Lebwohl Troika, Schmuddelkind Europas, Du hattest Deine Rache

  EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will die Troika abschaffen, nachdem Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis ihre Abgesandten zu unerwünschten Personen erklärt haben. Kaum einer wird ihr nachweinen, außer natürlich unserem Finanzminister, der sich flugs wieder auf verlorenen Posten begeben und darauf bestanden hat, dass sie bleibt. Die Troika war von Anfang an Schmuddelkind der europäischen „Rettungs“-

Politik, mit dem keiner so gern in der Öffentlichkeit gesehen werden wollte. In Hinterzimmern heimlich konzipiert, wurde sie erst verleugnet, später wollte sich keiner so recht damit identifizieren. Die Europäische Zentralbank (EZB) stellte sich immer gern als nachrangige Beraterin der beiden anderen Mitglieder dar, denn ihr Mandat erlaubt ihr eigentlich nicht, sich in die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der Staaten einzumischen. Andererseits wollte sie aber nicht, dass der Europäische Währungsfonds (IWF) in Europa bestimmen sollte, wo es lang geht. Und die EU-Kommission allein galt ihr als zu weich um harte Rosskuren für Empfängerländer durchzusetzen.

 Der IWF wiederum distanzierte sich vor zwei Jahren durch seinen Chefvolkswirt Olivier Blanchard öffentlich von der Spar- und Kürzungspolitik der Troika.

Die Troika hat Europa diese Behandlung gebührend heimgezahlt. Mit ihren volkswirtschaftlich unsinnigen Spar- und Kahlschlagsprogrammen hat sie Teile Europas in die Armut, den Rest in die Rezession getrieben.

 Eingeführt wurde die Troika heimlich, ergibt eine rückblickende Presseschau. Zeitungsleser erfuhren damals, dass am 25. März 2010 die EU-Regierungschefs in enger Konsultation mit dem EZB-Chef Jean-Claude Trichet, beschlossen hatten, Krisenländern bei Bedarf zusammen mit dem IWF beizuspringen. Voraussetzung sollte sein, dass EU-Kommission und EZB den Ausschluss des Landes vom Finanzmarkt feststellen. Davon, dass die EZB ein Wirtschaftsprogramm als Bedingung für Hilfen mit aushandeln und überwachen sollte, war keine Rede.

 Bis zum 13. April 2010 wurde öffentlich immer nur von wirtschaftspolitischen Auflagen des IWF gesprochen. Am 14. April allerdings wusste der griechische Finanzminister genau, wer tatsächlich für diese Bedingungen zuständig sein würde. In einem Brief an die EU-Spitze bat er um „Beratung“ durch IWF, EU-Kommission und EZB für ein Reformprogramm. Am 2. Mai wurde dann das erste Hilfsprogramm der EU-Länder für Griechenland beschlossen.

 Die EZB gab dazu eine Pressemitteilung heraus, in der sie erstmals von ihrer Rolle bei der Aushandlung der wirtschaftspolitischen Bedingungen für die Hilfen sprach und sich dabei als beratender Juniorpartner der Kommission darstellte. Tags darauf verkündete die EZB, dass griechische Anleihen auch mit Ramschstatus noch als gute Sicherheiten für Notenbankgeschäfte gelten würden. Alles in allem: eine enge Verquickung von Geldpolitik und staatlicher Finanzpolitik.

 Als die EU-Parlamentarier Anfang 2014 im Zuge ihrer Troika-Untersuchung wissen wollten, ob und wann der EZB-Rat den Beschluss gefasst habe, an der Troika teilzunehmen, wich die EZB hartnäckig aus. Dem Handelsblatt sagte ein Sprecher auf Nachfrage, der EZB-Rat habe am 2. Mai 2010, einem Sonntag, in einer Telefonkonferenz die Beteiligung der EZB einstimmig beschlossen. Die Bedingungen waren zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits ausgehandelt, unter Beteiligung der EZB.

 Warum die EZB sich in Sachen Troika-Beteiligung so bescheiden und schmallippig gibt, wurde vor drei Wochen deutlich, als der EU-Generalanwalt im Verfahren um die Rechtmäßigkeit etwaiger Staatsanleihekäufe durch die EZB feststellte, man könne „angesichts der bedeutenden Rolle, die die EZB im Rahmen der Finanzhilfeprogramme bei deren Konzipierung, Genehmigung und regelmäßigen Überwachung spielt, zu dem Schluss gelangen, dass dies über eine bloße „Unterstützung“ der Wirtschaftspolitik hinausgeht. Gemeint war ihre Troika-Beteiligung. Daher, so der Generalanwalt, dem der Europäische Gerichtshof in aller Regel folgt, müsse sich die EZB jeder direkten Beteiligung an dem Finanzhilfeprogramm enthalten.

 Formell gilt diese Stellungnahme des Generalanwalts nur für das OMT genannte und noch nie angewendete Eventualprogramm der EZB für Staatsanleihekäufe im Fall einer Krise am Anleihemarkt. Aber es ist klar, dass das Argument übertragbar ist auf jedes Programm der EZB, bei dem sie ein von ihr selbst mit ausgehandeltes wirtschaftspolitisches Programm zur Bedingung für ihr als „geldpolitisch“ deklariertes Handeln macht.

 Eine solche direkte Verknüpfung gibt es auch bei den als mengenmäßige Lockerung bezeichneten Staatsanleihekäufen, die nächsten Monat  beginnen sollen. EZB-Chef Mario Draghi hat klar gestellt, dass griechische Anleihen wegen ihres schlechten Ratings nur gekauft werden, wenn es eine gültige Vereinbarung über ein Hilfsprogramm gibt. Das alte Programm, um dessen Verlängerung gerade gerungen wird, hat die EZB mit ausgehandelt.

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Und selbst die normale Refinanzierung der griechischen Banken bei der EZB steht also deren Versorgung mit Euro, steht unter dem Vorbehalt eines gültigen Hilfsprogramms. Wenn die Fortsetzung des laufenden Hilfsprogramms jetzt daran scheitern sollte, dass Tsipras die von der EZB der Vorgängerregierung  im Rahmen der Troika auferlegten detaillierten wirtschaftspolitischen Maßnahmen nicht mehr ausführen will , könnte sich die EZB als geldpolitische Institution berechtigt oder gar genötigt sehen, ihn zu bestrafen, indem sie den griechischen Banken den Geldhahn zudreht und Griechenland damit letztlich aus der Währungsunion wirft. Nachdem der EU-Generalanwalt diese unrechtmäßige Verquickung von Geldpolitik und finanzpolitischen Auflagen problematisiert hat, würden in einem solchen Fall nicht mehr nur notorische Draghi-Kritiker die wahren Farben dieser Institution in voller Pracht leuchten sehen – die Farben der heimlichen Macht am Main, die bar jeder Kontrolle durch Volksvertreter Europa regieren.

 αντε γεια τρόικα, ade gia, Troika! Geh mit Gott, …

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