hinterlegt werden. Informieren sie den Verkäufer, warum sie die Waren nicht in Empfang nehmen konnten. Dann bekommt DHL von den eigenen Kunden Druck und verliert Geschäft. Wenn Sie über Internet verfügen, oder jemand das für Sie erledigen kann, können Sie einen neuen Zustellversuch beauftragen. Das sollten sie auf jeden Fall tun, auch wenn man sie nicht antreffen kann. Denn es macht DHL Arbeit und Kosten.

Ansonsten konfrontieren Sie gern die grünen und gelben Abgeordneten mit den Machenschaften ihrer verantwortlichen Parteifreunde und stellen sie Stimmentzug in Aussicht. Eventuell hilft es auch, bei der SPD vorstellig zu werden. Fragen Sie gern auch bei den Verbraucher-, Behinderten- und Seniorenverbänden, warum sie in dieser Frage so still sind.

Um festzustellen, ob DHL seine Praxis geändert hat, bitte ich betroffene Leser, mir von Ihren Erfahrungen seit dem 19. Juli mit App-gesteuerten Packstationen zu berichten und mir, wenn möglich, eine Kopie von beiden Seiten der zugehörigen Benachrichtigung zuzuschicken.

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