Der KVBW, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, müssen alle Kassenärzte und -psychotherapeuten des Bundeslands angehören. Das Schreiben ist auch auf der Webseite (zwischenzeitlich gelöscht, s.u.) der Vereinigung zu finden. Es beginnt so (Fettung und kleiner Grammatikfehler im Original):
„Sehr verehrte Frau Kollegin,
sehr geehrter Herr Kollege,als Ärzte und Psychotherapeuten, die täglich mit den deletären, medizinischen und gesamtgesellschaftlichen Folgen der Coronapandemie als solche, insbesondere aber auch mit den Konsequenzen einer Corona-Erkrankung konfrontiert sind, empfinden wir Impfverweigerung als frech und gesellschaftliche inakzeptabel. Viele empfinden es zu Recht unerträglich, dass eben diese in Arztpraxen vulnerable Patientengruppen gefährden. Spätestens dort, wo man andere gefährdet, ist Corona und Impfen keine Privatsache mehr. (…) Völlig zu Recht wird daher gefordert: 2G/3G-Regeln zu einer Voraussetzung für medizinische Behandlungen zu machen.“
Bisher gäbe es jedoch leider keine gesetzliche Handhabe, den Zutritt zur Praxis von Impfung oder Test abhängig zu machen. Deshalb empfehlen die Verantwortlichen der KVBW den Ärzten einen perfiden Trick mit dem sie die rechtlichen Hürden umgehen können – und sollen – um nicht geimpfte Menschen generell, oder wenn sie nicht getestet sind, draußen zu halten (Fettung durch mich):
„Ihrer besonderen Verpflichtung, dem Schutz vulnerablen Gruppen nachkommend, ist jedoch folgender Lösungsansatz möglich: Es ist zulässig, getrennte Sprechstunden, von Notfällen abgesehen, für 2G/3G und andere einzurichten (…), z. B. 3G-Sprechstunde von 08.00 – 18.00 Uhr; non 3G-Sprechstunde von 07.00 – 07.10 Uhr.“
Also 10 Minuten für alle, die restlichen 10 Stunden nur für Geimpfte, Genesene und vielleicht noch Getestete, die bereit sind, ihren Status nachzuweisen, obwohl sie nicht müssen.
Einen weiteren Trick schlagen der KVBW-Vorstandsvorsitzende Norbert Metke und sein Stellvertreter Johannes Fechner vor, um die Datenschutzregeln auszuhebeln:
„Sie können die Patienten nach deren Impfstatus fragen, haben aber kein Recht auf eine wahrheitsgemäße Antwort oder gar einen entsprechenden Nachweis. Wer keine Auskunft abgeben möchte, der kann in die non 3G-Sprechstunde verwiesen werden.“
Da ich kein Jurist bin, überlasse ich es den Krankenkassen und den kundigen Rechts- und Staatsanwälten in Baden-Württemberg herauszuarbeiten, gegen welche straf-, spezial- und verwaltungsrechtlichen Vorschriften hier verstoßen bzw. dazu aufgerufen wird, und wie das ggf. zu ahnden ist. Ein paar Vorschriften und Selbstverpflichtungen, die in Frage kommen, will ich jedoch anführen.
Ein naheliegender Kandidat ist die Datenschutzgrundverordnung, denn bei Informationen über den Impfstatus handelt es sich um Gesundheitsdaten gemäß Art. 4 Nr. 15 DSGVO. Diese Daten gehören zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten, deren Verarbeitung gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich untersagt ist.
Nach der „Deklaration von Genf“ (in der Fassung der 68. Generalversammlung des Weltärztebundes aus dem Oktober 2017) geloben Ärzte u.a.:
- „Ich werde den höchsten Respekt vor menschlichem Leben wahren.
- Ich werde nicht zulassen, dass Erwägungen von Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, Rasse, sexueller Orientierung, sozialer Stellung oder jeglicher anderer Faktoren zwischen meine Pflichten und meine Patientin oder meinen Patienten treten.
- „Ich werde, selbst unter Bedrohung, mein medizinisches Wissen nicht zur Verletzung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten anwenden.“
In § 7 Absatz 1 der Musterberufsordnung für alle in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte heißt es (Fettung durch mich):
„Jede medizinische Behandlung hat unter Wahrung der Menschenwürde und unter Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte der Patientinnen und Patienten, insbesondere des Selbstbestimmungsrechts, zu erfolgen. Das Recht der Patientinnen und Patienten, empfohlene Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen abzulehnen, ist zu respektieren.“
Spezifisch für „Kassenärzte“, die jetzt „Vertragsärzte“ heißen, für die aber nach wie vor die „KV“ zuständig ist, gilt § 76 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V:
„Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, (…), den nach § 72a Abs. 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, (…) frei wählen.“
Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen ist nach § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V:
„Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Sie haben die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in § 81 Abs. 5 vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten.“
Da, wo es keine Impfpflicht gibt (und nach dem Nürnberger Kodex bzw. der Erklärung von Helsinki richtigerweise nicht geben darf), kommt eine „Disziplinierung“ des Patienten durch die KV bzw. ihre Mitglieder folglich legal nicht in Betracht.
Zum Abschluss noch ein Zitat aus der Selbstbeschreibung der KVBW (meine Fettung):
„Mit einem hohen Maß an Effizienz halten wir das Gesundheitssystem auf dem aktuellen Stand des medizinischen Fortschritts, wachen hier über die Ausführung staatlicher Vorgaben, sorgen dort für die Entfaltung der ärztlichen Kunst und setzen uns für die Interessen unserer Mitglieder ein. Nicht gerade einfach, diese Aufgabe, und manch einer fragt sich, was aus der Gratwanderung zwischen gesetzlich verordneter Überwachung und Interessenwahrung der Überwachten werden kann. Die Bilanz des Erreichten liefert die Antwort, denn es gibt kaum ein anderes Land, in dem die Menschen ohne nennenswerte Wartezeiten und ungeachtet von Ansehen, Einkommen und Alter in einen derart uneingeschränkten Genuss moderner therapeutischer Maßnahmen kommen.“